Mit dem Einstieg des Multimilliardärs Carl Icahn in den Kampf um den Verkauf von Yahoo hat die Situation eine plötzliche Wendung erfahren. Icahn ist in der IT-Branche noch bestens aus dem Oracle-BEA-Deal vom April in Erinnerung. Doch ob er mit Microsoft-Yahoo eine weitere Neuauflage seines Multimilliardenmanagements schaffen kann, ist zweifelhaft.
Der für seine spektakulären Firmen-Deals berühmt-berüchtigte Milliardär Carl Icahn will jetzt
das Schicksal von Yahoo selbst in die Hand nehmen – besser gesagt: Besiegeln. Denn mit seinem Team
von zehn sich zur Wahl stellenden Board-Mitgliedern will er Yahoo zum Aufkauf freigeben. Icahn hat
in den letzten anderthalb Wochen für 1,5 Milliarden Dollar knapp 60 Millionen Yahoo-Aktien gekauft.
Bei der Kartellbehörde der FTC hat er den Erwerb von weiteren Anteilen im Wert von einer Milliarde
Dollar beantragt. Zusammen mit den Anteilen von anderen Investoren will er damit das gesamte
aktuelle Yahoo-Board komplett abwählen.
Folglich wird das gegenwärtige Schicksal von Yahoo allgemein mit Icahns Streich vom April dieses
Jahres verglichen: dem Ende von BEA Systems. "Jetzt ist auch das Ende von Yahoo absehbar – die
Mühlen mahlen bereits kräftig", sagt Steve Allan, Analyst bei Sierra Tech Research.
Zur Erinnerung: Auch damals folgte dem ungebetenen Angebot von Oracle eine harsche Ablehnung
durch BEA. Nach wochenlangem Hin und Her stellte Oracle dann ein Ultimatum, das ergebnislos
verstrich. Icahn verklagte daraufhin das BEA-Board wegen der Absage und drohte mit dessen Ablösung.
Dann wurde es still, doch ein paar Wochen später verkündeten BEA und Oracle, dass man sich
handelseinig sei. Der endgültige Preis war mit 19,38 Dollar deutlich über dem, was Oracle zuvor "
als allerhöchstes Angebot" erklärt hatte – und er war niedriger als das, was BEA zuvor als "
alleruntersten Mindestpreis" verlangt hatte.
Diesem Muster zufolge ist es nur noch eine Frage von wenigen Wochen, bis sich Steve Ballmer und
Jerry Yang Arm in Arm vor laufenden Kameras präsentieren werden. Doch bei dem Vergleich mit
BEA-Systems gibt es zwei ganz wesentliche Unterschiede: Erstens, Oracle und BEA haben damals stets
beteuert, dass es ihnen nur um den Preis geht – nicht um die Bereitschaft einer Fusion an sich. BEA
machte auch keine Anstrengungen, sein Tafelsilber zu verscherbeln. Hierzu hätte man beispielsweise
IBM ein Outsourcing des Middleware-Geschäfts anbieten können. Zweitens, Carl Icahn war schon
BEA-Aktionär, als das Oracle-Angebot auf den Tisch flatterte, und so konnte er schon während des
Pokerns gehörigen Druck auf das Board ausüben und ihnen klarmachen, was ihnen nach einer Ablehnung
blühen wird. Was er dann auch tat, indem er schon einen Tag nach Ablauf des Oracle-Ultimatums dem
gesamten BEA-Aufsichtsrat eine Milliardenklage an den Hals hängte.
Bei Yahoo hat das Board jedoch alles getan, um eine Microsoft-Übernahme zu blockieren – oder sie
zumindest ad absurdum zu führen. Hierzu gehören die extremen Managementabfindungen und die
erleichterten Kündigungen seitens der Mitarbeiter im Falle einer Übernahme. Doch am schwersten
wiegt der drohende Ausverkauf des Anzeigengeschäfts an Google – denn dann ist Yahoo nahezu wertlos
und Google übermächtig. Yahoo-Gründer Jerry Yang hat auch in seinen Stellungnahmen zum
Microsoft-Angebot immer wieder beteuert, dass Yahoo als "unabhängiges Unternehmen mehr
Entwicklungsperspektiven hat, als wenn es eine Microsoft-Abteilung wird".
