Kommentar: 40 Jahre Ethernet

Eine Welt ohne Ethernet

22. Mai 2013, 9:41 Uhr | Mathias Hein, freier Consultant in Neuburg an der Donau
Mathias Hein, Consultant

Können Sie sich eine Kommunikationswelt vorstellen, die im Bereich der Carrier und Service-Provider vom Metro-FDDI dominiert würde? Noch besser: die IEEE definiert einen Token-Bus-Standard für die erste Meile? Oder in rauen Umgebungen wird das ATM als Industriestandard genutzt? Oder für die Vereinheitlichung der Rechenzentren wird der Vorschlag „Fibre Channel-over-Token Ring“ umgesetzt? Die vernetzte Welt wäre sicher anders, wenn das Ethernet nicht die Technologieschlachten gewonnen hätte.

Ohne die Dominanz des Ethernets hätten sich die allgemein gültigen Standards sicher nicht so schnell durchgesetzt. Die vernetzten Systeme wären wesentlich komplexer, als diese heute in der Praxis sind und die Netze wären sicher weniger zuverlässig und langsamer. Ohne die Erfindung des Ethernets hätte es sicher noch einen längeren Zeitraum gedauert und die proprietären Netzwerktechniken hätten die gesamte weitere Entwicklung aufgehalten. Auch die Verbreitung des Internet-Protocols (IP) wäre nicht so extrem schnell passiert. Wahrscheinlich würde jedes Netzwerksegment – das lokale Netz (LAN), die Metro-Area (MAN) und das Wide-Area-Network (WAN) – auf einer anderen Technologie aufgebaut werden. Der Token-Ring hätte wahrscheinlich über einen langen Zeitraum die LANs beherrscht. In Spezialbereichen (Produktion) hätte sich der Token-Bus weiter ausgebreitet.

Wahrscheinlich hätte dann auch FDDI den Metro-Bereich für viele Jahre bestimmt und an ATM und Frame-Relay wäre im gesamten WAN nicht vorbeizukommen. Die verschiedenen Technologien, die die verschiedenen Teile der Netze bestimmen würden, hätten natürlich auch drastische Folgen auf die Ende-zu-Ende-Services. Gateways und Brücken zwischen den verschiedenen Technologien würde die Verzögerung erhöhen und dazu führen, dass ein erhöhter Aufwand für den Betrieb der Netze notwendig wäre. Wahrscheinlich wären ohne das Ethernet die Fortschritte beim Distributed-Computing und beim Client-Server-Computing nie realisiert worden und wären verkümmert. Es gäbe somit nicht die heutigen Client-Server-Strukturen und Microsoft und Novell hätten ihre proprietären Protokolle noch länger im Markt durchsetzen können. Sicherlich hätte sich die Umstellung von zentralen Architekturen auf Client-Server-Versionen verlangsamt. Folglich wären die Minicomputer und Mid-Range-Systeme viel länger in den Unternehmen zuhause gewesen.

Die extremen Durchsatzgeschwindigkeiten von heute 100 GBit/s wären vielleicht noch immer Science-Fiction. Denn die Durchsatzgeschwindigkeiten von Token-Ring wurden in der Vergangenheit nur in Schritten von Faktor 4 erhöht, während die Ethernet-Geschwindigkeit immer um das 10-fache anstieg. Die Spezifikationen für 100 MBit/s und Gigabit-Token-Ring sind in den späten 1990er Jahren zwar noch festgeschrieben worden, erreichten jedoch nicht mehr die Marktreife.

Hätte der Token-Ring diesen Kampf gewonnen, wäre folglich IBM und nicht Cisco der Platzhirsch bei der Vernetzung. IBM – als langjähriger Verfechter des Token-Rings, hätte sein Marktpotential erheblich vergrößert und die Verbreitung anderer Netzwerknormen über den Preis kontrolliert. Cisco, Juniper und Co. hätten keine Chance gegen IBM gehabt, die Netzwerkstandards durchzusetzen. Die Netzwerke hätten sich nur im Windschatten von IBM entwickelt. In der Konsequenz wären das Ethernet und die WLANs grandios gescheitert. Aber ein gescheitertes Ethernet hätte direkte und positive Auswirkungen auf das Geschäft der Systemintegratoren und Professional-Services-Organisationen gehabt. Prognosen besagen, dass das Geschäftsvolumen dieser Unternehmen das 5- bis 10-fache des heutigen Umsatzes betragen würde. Da die Komplexität, bedingt durch die unterschiedlichen Technologien im LAN, MAN und WAN wesentlich größer wären, benötigten die Unternehmen ein Heer von Ingenieuren um diese Netzwerke in Betrieb zu halten.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

  1. Eine Welt ohne Ethernet
  2. Fazit

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Server, Datacenter

Matchmaker+