Die Wärme aus dem RZ lässt sich zum Heizen verwenden; allerdings gibt es noch nicht viele Projekte, in denen ein solcher Ansatz in die Realität umgesetzt wurde. Der Praxisbericht beschreibt, wie die Abwärmenutzung beim RZ-Betreiber Paragon Data funktioniert - und ist gleichzeitig ein Plädoyer für ein möglichst umfassendes "grünes" IT-Konzept.
Dass Green IT keine Erfindung der letzten CeBIT ist, sondern längst gelebte Realität, veranschaulicht ein Projekt, das Lampertz im Auftrag der Paragon Data Systems realisierte. In der Zentrale des hessischen IT-Dienstleisters heizt inzwischen das hauseigene Rechenzentrum das Verwaltungsgebäude. Die Energieersparnis liegt bei rund der Hälfte des sonst notwendigen Primärenergiebedarfs.
Die Planung stand bereits im August 2005. Paragon Data Systems erweiterte ihr Rechenzentrum. Der IT-Dienstleister bietet unter anderem Server-Housing und Application Hosting für mittelständische, öffentliche und global operierende Unternehmen im eigenen Hightech-Datacenter. Die Friedrichsdorfer stellen ihren Kunden die Infrastruktur für Geschäftsdaten bereit. Ihre IT-Sicherheitsräume gewähren selbst hoch sensiblen Informationen, wie sie in Banken, Behörden, Flughäfen oder Kliniken anfallen, einen BSI-zertifizierten Datenschutz. Das dazu nötige Equipment und der Energiebedarf sind beträchtlich, der Sicherheitsaufwand ebenfalls..
Wer im Rechenzentrum der Paragon Data auf ein Rack zugreifen will, muss sich mit einer personalisierten Smartcard aus- weisen. Zutrittskontrolle und Raumüberwachung sind unabdingbar. Die Server-hallen werden im Grundschutzhandbuch des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als empfohlene Sicherheitsräume genannt. Sie bieten den erweiterten Grundschutz nach den Vorgaben des BSI und sind zudem ECB-S-zertifiziert (European Certification Board - Security Systems).
Beim Ausbau eines solchen RZs sind hohe Investitions-, Betriebs- und Energiekosten einzukalkulieren. Denn Ausstattung und Schutzeinrichtungen des Rechenzentrums müssen nicht allein Gefahren wie Einbruch und Sabotage standhalten. Sie müssen auch Elementarschäden wie Feuer, Löschwasser, Staub, Explosion oder Trümmerlasten Widerstand leisten können. Eine große Zahl von Präventivmaßnamen und Geräten ist allein für den laufenden Betrieb erforderlich: Klimatisierung, eigene Trafostation, zentrale USV und Notstromgeneratoren. Unterm Strich ist die gesamte Infrastruktur für logische und physische Datensicherheit äußert energieaufwändig. Kein Wunder also, wenn man nach Einsparpotenzial sucht.
Als die Erweiterung des Datacenters anstand, waren Kühlung und Wärmeabfuhr zentrale Planungsthemen der Diskussion. Doch warum, so hatten sich Manager, IT-Verantwortliche und Ingenieure gefragt, sollte die kostbare Abwärme aus dem hauseigenen Rechenzentrum ungenutzt in die Umwelt abgeführt werden? Die Spezialisten von Lampertz, Anbieter für physikalische IT-Sicherheit und modulare IT-Infrastrukturen, schlugen ein Verfahren zur Wärmerückgewinnung vor. Heute kann Paragon rund die Hälfte der Heizenergie und damit alljährlich Kosten in Höhe von rund 7000 Euro einsparen.
Für die Umwelt heißt das - bei überschläglich eingesparten 8750 l Heizöl zu 0,80 Euro pro Liter - 27 Tonnen CO2-Belastung jährlich weniger. Die reine Geldersparnis mag angesichts der Investitionskosten für IT-Komponenten gering erscheinen. Umweltpolitisch betrachtet und volkswirtschaftlich hochgerechnet ist es jedoch ein lobenswertes Ergebnis und vor allem ein dringend notwendiger Ansatz, der Beispiel geben sollte, ja Schule machen muss: Ein RZ-Betreiber nimmt seine umweltpolitische Verantwortung ernst.
