Rechenzentrum mit ausgeklügelter Klimatechnik

Das schlüsselfertige Rechenzentrum

16. Oktober 2008, 22:00 Uhr | Hans-Robert Koch, Rittal/dp

Die Wilo AG entwickelt Pumpen und Pumpensysteme für die Heizungs-, Kälte- und Klimatechnik. Beim Neubau des Rechenzentrums in der Dortmunder Unternehmenszentrale setzte das Unternehmen auf Leistungen aus einer Hand: Denn von der Planung über den Rohbau bis hin zu den Präzisionsumluftklimasystemen verpflichtete das Unternehmen den Schrankhersteller Rittal und dessen Consulting-Tochter Litcos. Diese sollten das Rechenzentrum als schlüsselfertige Gesamtlösung realisieren. Wichtige Kriterien waren dabei eine flexible und energiesparende Klimatisierung mit Free-Cooling-Möglichkeit sowie ein intelligentes Power-Management.

Vor zwei Jahren stellte sich das Wilo-Management die Frage, wie die Serverarchitektur und das Rechenzentrum eines international agierenden und stark expandierenden Unternehmens aussehen müssen, damit es für künftige Anforderungen gerüstet ist. Die steigende Anzahl komplexer Anwendungssoftware wie SAP, Exchange und CRM sowie die Anforderung an permanente Hochverfügbarkeit in der Unternehmensgruppe machte eine Neustrukturierung der IT-Landschaft erforderlich. "Über das Rechenzentrum laufen unter anderem Produktionsdaten. Damit stellen wir ein zentrales ERP-System für alle Produktionsstandorte der Unternehmensgruppe zur Verfügung", erklärt Andreas Pertek, Manager IT-Infrastructure bei der Wilo AG. Ausfälle kann sich das Unternehmen aufgrund der hohen Folgekosten somit nicht leisten.

Neben gestiegenen Sicherheitsanforderungen hinsichtlich Zutrittskontrolle, Daten- und Brandschutz machten auch gebäude- und klimatechnische Schwachstellen beim historisch gewachsenen Primärrechenzentrum eine Neuplanung zwingend notwendig. Denn die vorhandenen Klimasysteme konnten zum Beispiel die Verlustleistungen aus den IT-Schränken und generell im Rechenzentrum nicht mehr optimal abführen.

So gab Wilo beim Consulting- und Planungsunternehmen Litcos eine Risikoanalyse der vorhandenen IT-Substanz in Auftrag und entschied sich daraufhin für einen kompletten Neubau der Primär- und Ausweichrechenzentren in den angestrebten Trusted-Site-Infrastructure-Klassen Level II (PRZ) und Level I (ARZ). Wilo beauftragte für die Projektrealisation Litcos als Generalübernehmer.

Das neue Primärrechenzentrum erstreckt sich mitten im Rohkomponentenlager im Untergeschoss des Unternehmens auf einer Fläche von 16 x 11 Metern. So war ein besonderer Systemschutz vor Brand, Brandfolgeprodukten, Leckage- und Löschwasser im Außenumfeld sowie eine Zutrittsbeschränkung notwendig.

Systemschutz für das Gebäude

Der Dienstleister plante und errichtete ein mehrschaliges Rechenzentrumsgebäude mit geschlossener Außenschale und zwei Zugängen. Um die Zertifizierungen des TÜV IT zu erhalten, konzipierten die Planer den Innenbereich mit von einander abgeschotteten Funktionsbereichen für Schleuse (Flur), Serverraum (Kernraum), USV-Raum, Klimaspange (mit Gitterabtrennung zum Serverraum zur Trennung von IT-Hardware und Maintenance-Personal) sowie separaten Technikräumen für Gaslöschung, Niederspannungsschaltanlage und Kältetechnik. Das komplette Rechenzentrum mit Ausnahme des Kältetechnikraums erhielt ein raumübergreifendes Doppelbodensystem mit einer Tragfähigkeit von 800 kg/m².

