Normen für das Rechenzentrum

Der aktuelle Stand des Wandels

16. Oktober 2008, 22:00 Uhr | Dirk Traeger/jos Dirk Traeger ist Technical Manager D-A-CH bei Anixter Deutschland.

Nicht ist so beständig wie der Wandel, und in kaum einer Branche trifft dieser Satz so genau zu wie in der IT. Der beständige technische Fortschritt bringt es mit sich, dass sich auch die Normen und Standards ändern, und dies in immer kürzeren Zeitabständen. Dieser Artikel ist eine Momentaufnahme des aktuellen Stands der Normen und deren kurzfristigen Änderungen.

Die derzeit wichtigsten Normen für Rechenzentren sind unbestritten die ANSI/TIA-942 und die EN 50173. Erstere ist streng genommen nur in den USA gültig, denn TIA steht für Telecommunications Industry Association, die Vereinigung der US-amerikanischen Telekommunikationsindustrie. ANSI ist das Akronym für American National Standards Institute. Faktisch werden ausgesuchte TIA-Standards weltweit anerkannt und angewandt, wie beispielsweise die TIA-942 "Telecommunications Infrastructure Standard for Data Centers" vom April 2005, ganz besonders, da es zurzeit keinen anderen Standard gibt, der alle Bereiche in einem Rechenzentrum abdeckt.

In der TIA-942 besonders hervorzuheben sind die Tier-Klassifikationen. Dieser pragmatische Ansatz definiert vier unterschiedliche Klassen von Ausfallsicherheit und Redundanz. Während Tier 1 nahezu keine Redundanz bietet, sind bei Systemen nach Tier 4 alle Teilsysteme ausfallsicher gestaltet.

Die EN 50173 "Anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen" ist mittlerweile zu einer fünfköpfigen Normenfamilie herangewachsen:

50173-1: 2007 Allgemeine Anforderungen,

50173-2: 2007 Bürogebäude,

50173-3: 2007 Industriell genutzte Standorte,

50173-4: 2007 Wohnungen und

50173-5: 2007 Rechenzentren.

Mit Stand Dezember 2007 sind die fünf Teile relativ aktuell, Vorgaben für 10 Gigabit Ethernet über Twisted-Pair-Leitungen (10GBase-T) nach IEEE 802.3an fehlen jedoch. Diese sind als Beiblatt 1 zur EN 50173-1 vom Mai 2008 enthalten. Der Entwurf zum neuen Teil 1 ist als Fassung vom Juli 2008 erhältlich.

Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass die Teile 2 bis 5 Vorgaben zur Verkabelungsstruktur, übertragungstechnische Werte für die Gesamtstrecke mit und ohne Anschlusskabel (Patch Cords) sowie für die Steckverbindungen enthalten, nicht jedoch für die Kabel und Leitungen selbst.

Die Vorgaben dazu sind vielmehr in den Normen der Serie EN 50288 enthalten:

EN 50288-2-1: Kabel bis 100 MHz, mit massivem Leiter, geschirmt,

EN 50288-2-2: Kabel bis 100 MHz, mit flexiblem Leiter, geschirmt,

EN 50288-3-1: Kabel bis 100 MHz, mit massivem Leiter, ungeschirmt,

EN 50288-3-2: Kabel bis 100 MHz, mit flexiblem Leiter, ungeschirmt,

EN 50288-4-1: Kabel bis 600 MHz, mit massivem Leiter, geschirmt,

EN 50288-4-2: Kabel bis 600 MHz, mit flexiblem Leiter, geschirmt,

EN 50288-5-1: Kabel bis 250 MHz, mit massivem Leiter, geschirmt,

EN 50288-5-2: Kabel bis 250 MHz, mit flexiblem Leiter, geschirmt,

EN 50288-6-1: Kabel bis 250 MHz, mit massivem Leiter, ungeschirmt und

EN 50288-6-2: Kabel bis 250 MHz, mit flexiblem Leiter, ungeschirmt.

Die Normen dieser Reihe stammen aus dem Jahr 2004. Angaben zu Faserspezifikationen für Lichtwellenleiter sind in der EN 50173-1 enthalten, detaillierte Angaben sind in den Normen der EN 60792-2 zu finden.

Vorgaben für die Verkabelung für die 10- Gigabit-Ethernet-Variante 10GBase-T finden sich in folgenden Regelwerken:

1. ANSI/TIA-568-B.2-1ad10

Geltungsbereich: USA,

Vorgaben: Übertragungsstrecke (Channel), Verkabelungsstrecke (Permanent Link), Einzelkomponenten.

2. ISO/IEC 11801

Geltungsbereich: weltweit,

Vorgaben: als Ergänzung 1.1 zurzeit nur Vorgaben für die gesamte Übertragungsstrecke (Channel); die Werte für die Verkabelungsstrecke (Permanent Link) sowie für Einzelkomponenten sind als Ergänzung 1.2 noch in der Diskussion.

