3. April 2012, 6:00 Uhr |
Markus Schwarz/pf, Produkt-Manager Cytel Wave bei Cytel Technology.
Der Begriff Gebäudeautomation bezeichnet die Gesamtheit von Überwachungs-, Steuer-, Regel- und Optimierungseinrichtungen in Gebäuden mit der Aufgabe, Funktionsabläufe gewerkeübergreifend gemäß voreingestellter Parameter durchzuführen oder deren Bedienung beziehungsweise Überwachung zu vereinfachen. Die Gebäudeautomation kann sich auf alles erstrecken, was im weitesten Sinne "elektrisch" funktioniert, Energie verbraucht oder erzeugt.
In Anlehnung an das OSI-Schichtenmodell der IT ist die Gebäudeautomation in drei logische Ebenen gegliedert:
Auf der untersten, der Feldebene, befinden sich Sensoren und Aktoren, die über einen Feldbus wie zum Beispiel SMI, DALI oder KNX miteinander und/oder mit Controllern auf der übergeordneten Automationsebene kommunizieren (siehe Glossar).
Auf der Automationsebene kommunizieren die Controller (DDC-GA-Komponenten beziehungsweise SPS) untereinander, mit den Sensoren und Aktoren der Feldebene sowie mit den Systemen der übergeordneten Management-Ebene. Auf der Automationsebene kommen neben proprietären Systemen oft auch offene wie Bacnet oder LON zum Einsatz.
Auf der obersten, der Management-Ebene, agieren die Systeme, die für die Überwachung der gesamten Anlage zuständig sind. Dort laufen alle Daten aus der Feld- und Automationsebene und gegebenenfalls auch von mehreren Lokationen zusammen und werden in der Regel in Datenbanken archiviert, wo sie sich beispielsweise für statistische Auswertungen nutzen lassen. Technische Facility-Management-Systeme überwachen die Werte der gesamten Anlage, lösen bei Abweichungen Alarm aus, protokollieren Zählerstände und veranlassen gegebenenfalls selbstständig Technikereinsätze. Auf der Management-Ebene findet sich auch die Schnittstelle zu den kaufmännischen Systemen, um zum Beispiel anhand der Daten automatisch Nebenkostenabrechnungen zu generieren oder Daten an die Kostenrechnung zu übermitteln.
In den letzten Jahren kam es allerdings zu einer Aufweichung dieser klaren Gliederung, da auf der Feldebene die Sensoren und Aktoren immer leistungsfähiger wurden. So sind im KNX-Bereich Sensoren und Aktoren mit integrierten Logikgattern, Zeit-, Kalenderfunktionen und Szenen-Controllern aktueller Stand der Technik.
Der Markt „Gebäudeautomation“ präsentiert sich unübersichtlich. In Deutschland konkurrieren mehrere hundert Hersteller mit wahrscheinlich ebenso vielen unterschiedlichen Gebäudeautomationssystemen um die Anwender. Etliche Hersteller haben mehrere Systeme im Sortiment. Neben die etablierten Anbieter aus der Elektroindustrie traten in den letzten Jahren auch einige Energieversorger, die mit eigenen, in der Regel funkbasierenden Smart-Home- beziehungsweise Smart-Metering-Systemen Kunden langfristig binden wollen.
Die Plattform mit dem mit Abstand größten Marktanteil in Europa dürfte derzeit KNX darstellen. Den KNX-Standard pflegt die KNX-Association in Brüssel, die aktuell 255 Mitglieder aus 31 Ländern aufweist, darunter Branchengrößen wie ABB, Siemens oder Cisco. KNX ist ein Feldbus, der für unterschiedliche Übertragungsmedien normiert wurde (dedizierte Twisted-Pair-Busverkabelung, Powerline, Funk und IP).
