Seit vielen Jahren kann man in der strukturierten Verkabelung auf Kupfer- und Glasfaserbasis den Trend zu höheren Übertragungsgeschwindigkeiten beobachten. 1995 entstanden noch Netzwerke mit Übertragungsraten von 100 MBit/s. Heute sind die Übertragungsraten bei 10 GBit/s angekommen. Bereits seit Dezember 2007 existiert die "IEEE P802.3ba - 40Gb/s and 100Gb/s Ethernet Task Force", die sich mit Übertragungsraten von 40 GBit/s und 100 GBit/s über Kupfer- und Glasfaserverkabelungen beschäftigt.
Mit höheren Anforderungen an die Kupferverkabelung steigen auch die Anforderungen an die
Messtechnik. Im einfachsten Fall kann man bei Verwendung von Steckverbindern und Kabeln der
entsprechenden Kategorie und bei fachgerechter Installation ein Netzwerk errichten, das einer
bestimmten Klasse entspricht (Tabelle 1). Dabei lässt sich mit einem einfachen Verdrahtungstester
zunächst die richtige Zuordnung der acht Adern eines Twisted-Pair-Kabels zu den vorgegebenen Paaren
und den entsprechenden Pins an den Anschlusskomponenten prüfen. Dadurch kommen bereits rund 80 bis
90 Prozent aller auftretenden Fehler zum Vorschein.
Das Vertauschen von einzelnen Adern oder ganzen Aderpaaren hat immer noch den größten Anteil
an der Fehlerstatistik bei der strukturierten Verkabelung in Kupfer. Allerdings ist die Prüfung der
Verdrahtung allein noch keine Garantie für eine korrekte Funktion der Übertragungsstrecke, so
können zum Beispiel zu weit entdrillte Adernpaare Probleme beim Übersprechen von Paar zu Paar
erzeugen und damit eine Verkabelungsstrecke unbrauchbar machen. Folglich ist es notwendig,
weitergehende Prüfungen durchzuführen.
Eine Möglichkeit, eine Kupferverkabelung zu prüfen, ist die Validation, was die Prüfung der
Übertragungsfähigkeit einer Verkabelungsstrecke bedeutet. Da man allerdings während der
Installation eines Verkabelungssystems in der Regel noch keine funktionierende aktive Infrastruktur
wie Switches, Arbeitsplatzrechner und Server zur Verfügung hat, um die Übertragungsstrecken in
Betrieb zu nehmen und dann zu sehen ob diese funktionieren, ist es sinnvoll, diese Prüfung mithilfe
von Messtechnik durchzuführen. Dazu gibt es Messgeräte, mit denen sich mittels eines Hauptgeräts
und eines Endgeräts (Reflektor) zunächst Prüfungen auf der Ebene der Verdrahtung durchführen
lassen.
Wenn die Verdrahtung in Ordnung ist, ermitteln solche Geräte weitere Parameter wie Länge,
Laufzeit und Laufzeitdifferenz. Des Weiteren können sie zusätzliche Werte wie das
Signal/Rausch-Verhältnis (größtenteils Übersprechen) der einzelnen Adernpaare bestimmen. Dämpfung,
Übersprechen und Reflexion lassen sich auch als Ergebniskurve darstellen. Zusätzlich können diese
Geräte einen so genannten Bit-Error-Rate-Test (BERT) durchführen. Dies geschieht in der Regel als
Übertragung von Datenpaketen mit der für diese Installation vorgesehenen
Übertragungsgeschwindigkeit, die auf Bitfehler untersucht werden. Die Ergebnisse dieser Prüfungen
lassen sich abspeichern und mit passender Software auf einen PC übertragen und dann als
Kabelprotokoll ausdrucken. Es gibt allerdings derzeit noch keinen Validator, der 10-GBit/s-Tests
über Kupferverkabelungen durchführen kann.
Aus diesem Grund ist eine weitere Messgeräteklasse erforderlich: Die Kabelzertifizierer. Sie
überprüfen Verkabelungsstrecken auf ihre Hochfrequenzeigenschaften entsprechend der jeweiligen
Verkabelungsklassen D, E, EA (Entwurf), F oder FA (Entwurf). Diese Verkabelungsklassen sind in
internationalen und nationalen Standards (zum Beispiel ISO/IEC 11801, EN 50173, DIN EN 50173 etc.)
festgelegt und basieren auf Vorgaben der IEEE802.3xx aus den entsprechenden Übertragungsstandards,
bei denen bestimmte elektrische Parameter bereits vorgegeben sind. Die Einführung von Gigabit
Ethernet machte durch die Übertragung auf allen vier Adernpaaren weitere Parameter erforderlich,
für die bis dato keine Notwendigkeit zur Prüfung bestand. Die Parameter, die sich mit heutigen
zertifizierenden Kabeltestern überprüfen lassen, sind:
Verdrahtung,
– Länge der Adernpaare und
– Laufzeit und Laufzeitdifferenz.