3. EN 50173

baut auf der ISO/IEC 11801 auf.

Der Standard ISO/IEC 24764 ist zurzeit der Manuskripterstellung noch im Entwurfsstadium. Er legt bei Glasfasern OM3-Multimode-Fasern und bei Kupferverkabelungen die Klasse EA als Mindestanforderungen fest. Darüber hinaus enthält er bei den Kupfersteckverbindern den RJ45, den GG45 und den Tera-Stecker.

Vorgaben für Planung, Installation und Qualitätssicherung sind in der Normenfamilie EN 50174 "Installation von Kommunikationsverkabelung" zu finden:

1. EN 50174-1:2001 Spezifikation und Qualitätssicherung,

2. EN 50174-2: 2001 Installationsplanung und -praktiken in Gebäuden mit Berichtigung vom März 2002 und

3. EN 50174-3: 2004 Installationsplanung und -praktiken im Freien.

Entwürfe von Neufassungen der Teile 1 und 2 sind mit Stand vom Oktober 2007 erhältlich.

In den USA setzt sich die ANSI/TIA-569-B mit Kabelwegen und Kabelführung auseinander. Als weltweit gültiger Standard ist hier die ISO/IEC18010:2002 zu nennen. Ebenfalls aus den USA kommt die ANSI/TIA-606-A, die sich mit der Verwaltung der Verkabelung inklusive Kennzeichnung und Beschriftung auseinandersetzt.

Mit weiter zunehmenden Datenraten werden Erdung und Potenzialausgleich immer wichtiger. Dazu führt an der EN 50310:2006 "Anwendung von Maßnahmen für Erdung und Potentialausgleich in Gebäuden mit Einrichtungen der Informationstechnik" kein Weg vorbei. In den USA ist zu diesem Bereich die ANSI-J-STD-607-A-2002 heranzuziehen. Selbstverständlich sind auch die Messverfahren genormt, um einen einheitlichen Standard bei der Qualitätskontrolle und einer eventuellen Fehlersuche zu schaffen: Die EN 50346:2008 "Informationstechnik - Installation von Kommunikationsverkabelung - Prüfen installierter Verkabelung" gibt im Detail vor, was wie zu messen ist, sowohl für Kupfer- als auch für Glasfaserverkabelungen. Sie befindet sich zurzeit aber noch im Entwurfsstadium.

In Rechenzentren derzeit noch von untergeordneter Bedeutung ist die Stromversorgung von Geräten über die Datenleitung: Power over Ethernet, kurz PoE. Doch auch wenn im RZ meist eine sichere, USV-gepufferte Stromversorgung gewährleistet ist, bietet PoE auch hier Vorteile, und sei es nur die Tatsache, dass bei PoE-fähigen Geräten die Leitung und die Steckdose für den Stromanschluss entfällt und man bei Installationen nicht noch zusätzlich einen Elektriker bemühen muss.

Derzeit verabschiedet ist der Standard IEEE 802.3af. Kompatiblen Endgeräten werden bis zu 12,95 W an Leistung zur Verfügung gestellt. Der Entwurf für den neuen Standard für High Power over Ethernet IEEE 802.3at sieht bis zu 30 W am Endgerät vor. Damit können auch motorberiebene PTZ-Kameras (Pan-Tilt Zoom) betrieben werden. Die Veröffentlichung dieses Standards ist für Anfang 2009 geplant.

Vorgaben und sinnvolle Eckwerte werden jedoch nicht allein von den Normungsgremien festgelegt. Vor allem das Uptime Institute und die AFCOM leisten wertvolle Beiträge zur Standardisierung in Rechenzentren, genauso wie engagierte Unternehmen.

Das Uptime Institute ist wohl der Pionier bei Forschung, Untersuchungen und Schulungen rund um das Thema Rechenzentrum. So geht beispielsweise die Tier-Klassifizierung der TIA-942 auf Erhebungen und Vorgaben dieser Einrichtung zurück. Die AFCOM (Association for Computer Operations Management) ist eine Vereinigung von Rechenzentrumsprofis und blickt auf eine über 25-jährige Erfahrung zurück. Schwerpunkt ist der Rechenzentrumsbetrieb.

Aber auch engagierte Unternehmen leisten ihren Beitrag zur Standardisierung. So gehen beispielsweise die Kategorien der Verkabelungskomponenten auf das Level-Prüfprogramm der Anixter Inc. zurück, die in ihrem UL-zertifizierten Prüflabor bereits zu Beginn der neunziger Jahre Prüfkriterien und Sollwerte erarbeitet hat, lange bevor es Normen dazu gab.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Lampertz GmbH & Co. KG

Matchmaker+