Schnelle Drahtlosnetze eröffnen neue Anwendungsperspektiven

Business-WLANs entdecken Multimedia

17. Oktober 2008, 6:22 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Wireless LANs für Unternehmen gelten heute als ebenso sicher wie verkabelte Netze. Überdurchschnittlich stark wachsende Verkaufszahlen belegen die zunehmende Akzeptanz. Gleichzeitig sorgt die breite Durchsetzung eines noch unvollendeten Standards für die Erschließung neuer Multimedia-Anwendungen in Unternehmen: Die Vorzüge von IEEE 802.11n ab Draft 2 sind offenbar so groß, dass alle Vorbehalte inzwischen wie weggeblasen scheinen.

Der WLAN-Markt erfreut sich eines soliden Wachstums. Im ersten Halbjahr 2008 erreichten die
Umsätze insgesamt 2,5 Milliarden Dollar, immerhin gut 13 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2007.
Nach wie vor ist das SOHO-Segment (Small Office, Home Office) mit 54 Prozent des Gesamtumsatzes
etwas größer als das der Unternehmens-WLANs, doch die Ablösung in der Führung ist bereits absehbar.
Das Wachstum bei den Profi-WLANs lag im zweiten Quartal 2008 gegenüber dem ersten bei zwölf
Prozent, die SOHO-WLANs wuchsen im Vergleich dazu um acht Prozent. Diese Zahlen stammen aus dem "
Wireless LAN Report" für das zweite Quartal 2008 von Dell’Oro Group. Der Trend zur stärkeren
Verlagerung der Umsätze in das Business-Segment begann sich bereits seit der Verabschiedung des
Sicherheitsstandards 802.11i abzuzeichnen, der das Vertrauen in die unternehmensgerechte Sicherheit
der drahtlosen Technik deutlich gestärkt hat.

Ausgereifte Managementapplikationen sowie die Verabschiedung einer hardwarestabilen Vorversion
des zukünftigen 802.11n-Standards (802.11n, ab Draft 2) sorgen seit gut einem Jahr für einen
weiteren Akzeptanzschub. 802.11n beflügelt nach den Beobachtungen der Marktforscher auch die
Kreativität für Einsatzszenarien von WLANs. Mit einer rund fünfmal größeren Bandbreite als beim
Standard 802.11g – verbunden mit etwa einer Verdoppelung der Reichweite beziehungsweise
entsprechenden Verbesserung der Stabilität bei gleicher Entfernung – bietet sich 802.11n auch für
bandbreitenintensive Aufgaben wie Video-Streaming oder Abruf umfangreicher Präsentationen an.
Wurden die drahtlosen Netze früherer Generationen schwerpunktmäßig für den Internet-Access sowie
den Zugriff auf Unternehmensdaten genutzt, haben die Planer neuerer WLAN-Installationen auf der
Basis des 802.11n-Standards das gesamte Spektrum von Unternehmensapplikationen im Visier –
inklusive Sprache und jeder Form von Multimedia. Ob sich damit das "Ende des Ethernets" ankündigt,
wie es einige WLAN-Hersteller bereits thematisieren, ist sicher fraglich. Denkbar ist aber, dass
Ethernet vom Desktop zunehmend in den Bereich der Kern- und Weitverkehrsnetze verdrängt wird.

Standard-"Rohling" bewährt sich im Praxisalltag

Den deutlichen Trend hin zu 802.11n bestätigen auch die maßgeblichen Marktanalysten – und dies
ungeachtet dessen, dass sich noch bis vor etwa neun Monaten "seriöse" Hersteller gegenseitig darin
überboten, Warnungen vor einem unvollendeten Standard auszusprechen. Dennoch: Von der Burton Group
über Dell?Oro bis hin zu Gartner sind sich alle einig, dass die Installationsbasis von Geräten mit
802.11nTechnik so rasch wächst, dass sie den Markt für drahtlose Netzwerklösungen innerhalb der
nächsten drei bis vier Jahre dominieren wird. Bis 2013, so die Analysten, werde 802.11n den
Ethernet-Standard als dominante Verbindungsmethode bei Netzwerken abgelöst haben.