Das Rechenzentrum verfügt über ein Überwachungssystem mit Zutritts-, Einbruchs- und Wassermeldeanlagen sowie ein Brandfrühesterkennungssystem, dessen optische Rauchsensoren einen Brand in den Schränken oder im Serverraum frühzeitig erkennen und melden sollen. Damit verbunden ist ein automatisch operierendes Gaslöschsystem auf Stickstoffbasis. Dieses befindet sich in einem separaten Technikraum und ist für den kompletten Serverraum ausgelegt.

Intelligenter Klima-Mix

Seit März sind im Serverraum insgesamt zehn dicht gepackte Schränke untergebracht - mit der Option zur Erweiterung. Dabei verlangte Wilo eine höchstmögliche Flexibilität der Kühlsysteme und erhielt deshalb eine Doppelbodenklimatisierung zur Raumkühlung, die sich mit Schrankklimaanlagen zur Hot-Spot-Kühlung kombinieren lassen. Diese Rittal Liquid Cooling Packages (LCP) mit Luft/Wasser-Wärmetauschern integriert Wilo, wenn die Abwärme eines Schranks 4 kW überschreitet, beispielsweise wenn er mit Blade-Servern ausgestattet wird. Damit erhalten diese Racks eine eigene, abgeschlossene Klimatisierung. Dabei blasen die Klimamodule die Kühlluft direkt vor die Serveransaugseite im Rack, nehmen die mit Abwärme belastete Abluft hinter den Servern wieder auf und kühlen sie ab. Diese abgeschlossenen Systeme entlasten dann die Gesamtwärmebilanz des Serverraums. Bei der Realisiserung des Rechenzentrums hat Litcos die notwendigen Wasseranschlüsse im Doppelbodenfluter bereits installiert. Wilo kann somit bei Bedarf einzelne Schränke ohne großen Aufwand mit einem Klimamodul ausstatten.

Die Grundlastkühlung im Rechnerraum übernehmen drei Umluftklimasysteme (UKS) von Rittal, die jeweils eine Gesamtkühlleistung von 30 kW bieten, wobei ein System redundant eingesetzt ist. Sie stehen in der Klimaspange des RZs und besitzen einen Wärmetauscher. Ihre Kaltluft zieht ein unter dem Doppelboden angebrachter Radialventilator vertikal nach unten ab und bläst sie ohne zusätzliche Umlenkung in den Doppelboden. Damit können die UKS-Schränke den maximalen Einbauraum für den Wärmetauscher nutzen und haben keine zusätzlich zu überwindenden Druckverluste.

Daraus ergeben sich deutliche Energieeinsparungen. Der geringere Druckverlust sorgt dafür, dass die Energiekosten für den Ventilator im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen um 30 bis 50 Prozent fallen. Durch den zeitgleichen Betrieb aller drei Umluftklimasystemeinheiten, also auch des Redundanzgeräts, mit verminderter Leistung werden die geräteinternen Druckverluste gegenüber konventionellen Betriebskonzepten mit Stillstand des Standby-Geräts nochmals gesenkt. Fällt ein Gerät aus, übernehmen die beiden anderen mit erhöhter Leistung den Dauerbetrieb. Möglich wird dies durch den Einsatz von modernen, mit EC-Motoren bestückten Ventilatoren, die einen Betrieb mit unterschiedlichen Solldrehzahlen - vorgegeben von der geräteinternen Steuerungselektronik - zulassen. Durch die geringere Drehzahl und die Verlagerung der Lüfter unter den Doppelboden reduziert sich zudem deutlich der Schallpegel. Auch die geschlossene Bauweise des Direktkühlsystems LCP reduziert den Geräuschpegel im Rechenzentrum, weil dadurch eine Schallschutzkapselung erreicht wird. Das Klimakaltwasser für die Raum- und Serverkühlung erzeugen zwei, im Außenbereich aufgestellte, luftgekühlte IT-Chiller, so genannte Kompaktkaltwassersätze, die sich für den Free-Cooling-Betrieb eignen. Damit lässt sich die im Winterhalbjahr sowie in den Übergangszeiten nachts verfügbare Außenkälte zur Hardwarekühlung nutzen.