Es besteht Handlungsbedarf: Der Stromverbrauch der Rechenzentren entsprach 2006 allein in Deutschland der Jahres- produktion von drei mittelgroßen Kohlekraftwerken. Das ist mehr als das Eineinhalbfache der Jahresstromerzeugung des Atommeilers Brunsbüttel, wie das Border-step-Institut im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in einer Studie zum Thema "Zukunftsmarkt energieeffiziente Rechenzentren" bemerkt. Schon heute liegt Gartner zufolge der CO2-Anteil der weltweit betriebenen Rechenzentren bei mehr als zwei Prozent der Kohlendioxidemissionen. Dies ist genau so viel, wie nach groben Berechnungen der Flugverkehr verursacht.
Die Möglichkeiten zur Energieersparnis haben allerbeste Voraussetzungen. Aus den beiden Rechenzentren der Paragon Data etwa waren jeweils 40 kW Verlustleistung abzuführen. Dazu waren Umluftkühlgeräte auf Direktverdampferbasis (n+1 Redundanz) vorgesehen. Zwischen dem produktiven und dem Backup-Rechenzentrum lag - gewissermaßen als Trennung - ein Technikraum. Dort sind und waren die Mehrbereichslöschanlage, die redundante USV mit damals 60kVA - gegenüber heute 80kVA - sowie die Zwischen- und Unterverteilungen der Elektroinstallation untergebracht. Im Außenbereich in der Nähe des Parkplatzes wurden Technikflächen für die Rückkühlung der Direktverdampfer vorgesehen.
Da das Datacenter bereits in einem eigenen Gebäude untergebracht ist und die Anbindung an das vorhandene Heizungssystem vergleichsweise problemlos möglich war, empfahl Lampertz ihren Kunden, von den Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung Gebrauch zu machen. Dabei wird die Energie, die zur Rückkühlung des Kältemittels benötigt wird, an das Heizungssystem abgeführt. Udo Würtz, Geschäftsführer bei Paragon Data, kommentiert: "Das Einbeziehen ökologischer Themen mit einer hohen technischen Affinität und die Berechnung eines gesunden Kosten-Nutzen-Verhältnisses sind heutzutage ein Muss. Nicht nur, um unserer Verantwortung der Umwelt gegenüber nachzukommen, sondern auch, um Kosten für den laufenden Betrieb zu senken und damit wettbewerbsfähiger agieren zu können.?
Bei aller Bemühung um eine Energierückgewinnung aus dem Datatcenter stand und steht indessen auch in diesem Projekt als primäre Aufgabenstellung die so genannte Entwärmung des Rechenzentrums im Vordergrund der Planung. Damit diese gewährleistet ist, sahen die Planer eine temperatur- oder kältemitteldruckabhängige Regelung vor. Sie entscheidet, ob ein Potenzial zur Heizung besteht oder nicht. Besteht kein Wärmebedarf seitens der Heizungsanlage, ist die Rückkühlung über die Verflüssiger realisiert. Damit lassen sich rund 40 bis 80 kW an Heizleistung einsparen. Dabei spielen aber auch die sekundärseitigen Gegebenheiten eine entscheidende Rolle. Damit sind die zur Deckung des Wärmebedarfs erforderliche Vorlauftemperatur und das Delta T - der Temperaturunterschied zwischen Vor- und Rücklauf - gemeint. Gleichzeitig sollte die Wassermenge auf das Temperaturniveau des Wärmerückgewinnungskreises abgestimmt sein. In Friedrichsdorf zum Beispiel liegt die Temperatur zwischen 46 und 50°C. Das Heizsystem sollte daher als Niedertemperatursystem ausgelegt sein. Doch auch eine wirkungsvolle Vorerwärmung des Brauchwassers ist auf diese Weise gegeben. Für den Fall, dass keine Wärme mehr an das Heizungssystem abgegeben werden kann, kommen zur Kühlung des Rechenzentrums die Verflüssiger zum Einsatz, die auf der Technikfläche aufgebaut sind.
Als zweite Energiesparmaßnahme hat sich der RZ-Betreiber für die kaltwasserbasierenden Systeme (Hotspot-Kühlung) zum Einsatz eines "Freikühlers" entschieden. Damit lassen sich die Energiekosten abermals senken. Bei Außentemperaturen geringer als 12°C bleiben die Kältekompressoren im Standby-Betrieb, wobei die Hotspots durch das Energiepotenzial der Außenluft gekühlt werden. Für jedes Datacenter ist zunächst eine Hotspot-Kühlung auf Kaltwasserbasis von 12 kW - einschließlich der Kaltwassererzeugung - vorgesehen. Heute sind es je RZ vier Hotspot-Kühlungen.