Vorreiter in Sachen 802.11n sind laut einer aktuellen Analyse von ABI Research die
Universitäten, die mit immer neuen Spitzenwerten an Bandbreitenbedarf konfrontiert sind. Mit jedem
Semester erscheinen zahlreiche neue Studenten, von denen viele Laptops besitzen, die 802.11n
unterstützen. "Unternehmen hinken bei der Akzeptanz von 802.11n nur deshalb etwas hinterher, weil
die Geschwindigkeit des Hardwareaustauschs von Laptops geringer ist als bei den Studenten",
kommentiert Roger Hockaday, Director of Marketing EMEA von Aruba Networks. "Viele Unternehmen
nutzen das WLAN, teilweise schon seit Jahren. Diese Unternehmen werden bald die Vorteile von
802.11n erkennen – spätestens beim Bezug neuer Gebäude oder beim regelmäßig stattfindenden
Austausch der IT-Hardware. Noch wichtiger ist aber die Tatsache, dass es die drahtlose
Verbindungstechnik im Vergleich zur kabelgebundenen erlaubt, deutlich mehr unterschiedliche
Endgeräte – wie etwa das Apple Iphone – im Netzwerk zu nutzen, die schlichtweg keine kabelgebundene
Anschlussmöglichkeit bieten."

Die Tatsache, dass 802.11n nach wie vor weit von der finalen Standardisierung entfernt ist
(siehe separater
Beitrag ab Seite 68), stört Unternehmen
offenbar immer weniger. Allenfalls bei den Access-Service-Providern gibt es deswegen noch
Zurückhaltung. Dies schlägt sich in Deutschland jedoch kaum nieder, da hier WLAN als Access-Technik
ohnehin kaum eine Rolle spielt. Damit sind nicht die WLAN-Hotspots gemeint, die in Hotels,
Flughafengebäuden, Bahnhöfen und zahlreichen öffentlichen Plätzen ihren Dienst tun, sondern die
flächendeckende WLAN-Versorgung eines Gebiets durch einen Provider. In Osteuropa, Russland, vielen
Teilen Asiens und zunehmend auch Amerikas hat sich hier eine durchaus nennenswerte Provider-Szene
gebildet. In Deutschland und vielen weiteren westeuropäischen Ländern prosperiert hingegen das
Prinzip der punktuellen WLAN-Hotspots. Laut Branchenverband Bitkom (Bundesverband
Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.) existieren derzeit in Deutschland
rund 14.200 solcher WLAN-Anlaufstellen, neun Prozent mehr als vor einem Jahr. Im internationalen
Vergleich sei jedoch auch die Verfügbarkeit von öffentlichen Hotspots in Deutschland noch
ausbaufähig. Auf 100.000 Einwohner kämen hierzulande 17 Hotspots. In der Schweiz sind es 53, in
Großbritannien 48 und in Schweden 38.

Strategiefindung und Machtkämpfe im Schatten von Cisco

Während 802.11n-WLANs in neue Anwendungsdimensionen führen, räumen die Fortschritte in Sachen
Sicherheit, Management und Skalierbarkeit die generellen Vorbehalte der IT-Profis gegenüber WLANs
immer weiter aus dem Weg. Wer in diesen Disziplinen überzeugende Lösungen parat hält, hat bei
Unternehmen die besten Karten. Bei Cisco korrespondiert die klare Marktdominanz (61 Prozent der
Umsätze mit Enterprise-WLANs, Tendenz leicht fallend) zwar nicht unbedingt mit dem Ruf ihrer
Lösungen – zumindest existieren andere, die bei vergleichbarem Funktionsspektrum als
kostengünstiger und weniger komplex gelten. Die einsame Spitzenposition von Cisco dürfte daher eher
der Dominanz des Unternehmens im Netzwerksektor zuzuschreiben sein. Der neue Zweitplatzierte heißt
Aruba und hat mit jetzt 9,2 Prozent Marktanteil Motorola (8,7 Prozent) von dieser Position
verdrängt. Mit der Ankündigung, Airdefense zu übernehmen, hat Motorola mit ihrem in Europa
weitgehend unbekannten WLAN-Portfolio allerdings bereits den Konterangriff eingeleitet. Damit haben
alle drei Top-Player jetzt WLAN-Security- und Monitoring-Fähigkeiten im eigenen Haus.