Außerdem die Hochfrequenzparameter:
– Dämpfung,
– Übersprechen (NEXT),
–
Übersprechen am fernen Ende (FEXT) und
– Reflexion (Return Loss),
die in einem Frequenzbereich von 1 MHz bis zur oberen Grenzfrequenz der jeweiligen
Verkabelungsklasse (Tabelle 2) mit ebenfalls in den Standards festgelegten Frequenzschritten zu
messen sind. Allein diese gemessenen Parameter ergeben bei 48 Messkurven mit jeweils bis zu rund
1.600 Messpunkten in der Summe etwa 76.000 Messwerte.
Aus diesen gemessenen Hochfrequenzmesswerten lassen sich zusätzlich noch weitere Größen
berechnen:
Aus der Dämpfungen der Adernpaare und dem Übersprechen (NEXT) folgt das
Dämpfungs-Übersprech-Verhältnis (ACR = Attenuation Crosstalk Ratio),
aus der Dämpfung der Adernpaare und dem Übersprechen am fernen Ende (FEXT) folgt das
Dämpfungs-Übersprech-Verhältnis am fernen Ende (ACR-F = Attenuation Crosstalk Ratio Far End früher
ELFEXT).
Hinzu kommen die berechneten Werte der Leistungssummen für jedes Adernpaar, bei dem die
Summen der Störeffekte auf die jeweiligen Adernpaare zu berechnen sind:
Aus dem Übersprechen von Paar zu Paar (NEXT) ergibt sich die Leistungssumme des Übersprechens
für jedes Adernpaar (PSNEXT),
aus den Dämpfungs-Übersprech-Verhältnissen (ACR) folgt die Leistungssumme für jedes Adernpaar
(PSACR), und
aus dem Dämpfungs-Übersprech-Verhältnis am fernen Ende (ACR-F) folgt die Leistungssumme für
jedes Adernpaar (PSACR-F früher PSELFEXT).
Als Ergebnis aller Messungen und Berechnungen entsteht eine komplette Charakterisierung einer
Verkabelungsstrecke mit über 100.000 Messpunkten.
Die beeindruckende Leistung der heutigen Kabelzertifizierer besteht in der Geschwindigkeit,
mit der die Messungen ablaufen. Musste man zur Zeit der ersten Kabelzertifizierer für die
Verkabelungsklasse D (1995) noch über fünf Minuten Messzeit bei wenigen Parametern in Kauf nehmen,
zeigten sich die folgenden Messgerätegenerationen immer schneller. So kann man heute
Verkabelungsstrecken nach Klasse EA, F oder FA in etwa neun Sekunden inklusive aller Berechnungen
und deren Bewertung gegenüber den Grenzwerten der Verkabelungsstandards vermessen und erhält als
Ergebnis ein PASS oder FAIL.
All diese Testergebnisse erscheinen in den Kabelzertifizierern mit ausgeklügelter
Benutzerführung und Darstellung (zum Beispiel farbiger Touchscreen). Die Ergebnisse lassen sich mit
allen Messpunkten abspeichern, zu weiteren Analysen anzeigen und zur örtlichen Bestimmung von
Fehlern bei Defekten an den Verkabelungsstrecken heranziehen. So kann bei den Geräten der heutigen
Generation das Übersprechen und die Reflexionsdämpfung über der Länge der Verkabelungsstrecke
angezeigt werden, um Fehler zu lokalisieren.
Mit heutiger Technik und mitgelieferter Auswertesoftware kann der Anwender die Messdaten über
USB-Anschlüsse oder mittels Memory-Stick/Speicherkarten auf einen PC übertragen und dort speichern.
Diese Messergebnisse dienen dann als Messprotokolle (Bild 4) oder als Übersicht (zum Beispiel mit
Längensummen). Sie lassen sich ausdrucken oder als PDF-Dateien abspeichern.
Glasfasermesstechnik
für die strukturierte Verkabelung
Verglichen mit der Kupfermesstechnik ist die Glasfasermesstechnik in Bezug auf die zu
messenden Parameter sehr viel einfacher. Die einschlägigen Normen fordern für Glasfaserverkabelung
im LAN nur folgende Parameter:
Kontinuität,
Beibehaltung der Polarität und
Dämpfung der Verkabelungsstrecke.
Diese Parameter sind mit zum Teil relativ einfachen Messmitteln bestimmbar. Zur Bestimmung
der Kontinuität und Polarität genügt etwa ein so genannter Visual Fault Locator (VFL), bei dem es
sich um eine kräftige, meist rote oder grüne Laserlichtquelle mit Anschlussmöglichkeit an
entsprechende Glasfasern handelt. Damit lässt sich durch Durchleuchten der Glasfaserstrecke bereits
prüfen, ob diese durchgängig ist und die einzelnen Fasern richtig auf die Verteilerfelder
aufgeschaltet sind. Dazu schließt man die Lichtquelle an einer Seite der Glasfaserstrecke an,
schaltet die Quelle ein und kann auf der anderen Seite sehen, ob das Licht dort wieder austritt.