Eine Einteilung der Gebäudeautomationssysteme kann nach mehreren Kriterien erfolgen:
Funk- oder leitungsbasierende Systeme: Eine gängige Unterscheidung, bei der sich letztere wiederum differenzieren lassen in Systeme, die eine eigene Busverkabelung verwenden (zum Beispiel KNX-TP), und in Systeme, die über die vorhandenen Stromleitungen kommunizieren (Powerline-Systeme – zum Beispiel KNX-PL, X10 oder Digitalstrom). Leitungsbasierende Systeme kommen in der Regel im Neubau oder bei der Sanierung zum Einsatz, während Funksysteme oft bei der Nachrüstung im Gebäudebestand Verwendung finden.
Proprietäre oder offene Systeme: Dabei ist zu beachten, dass als „offene Systeme“ diejenigen gelten, die herstellerunabhängig angeboten werden – wie zum Beispiel KNX, LON oder Enocean.
Zentrale oder dezentrale Systeme: Bei dezentralen Systemen sind Sensoren und Aktoren über das Gebäude verteilt, besitzen eine eigene programmierbare Intelligenz und kommunizieren über einen Feldbus miteinander, während bei zentralen Systemen alle Ein- und Ausgänge in einem Chassis sitzen, das über einen eigenen programmierbaren Controller verfügt (zum Beispiel DDC oder SPS). Bei den zentralen Systemen bindet sich der Anwender üblicherweise an einen Hersteller, während sich bei dezentralen Systemen oft herstellerübergreifend Komponenten einbauen lassen.
Spezialisten oder Generalisten: Generalisten (zum Beispiel: KNX, LON oder Enocean) verfügen über eine große Gerätebasis für viele verschiedene Anwendungen und Gewerke und können über Gateways diverse andere Systeme anbinden. Die „Spezialisten“ hingegen sind zur Erfüllung ganz bestimmter Aufgaben konzipiert – zum Beispiel DALI im Bereich der Beleuchtung (Schalten, Dimmen, Betriebsstundenerfassung oder Leuchtmittelüberwachung), M-Bus (Meter-Bus) als Feldbus für die Verbrauchsdatenerfassung (Zählerauslesung) oder SMI (Standard Motor Interface) als Feldbus für die exakte Steuerung von Rollläden und Jalousien.
Die Sicherheit hat beim Design der meisten Gebäudeautomationssysteme so gut wie keine Rolle gespielt. Dennoch lässt sich mit einigen vergleichsweise einfachen Maßnahmen ein Gebäudeautomationssystem zumindest partiell absichern und robuster gestalten. So sollte der Anwender die Verteilerschränke im Gebäude in gleicher Weise schützen wie etwa Server-Schränke im Rechenzentrum: immer unter Verschluss halten, gegebenenfalls plombieren oder mit Schlosskontakten versehen und im Sichtbereich von Überwachungskameras anordnen. Busleitungen sollten nicht aus dem Gebäude herausführen. Wenn dies unvermeidbar ist, empfiehlt es sich, für Busgeräte außerhalb der Gebäudehülle oder in anderen frei zugänglichen Bereichen eigene Segmente vorzusehen (analog VLANs im Ethernet). Eventuell vorhandene IP-Schnittstellen zur Gebäudeautomation lassen sich mit einer Firewall schützen. Der Zugriff sollte nach Möglichkeit auf bestimmte IP-Adressen oder Benutzer eingeschränkt sein und ist bei Bedarf zusätzlich per VPN abzusichern.
Funkbasierende Systeme sollten aus Sicherheitsgründen nur für zumindest temporär verzichtbare Funktionen zum Einsatz kommen. Es empfiehlt sich, diese im Gebäude so zu platzieren, dass die Funkreichweite an der Gebäudehülle endet. Physische Schnittstellen, über die ein Programmierzugriff auf die Gebäudeautomation möglich ist, sollten nur in gesicherten Bereichen (zum Beispiel abgeschlossener Verteilerschrank) vorgesehen sein. Für einige Automationssysteme existieren zudem spezielle Module, die einen Programmierzugriff auf das System erkennen, unterdrücken und melden können – wo immer möglich sollten solche Schutzmodule für die Gebäudeautomation zum Einsatz kommen.
Die Funktionsbereiche der Gebäudeautomation decken heute ein großes Spektrum unterschiedlichster Einsatzmöglichkeiten ab. Bild: Cytel