Markt auf Konsolidierungskurs

Indes schreitet die Konsolidierung des Markts weiter voran. Zu den spektakulärsten Übernahmen in
jüngster Zeit zählen etwa der Kauf von Colubris durch HP Procurve sowie die Akquisition von Trapeze
Networks durch den bislang fast ausschließlich im Markt für verkabelte Netze agierenden Hersteller
Belden. HP Procurve hatte bislang vorbildlich seriös streng auf verabschiedete Standards gesetzt –
dementsprechend war das Kernportfolio bis zuletzt noch auf 802.11g basiert. Mit Colubris wird HP
Procurve mit einem Schlag zum 802.11n-Lieferanten – und gleichzeitig viertgrößter Markt-Player. Im
Ranking scheinen darüber hinaus in diesem Sektor allenfalls noch Alcatel Lucent mit 2,4 Prozent
Marktanteil und 3Com/H3C mit 1,4 Prozent erwähnenswert. Große Namen im wie zum Beispiel Proxim
Wireless (0,7 Prozent), Enterasys Networks, Foundry Networks, Extreme Networks oder auch Bluesocket
(alle vier jeweils 0,4 Prozent) reflektiert der Business-WLAN-Markt nur als Marginalie in der
Statistik.

Trends im Unternehmens-WLAN

Treiber für technische Innovationen sind oft die Newcomer der Branche. Deren "Halbwertszeit"
scheint im WLAN-Geschäft allerdings sehr kurz zu sein. Viele im Zug der WLAN-Entwicklung
entstandene Unternehmen sind inzwischen entweder wieder verschwunden oder von einem Big Player "
geschluckt". Zu denen, die (noch) auf dem Markt sind, gehören jüngere bis sehr junge Kandidaten wie
etwa Meru, Ruckus und Aerohive. Ruckus etwa hat sich unter anderem mit Multisegmentantennnen einen
Namen gemacht, die in Verbindung mit einer speziellen Steuerungssoftware in der Lage sind, die Wege
der Funkstrahlen zu optimieren. Dieses technische Verfahren hat inzwischen auch bei Wimax- und
sogar in Mobilfunknetzen in jeweils entsprechend angepasster Form Einzug gehalten.
Aerohive Networks wurde
erst 2006 gegründet und zählt damit zu den jüngsten Teilnehmern im Enterprise-WLAN-Markt. Mit dem
Youngster fand jedoch das anspruchsvolle Thema Virtualisierung im großen Stil Eingang in die
WLAN-Welt. So hat das Unternehmen im vergangenen Jahr erstmals die Funktionen eines klassischen
physischen WLAN-Controllers in einem sich selbst organisierenden Access-Point-(AP-)Verbund
virtualisiert. Durch dieses Konzept der "kooperativen Kontrolle" eliminierte Aerohive den bisher in
Business-WLANs üblichen neuralgischen Punkt: Wenn der WLAN-Controller als zentrale Komponente
ausfällt, läuft im gesamten WLAN oft nichts mehr. Die kostenintensive WLAN-Zentrale gilt zudem als
Flaschenhals beim Datendurchsatz und je nach Netzkonfiguration auch als Ursache hoher
Verbindungskosten. So muss auch der WLAN-Verkehr in den Außenstellen meist über den zentralen
WLAN-Controller laufen, falls die Security- und Compliance-Richtlinien auch an den entfernten
Standorten gelten sollen.

Bei Aerohive werden diese Richtlinien stets vor Ort durchgesetzt. Der kooperative AP-Verbund mit
seiner strikten Trennung der Managementebene von der Kontroll- und Datenebene liefert letztlich
auch die Basis dafür, Funktionen des Netzwerkmanagements selbst zu virtualisieren: Mit dem "Virtual
Hivemanager" – einer Art Supermanager – hat Aerohive kürzlich eine Software herausgebracht, über
die sich bis zu 50 separate virtuelle Verwaltungsinstanzen bilden lassen. WLAN-Provider können so
ihre unterschiedlichen Kunden, oder Unternehmen beispielsweise verschiedene Bereiche,
Länderniederlassungen etc. sauber voneinander trennen. Der Nachteil der Aerohive-Lösung ist, wie so
oft, dass es sich um eine proprietäre Technik handelt, die sich nur mit den herstellereigenen APs
realisieren lässt. Fremde Access Points lassen sich immerhin auf konventionelle Weise
einbinden.