Wichtig: Der Techniker darf dabei nie direkt in Steckverbinder einer Glasfaserstrecke sehen,
da es sich bei den heute verwendeten Quellen meist um einen Laser handelt, der die Augen blenden
kann. Es genügt beim Durchleuchten per VFL mit dem ausgangsseitigen Licht auf eine Oberfläche,
etwas ein Blatt Papier, zu leuchten. Bei hellen Staubschutzkappen sieht man diese leuchten. Bei
aktiv betriebenen Strecken kommt dazu, dass das verwendete Licht, das Wellenlängen zwischen 850 bis
1550 nm hat, nicht sichtbar ist. Man kann sich die Augen also blenden, ohne vorher irgendetwas
leuchten gesehen zu haben!
Für die Dämpfungsmessung an Glasfaserstrecken gibt es Gerätesätze, die aus einer Quelle
(Sender) mit den entsprechenden Wellenlängen (Multimode 850 und 1300 nm, Singlemode 1310 und
1550 nm) und einem kalibrierten Präzisionspegelmesser (Empfänger) für die entsprechenden
Wellenlängen bestehen (Bild 5). Bevor man die Messungen durchführen kann, sind die Quelle und der
Pegelmesser aufeinander abzustimmen, das heißt auf 0dB zu setzen. Dazu verbindet man die Quelle
abhängig vom angewendetem Standard mit einem, zwei oder drei Glasfaser-Patch-Kabeln und passenden
Glasfaserkupplungen mit dem Pegelmesser und schaltet die Quelle ein. Der Pegelmesser zeigt dann die
gemessene Lichtleistung in dBm (bezogen auf 1mW) an und übernimmt auf Knopfdruck diesen Messwert
als Referenzgröße. Damit ist der Messaufbau "genullt". Wenn man dann die zu messende
Glasfaserstrecke mit den Patch-Kabeln zwischen Quelle und Pegelmesser schaltet, erhält man als
Messwert die Dämpfung der Glasfaserstrecke in dB. Damit dieser Zahlenwert eine Bedeutung erhält,
ist für die gemessene Strecke das so genannte Dämpfungsbudget aufzustellen. Aus der Länge der
Strecke, der verwendeten Faser, der Wellenlänge, der Anzahl Spleiße und Anzahl Stecker mit den
dazugehörigen Dämpfungswerten lässt sich dieser Wert bestimmen, der nicht überschritten werden darf
(Tabelle 3). Der gemessene Dämpfungswert muss mit diesem Grenzwert verglichen werden. Die
Aufgabe das Dämpfungsbudget zu berechnen, können auch zertifizierende
Glas-faser-Dämpfungsmessgeräte durchführen, die nach den vorgegebenen Angaben das Dämpfungsbudget
aufstellen und den Messwert automatisch vergleichen und so zu einen Pass/Fail Aussage kommen.
Bei längeren Glasfaserstrecken (LAN bis zu zwei Kilometer, WAN bis zu 200 km) ist diese
Methode jedoch ziemlich aufwändig, da der Techniker mit der Quelle oder dem Pegelmesser nach der "
Nullung" zum anderen Ende der Glasfaserstrecke wandern muss. Daher entstand eine weitere
Testmethode, um Messungen mit nur einem Gerät von einer Seite durchführen zu können. Aus der
Kupfertechnik abgeleitet und auf Glasfasertechnik umgesetzt führte dies zu den Optical Time Domain
Reflektometern (OTDR, Bild 6). Ein OTDR erzeugt kurze Lichtpulse und schickt sie in die
Glasfaserstrecke. Diese reflektiert aufgrund von Rückstreuung auf molekularer Ebene Licht zum
Gerät, das mithilfe eines halbdurchlässigen Spielgels auf einen Sensors gelenkt wird und dort durch
Auswertung von Menge und zeitlichem Verlauf eine Aussage über die Dämpfungen der Glasfaserstrecken
ermöglicht. Zusätzlich nimmt das Gerät Reflexionen an Steckverbindern und andere Ereignissen als
Impulse auf. Durch eine Auswertung dieser Kurven, die in heutigen Geräten vollautomatisch abläuft,
erhält man zudem eine Ereignistabelle (Bild 7), in der Parameter wie Längen und Dämpfungen der
Glasfaserstrecke zusätzlich in tabellarischer Form dargestellt werden. Diese so genannten Traces
und Ereignistabellen lassen sich in dem Gerät speichern und später per Auswerte- und
Dokumentationssoftware am PC weiter bearbeiten und zu Dokumentationszwecken ausdrucken.
Es existieren verschiedene Möglichkeiten, um Kupfer- und Glasfaserverkabelungsstrecken zu
messen. Die Spannweite reicht von einfachen Verdrahtungsprüfern über zertifizierende Messgeräte bis
hin zu hoch qualifizierten OTDRs der heutigen Generation.