"Realisierbar ist inzwischen vieles", kommentiert Ralph Wölpert, Marketing-Chef der Lampertz, auf Anfrage die Möglich-keiten grüner IT-Projekte. "Nur ist es eben so, dass nicht immer die nötige Entschlossenheit, das fachliche Wissen und vielleicht auch nicht die gebotene Investitionsbereitschaft dahinter stehen, um von den heutigen technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Dies war und ist bei der Paragon Data jedoch beispielhaft anders.?
Gerade in der IT werden zunehmend Konzepte zur Energieersparnis benötigt und angewendet. Dabei sind Wärmerückgewinnung und Energieeinsparung nur einige Bausteine, die sich anhand einer ganzheit-lichen Betrachtung als Rechenzentrumslösungen anbieten. Im Rahmen ihrer Projektarbeit diskutieren Anbieter wie Lampertz gemeinsam mit ihren Kunden verschiedenste Möglichkeiten. Sinnvolle Lösungen können etwa auch im Bereich des Parallelbetriebs von Anlagen liegen. Mit elektronisch geregelten Motoren kann man Stromkosten bis zu 30 Prozent senken. Kombinierte Lösungen wie Kälteerzeuger mit integrierter und indirekter freier Kühlung sparen ebenfalls bis zu 30 Prozent Energie. Weiteres Potenzial liegt in der Verbesserung der Wirkungsgrade bei den USV-Anlagen von 82 Prozent gegenüber möglichen 92 Prozent. Ebenso liefern Virtualisierung und Konsolidierung im Bereich des Rechenzentrumsbaus Synergien, weil Server zusammengefasst und Speichersysteme mehrstufig ausgelegt werden. Nicht zuletzt ist das Outsourcing selbst als Form des Ressourcen-Sharings unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten.
Zu den wichtigen technischen Lösungen zählt derweil die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung. Blockheizkraftwerke können Strom erzeugen, der gewinnbringend verkauft wird, während die Abwärme in die Heizung eingespeist wird. Absorptions-kältemaschinen wiederum können aus 90°C heißem Wasser wieder Kaltwasser erzeugen, das zur Kühlung des Rechen-zentrums dient, interessant bei 200 bis 300 kW Kälteleistung.
Es gibt eine Fülle von Ansätzen. Die Aufgabe jedoch ist immer dieselbe und lautet schlicht und einfach: schnellstmögliche Senkung des Kohlendioxydanteils und deutlich weniger Stromverbrauch. Ansätze müssen in der Beratung für den speziellen Anwendungsfall aufgezeigt und zwischen Anbieter und Betreiber gemeinsam durchkalkuliert werden.
Im Einzelfall ist zu untersuchen, welche Investition sich wann und wie rechnet. Ihre Umsetzung kann sich gegebenenfalls die besonderen örtlichen Verhältnisse zunutze machen wie etwa die Rückkühlung bei Alcatel Lucent in Bonndorf. Dort wird als Wärmespeicher ein Sprinklerbecken genutzt.
Jenseits des bloßen Kalküls zum Return on Investment ist eine Verantwortungsethik vonnöten, in die die Akzeptanz für Kosten einfließt. Zögerlichkeiten gegenüber grünen IT-Lösungen werden sich jedenfalls verflüchtigen. Mit unablässig steigenden Energiekosten und unter dem zu erwartenden Druck weiterer gesetzgeberischer Umweltauflagen wird sich die Einstellung ändern. Mehr Beratung für die Entscheider tut offenbar Not. Ein Umdenken der IT-Verantwortlichen ist dringend geboten, Initiative ist gefragt.
Letztlich muss Energie da gespart werden, wo sie verbraucht wird: beim Equipment - und zwar im ganz großen Stil. Wärmerückgewinnung ist eine unter vielen Maßnahmen und bietet innerhalb grüner IT-Projekte sicherlich ein ideales Terrain, um Abwärme nicht einfach zu vergeuden. Denn wer Kühlung hat, braucht für Wärme meist nicht zu sorgen. Abwärme ist schließlich kein Abfall, den man wegkippt. Doch noch besser ist es, sie gar nicht erst zu erzeugen.