WLAN-Management für Zweigstellen

Ruckus wiederum nutzt mit ihrem neuen "Flexmaster"-System für das zentrale WLAN-Management in
Zweigstellen zwar nicht virtualisierte, jedoch speziell auf diese Anforderung zugeschnittene,
kleinere WLAN-Controller. Diese sind auch preislich in einer anderen Liga angesiedelt als
Controller für Unternehmenszentralen. Auch aus Deutschland kommen in Sachen WLAN-Management
interessante Entwicklungen: Ein aktuelles Beispiel ist etwa "Wilma" von Funkwerk Enterprise
Communications (FEC). Das zentrale AP-Management ist dabei über Gruppenprofile gelöst. Diese werden
zentral definiert und vorgehalten und je nach Bedarf an die APs verteilt. Die Managementsoftware
übernimmt beispielsweise auch das Einspielen von Firmware-Updates für alle APs oder für eine
definierte Gerätegruppe. Weitere Besonderheiten sind unter anderem eine durchgängige
Inventarisierungsfunktion sowie die grafische Aufbereitung der Leistungsdaten im WLAN. FEC
adressiert mit Wilma sowohl größere Unternehmen als auch Systemhäuser, die damit die Möglichkeit
haben, WLANs ihrer Kunden per Fernwartung zu administrieren – etwa als kostenpflichtiger
Managed-Service.

WLAN-Access-Point zum Mitnehmen

Ein neuer Typus von WLAN-Access-Points erlaubt Unternehmen, ihren mobilen Mitarbeitern von
überall aus einfach und ohne Risiko einen Zugang zu allen Funktionen des Enterprise-Netzes
inklusive VoIP-Telefonie einzurichten. Bei Aruba beispielsweise kommunizieren die "Remote APs" mit
einem zentralen Managementsystem in Form eines Aruba-"Mobility-Controllers", der sich bei Bedarf um
einen Voiceserver ergänzen lässt. Dieser Controller übernimmt die Steuerung der APs. Verbindet der
Anwender den Remote AP mit einem öffentlichen Netz, findet dieser automatisch das primäre oder
sekundäre Rechenzentrum des Unternehmens, baut eine sichere Verbindung dorthin auf und stellt die
gewünschten Anwendungen bereit. Welche Anwendungen dies sind, ist zentral durch die IT-Abteilung
festgelegt. Ein wichtiger Punkt bei der Lösung: Unabhängig, von wo aus der Mitarbeiter operiert –
alles, was er tut, ist immer unter der Kontrolle der Unternehmens-IT.

Aruba Networks ist der einzige dedizierte WLAN-Hersteller, der es unter eigenem Label in die
Top-Drei der WLAN-Lieferanten von Unternehmen geschafft hat. Abseits von Produkten und Techniken
machte Aruba kürzlich mit einem Zertifizierungsrundumschlag von sich reden. Konkret geht es um
Common-Criteria-EAL-2 (ISO-Standard 15408), FIPS 140-2 (Federal Information Processing Standard)
und Compliance mit der DoD-Richtlinie 8100.2 (Department of Defense). EAL-2 ist eine
Pflichtvoraussetzung für viele Anwendungen im Hochsicherheitsbereich. Oft wird EAL-2 in Kombination
mit der Abnahme nach FIPS 140-2 für Kryptografie und mit Compliance nach der Sicherheitsrichtlinie
für drahtlose Techniken des DoD, Directive 8100.2, verlangt. Aruba ist nach eigenen Angaben der
erste WLAN-Hersteller, der alle drei Anforderungen erfüllt. Mit diesen Zertifikaten im Gepäck will
das Unternehmen jetzt die Behörden-, Finanz- und Wirtschaftswelt mit WLAN-Technik durchdringen.

Aktuelles in Sachen WLAN berichtet auch der finnische Hersteller Ekahau. Das Unternehmen hat
sich auf WLAN-basierende RTLS-Lösungen (Real Time Location Systems –
Echtzeit-Lokalisierungssysteme) spezialisiert. Auf der kürzlich stattgefunden "RFID World" in Las
Vegas präsentierte Ekahau vier neue WLAN-Tags, die die Funktionen ihrer
Echtzeit-Lokalisierungssysteme erweitern. Zu den Tags, die auf Anwenderanforderungen in
verschiedenen vertikalen Märkten eingehen, zählen ein Mitarbeiterkennmarken-Tag sowie weitere
Lösungen für Industrie, Handel und für temperaturempfindliche Umgebungen.

Die WLAN-Entwicklung hat offensichtlich nichts an Dynamik verloren. Auch für Überraschungen ist
der WLAN-Markt immer gut: Vor einem Jahr hätte wahrscheinlich noch kaum jemand vermutet, dass ein
unfertiger Standard hemmungslos die Drahtlosnetze in Unternehmen erobert und deren
Anwendungsspektrum umkrempelt.


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