Carl Icahn weiß natürlich um diese Unterschiede und deshalb sieht er seine Chance nur in einer
kompletten Ablösung des Boards. Doch dazu muss er die großen Investoren überzeugen. Rund 70 Prozent
der Yahoo-Aktien sind im Besitz der mächtigen US-Investmentfonds. Diese aber stimmen bei Wahlen
immer sehr konservativ ab, denn sie fürchten selbst um mögliche Klagen der Fond-Einleger. So hat es
bislang noch keinen Fall gegeben, bei dem Board-Kandidaten zugunsten eines Verkaufs gewählt wurden,
obwohl es gar kein verbindliches Angebot gab.
Andererseits hat Icahn dort einen exzellenten Ruf. "Carl Icahn weiß ganz genau, was er tut.
Niemand setzt leichtfertig 2,5 Milliarden Dollar Privatvermögen aufs Spiel – und Icahn schon gar
nicht", warnt Rob Enderle, Chef der Enderle-Group.
Doch ohne Unterstützung von Microsoft wird er es schwer haben, die Fondsmanager zu überzeugen.
Steve Ballmer müsste rechtzeitig vor der Yahoo-Board-Wahl am 3. Juli ein definitives schriftliches
Angebot auf den Tisch legen. Danach aber sieht es im Moment nicht aus. Und sollte er es tatsächlich
machen, dann vermutlich nur zu einem Preis von unter 31 Dollar, denn damit würde er das
gegenwärtige Board in die Zwickmühle nehmen: Bei einer Ablehnung werden die Investoren die
Icahn-Liste wählen und sich anschließend mit einem vermutlich auf 31 Dollar angehobenen Preis
zufrieden geben. Sollte jedoch wider Erwarten das jetzige Board dieses Angebot annehmen, droht eine
Klage der Investoren, weil das erste Angebot über 31 und auch das mündliche Ballmer-Angebot über 33
Dollar nicht angenommen wurde.
Aber gibt es auch ein paar Taschenspielertricks, die das Yahoo-Board noch zur Rettung der
eigenen Haut nutzen könnte. Beispielsweise kann das Board eine Erweiterung der Mitgliederzahl
vornehmen und den Investoren eine gemischte Besetzung aus alten und neuen Mitgliedern vorschlagen.
Von dieser Methode hat jüngst die New York Times Gebrauch gemacht und konnte damit ebenfalls eine
Proxy-Übernahme abwenden.
Ein solches Vorgehen hätte den Vorteil, dass das Board nicht zu jedem Preis verkaufen will, was
wiederum eine bessere Verhandlungsposition bedeutet. Doch danach sieht es im Moment nicht aus.
Gegenwärtig läuft alles zum Wohle von Microsoft. Wenn Ballmer Glück hat, bekommt er Yahoo sogar
noch zu einem Preis von unter 31 Dollar pro Aktie – ein Preis von 33 Dollar steht auf keinen Fall
mehr zur Debatte.
Wenige Chancen räumen die Analysten dagegen den bislang von Yahoo praktizierten Abwehrmethoden
wie dem Outsourcen wesentlicher Geschäftsaktivitäten ein. "Ein Anzeigen-Deal mit Google eignet sich
nur zum Drohen. Sobald die Tinte darunter trocken ist, landet das Abkommen bei der Kartellbehörde,
wo es keine Chance hat zu bestehen", sagt Youssef Squali, Analyst bei Jeffries & Company. Auch
die anderen diskutierten Optionen einer Kooperation mit AOL oder Myspace sind seiner Ansicht nach
entweder zu schwach oder ebenfalls kartellrechtlich bedenklich.
Icahn hat in seinem Brief an das Yahoo-Board davor gewarnt, weitere signifikante Maßnahmen ohne
Beteiligung der Investoren einzuleiten. Darüber hinaus hat er das Verhalten von Yang im Rahmen der
Übernahmegespräche als "nicht rational" bezeichnet. In der Tat haben viele den bisherigen
Abwehrkampf von Yang als persönlichen Kampf gegen Ballmer interpretiert. Vor allem Ballmers
harsches Auftreten bei den Verhandlungen soll Yang abgestoßen haben. Doch da raten ihm die
Analysten, sich schon bald warm anzuziehen. "Im Vergleich zu Icahn ist Ballmer ein ganz zahmes
Schoßhündchen", lautet die Vorwarnung von Canaccord-Analystin Colin Gillis.
Harald Weiss/wg