Kategorie 6A - Stand der Technik (Teil 2)

Die neuen Varianten für Verkabelungsstrecken

16. Oktober 2008, 22:00 Uhr | Frank Reich/dp Frank Reich leitet den Bereich Data/Voice bei Telegärtner.

Praktisch alle Verkabelungshersteller bieten Produktlösungen für 10GBase-T an. Eine international gültige Norm für Kategorie 6A lässt jedoch noch auf sich warten. Dennoch sind Komponenten auf dem Markt, die mit dem Prädikat "Kategorie 6A"werben. Teil 1 dieser Artikelserie beschrieb den Stand der nationalen und internationalen Normierung. Jetzt geht es um die möglichen Anwendungsvarianten sowie um konkrete Lösungen für die Praxis.

Manche Hersteller beziehen sich mit der Bezeichnung Kategorie 6A auf die Category 6A, die die TIA mit dem ANSI EIA/TIA 568-B.2 Addendum 10 verabschiedet hat. Doch dieser Standard gilt nur in den USA und Kanada.

Manche Hersteller bieten auch 10GbE-fähige Produkte nach TIA TSB-155 oder ISO TR24750 an. Doch ANSI/TIA-TSB-155 ist eine Messvorschrift für bestehende Verkabelungen und gilt nur in den USA und in Kanada. ISO/IEC TR24750 gilt zwar weltweit, ist aber ebenfalls nur eine Messvorschrift für Altverkabelungen. Beide sind nicht für neue Komponenten gedacht.

Das internationale Normengremium der ISO/IEC 11801 hat nur die Messwerte für die Übertragungsstrecke inklusive der Patch- und Anschlusskabel genormt. Normwerte für die Installationsstrecke und die einzelnen Komponenten (Kategorie 6A) stehen dagegen noch aus.

Zudem hat ISO/IEC angekündigt, dass die ISO-Werte für die Kategorie 6A strenger sein werden als die der TIA. Da sich die europäische und deutsche Normung an die ISO/IE 11081 anlehnt, gilt dies auch für die spätere DIN EN 50173. Es ist also nicht auszuschließen, dass Komponenten, die heute die TIA-Werte erfüllen, bei der ISO-Prüfung durchfallen werden, wenn sie nicht über ausreichend Reserven verfügen. Einen verbindlichen Termin für die Veröffentlichung des ISO-Standards gibt es noch nicht.

Die Zahl der Steckverbindungen

Ein Grund für die derart langwierige Definition dieses ISO-Standards liegt in der Komplexität der Technik. Mittlerweile gibt es nicht mehr nur ein einziges, verbindliches Modell einer Übertragungsstrecke, sondern drei mit unterschiedlicher Anzahl an zulässigen Steckverbindungen (Connectors): Beim 2-Connector-Modell sind die Steckverbindungen im Verteilfeld (Patchpanel) und an der Anschlussdose (Outlet) zu berücksichtigen. Beim 3-Connector-Modell kommt noch ein Zwischenverteilfeld (Cross connect) im Verteilerschrank oder ein Sammelpunkt (Consolidation Point) beispielsweise im Großraumbüro dazu, beim 4-Connector-Modell beide. Die Steckverbindungen an den elektronischen Geräten wie PC, Server oder Switch werden nicht berücksichtigt.

Zudem gibt es für jedes dieser drei Modelle zwei Varianten: Die Installationsstrecke (Permanent Link), die die fest verlegten und installierten Komponenten zwischen Verteilfeld und Anschlussdose enthält, und die Übertragungsstrecke (Channel), die zusätzlich noch die flexiblen Patch- und Anschlusskabel im Verteilerschrank und am Arbeitsplatz umfasst.

Die Norm macht es unmöglich, einzelne Produkte und Komponenten für nur eines dieser Modelle zu optimieren. Hersteller, die normkonforme und zukunftssichere Produkte anbieten wollen, müssen alle drei Modelle berücksichtigen. Doch in der Praxis sind Stecker und Buchse in vielen Fällen nur unzureichend aufeinander abgestimmt, dasselbe gilt für Buchse und Kabel oder Stecker und Kabel.

Alien Next

Doch damit nicht genug: Da die Empfängerelektronik bei 10GBase-T sehr viel empfindlicher sein muss als bei Gigabit Ethernet, haben jetzt Störungen, die bislang vernachlässigt werden konnten, gravierende Auswirkungen.

Eine besondere Herausforderung ist hier das so genannte Alien Next, kurz ANEXT: Daten, die in einem Kabel übertragen werden, können Störungen auf benachbarten Kabeln verursachen. Es besteht die Gefahr, dass dieses Übersprechen dafür sorgt, dass der Empfänger im schlimmsten Fall nicht mehr zwischen den Daten, die für ihn bestimmt sind, und den Daten aus benachbarten Kabeln unterscheiden kann. Alien Next tritt nicht nur zwischen verschiedenen Kabeln auf, sondern auch zwischen den Anschlüssen eines Verteilfelds oder eines Sammelpunkts in Großraumbüros. Problematisch dabei ist, dass noch nicht alle Feldtester das ANEXT in Kabeln ermitteln können.

Alien Next zu beherrschen und mögliche Störungen auszuschließen, stellt entsprechend hohe Anforderungen an die Hersteller. In Deutschland sind diese Anforderungen besonders hoch, denn die Unternehmen mischen in ihren Netzen oft Komponenten verschiedener Hersteller und Leistungsklassen miteinander (Mix and Match). Dann bestimmt das schwächste Glied die Stärke der gesamten Kette, also die Komponente mit der niedrigsten Leistungsklasse bestimmt das Leistungsvermögen der gesamten Übertragungsstrecke. Demnach wird Mix and Match mit steigender Datenrate riskanter, weil damit auch die Empfängerelektronik empfindlicher auf Störungen reagiert. Dabei ist von den oft spezialisierten Herstellern fachübergreifendes Know-how etwa im Bereich der Datenübertragung im Hochfrequenzbereich gefordert.

Da verbindliche ISO-Werte noch längere Zeit nicht verfügbar sein werden, müssen die heute vermarkteten Komponenten über ausreichende Reserven gegenüber dem TIA-Standard verfügen. Nur dann bieten sie auch die nötigen Reserven für reale Verlege- und Installationsbedingungen und nicht nur für Laborbedingungen, und nur so kann ein Hersteller überhaupt die Einhaltung der kommenden Norm garantieren. Wer Komponenten einsetzt, die eine Norm mit relativ schwachen Werten gerade noch erfüllen, erhält somit keine zukunftssichere Lösung.

Den konkreten physikalischen Hintergrund zu 10GBase-T liefert Teil 3 dieser Artikelserie in der LANline-Ausgabe 10 im Oktober. Teil 1 befasste sich ausführlich mit den nationalen und internationalen Normen und erschien im LANline Spezial Verkabelung im August 2008.


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