Free-Cooling integriert

Das erwärmte Klimakaltwasser hat im Rücklauf eine Temperatur von etwa 16 °C. Die kalte Außenluft kühlt es in Rohrleitungen entsprechend ab. Die 1+1-redundant angelegten IT-Chiller verfügen jeweils über Kältekompressoren, die dann gleitend im Sommerbetrieb die Rückkühlfunktion übernehmen. Gleitend heißt in diesem Fall, dass das zum Chiller zurückkehrende Wasser so lange durch den Freikühltauscher geleitet wird, bis kein Abkühlungseffekt mehr erzielt wird. Dabei nutzt Wilo die 1+1-Redundanz ganz ähnlich wie bei den Doppelbodenflutern: Im Freikühlbetrieb sind die Tauscher beider Kältemaschinen in Aktion. Dieses Betriebskonzept steigert insbesondere in den Übergangszeiten die Nutzzeit und Effizienz der Freikühlung.

Chiller-Technik

Bis zu einer Außentemperatur von etwa 40 °C kühlt der aktive IT-Chiller unter Volllast die Wassertemperatur auf eine Vorlauftemperatur von exakt 10 °C ab. Werden 40 °C im Freien überschritten, greift der zweite IT-Chiller unterstützend ein und dient somit zur Überbrückung sommerlicher Spitzenwerte. "Insgesamt verfügt ein IT-Chiller über eine Kälteleistung von 80 kW und kann damit die Entwärmung des gesamten Rechenzentrums über die UKS- und LCP-Systeme realisieren", erklärt Rittal-Projektleiter Helmut Nonn. Im Serverraum werden davon 70 kW und im USV-Raum 10 kW zur Verfügung gestellt.

In der Kältezentrale des Rechenzentrums übernimmt eine redundant ausgelegte Hauptpumpe von Wilo die Förderung des Kühlmediums auf Verbraucherseite. Dabei sorgt eine integrierte Drehzahlregelung dafür, dass der vorgegebene Soll-Vordruck eingehalten wird. Um unterschiedliche Wassermengen auf Erzeuger- und Verbraucherseite realisieren zu können, installierte Rittal einen Pufferspeicher, der als hydraulische Weiche arbeitet.

Kontinuierliche Stromversorgung

Für eine 100-prozentige Einsatzbereitschaft aller IT-Systeme sind letztlich alle mikroprozessorgesteuerten Systeme auf eine optimale und kontinuierliche Stromversorgung angewiesen. Neben einer entsprechend abgesicherten Haupt- und Unterverteilung war die Installation einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) Pflicht. Dafür sind in einem separaten USV-Raum insgesamt drei 3-phasige modulare USV-Systeme von Rittal mit einem Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent installiert worden. Damit stehen 80 kW Leistung plus 40 kW Redundanz zur Verfügung.

Neben den Kostenvorteilen durch den hohen Wirkungsgrad lassen sich bei diesem USV-System die einzelnen Module im laufenden Betrieb wechseln oder ergänzen, ohne dass der Techniker dazu in den Bypass-Modus wechseln muss. Die Unterbrechungen für Wartungsarbeiten entfallen somit.

Die Niederspannungsverteilung befindet sich in einem separaten Funktionsraum. Sie besteht aus Niederspannungsunterverteilungen (Ri4power Bauformen 4a und 2b) und einem Sammelschienensystem mit den Abmaßen 30 x 10 mm. Dabei wurde eine Formunterteilung über fünf Felder realisiert, sodass das System für Bemessungsströme bis 800 A ausgelegt ist. Die über die USV-gesicherte Verteilung basiert auf einer zweifeldrigen Installationsstandverteilung mit einem Bemessungsstrom von 630 A.

Das neue Rechenzentrum der Wilo-Zentrale wurde im März 2008 als schlüsselfertige Gesamtlösung übergeben und ist seither in Betrieb. Diese modernisierte Infrastruktur deckt nun alle Anforderungen der weltweiten Wilo-Unternehmensaktivitäten ab. Selbst die gesamten Produktionsdaten in Indien laufen über das Wilo-RZ in Dortmund.


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