Für jede Anwendung gibt es zahlreiche, zum Teil sehr spezielle Lösungen

KVM-Extender-Technik im Überblick

25. Januar 2009, 23:56 Uhr | Karl Loncarek/dp Karl Loncarek ist Key Account Manager bei Black Box Deutschland.

Bildschirmarbeitsplätze, bei denen sich der Monitor und der zugehörige Rechner nicht in direkter Nähe zueinander befinden, gibt es vielfältige: Sei es der Administratorplatz außerhalb des Server-Raums, Bildschirme für Maschinensteuerungen, an Point-of-Sale-Countern oder in den verschiedenen Krankenhausbereichen. Dort kommen oft KVM-Extender zum Einsatz, die die Tastatur-, Bildschirm- und Maussignale (KVM) meist über Datenleitungen oder LWL-Kabel übertragen.

In repräsentativen Bereichen wie zum Beispiel am Empfang oder an Kunden-Countern in Banken oder
ähnlichen Beratungsplätzen ist es häufig nicht erwünscht, dass sich der Rechner direkt am
Arbeitsplatz befindet: Er könnte den optischen Eindruck stören. In einem Ton- oder
Videoschnittstudio führt das Lüftergeräusch der Workstation zu Beeinträchtigungen der
Konzentrationsfähigkeit. Die Rechner von Bankenterminals oder Geldautomaten benötigen wiederum
einen besonderen Schutz vor Vandalismus.

Anfangs verwendete man für Szenarien dieser Art einfache Verlängerungskabel. Diese Möglichkeit
hat bei kurzen Distanzen auch heute noch ihre Berechtigung. Als Alternative dazu bietet sich eine
Übertragung der Tastatur-, Bildschirm- und Maussignale (KVM) über KVM-Extender und Kupferdaten-
oder Glasfaserkabel an. Die Tastatur- und Maussignale beanspruchen dabei nur eine geringe
Bandbreite und sind daher sehr störungsunempfindlich. Das Videosignal jedoch ist die sichtbare und
damit bestimmende Komponente. Aus diesem Grund sind die gewünschte Auflösung des Videosignals und
die zu überbrückende Distanz die beiden entscheidenden Auswahlkriterien für KVM-Extender.

Die Anforderungen stiegen mit den Jahren gewaltig: Wurden früher hauptsächlich analoge
Videosignale in VGA-Auflösung (640 x 480 Pixel) übertragen, gilt jetzt SXGA (1280 x 1024) als
Standard am Arbeitsplatz. Bei CAD- und Grafikarbeitsplätzen finden sich Bildauflösungen von 1920 x
1200 und höher. Hinzu kommt die zunehmende Verbreitung von digitalen Videosignalen (DVI) anstelle
der herkömmlichen analogen Übertragung.

Überträgt ein KVM-Extender ein analoges Videosignal über Glasfaser, digitalisiert er es in der
Regel zuerst und überträgt es dann über zwei Glasfasern. Bei Multimode-Glasfasern (50/125) sind
damit Distanzen bis 500 Meter überbrückbar, bei Singlemode bis zehn Kilometer. Die Digitalisierung
begrenzt allerdings die maximale Auflösung und reduziert die Frame-Rate (Bilder pro Sekunde) bei
hohen Auflösungen. Gerade Letzteres führt oft zu ruckelnden Bildern. In Anwendungen mit statischen
Bildinhalten führt diese Technik meist zu keinen großen Einschränkungen. Arbeitet der Anwender aber
mit Grafiken und bewegten Bildern, ist ein solches Verhalten inakzeptabel.

Analoge Extender

Auch bei der analogen Übertragung über Kupferdatenleitungen treten zunehmend Probleme auf. Statt
der lange üblichen Kategorie-5-Kabel setzen die Hersteller für die KVM-Extender heute paarweise
geschirmte Kategorie-7- (für Übertragungen bis 1000 MHz) oder sogar von manchen Herstellern als
Kategorie-8-Kabel bezeichnete (für Übertragungen bis 1.500 MHz und angeblich optimiert für
CATV-Anwendungen) Datenkabel ein. Diese Kabeltypen sind aber nach wie vor für die
Netzwerkübertragung optimiert und nicht für die Übermittlung von Videosignalen.

Viele Anwender nehmen zudem an, dass bei KVM-Lösungen mit Datenkabel die Signale automatisch
digitalisiert übertragen werden. Dies ist ein Irrtum. Das Datenkabel dient nur als
Übertragungsmedium. Das Signal ist nach wie vor analog und lässt sich nicht über einen
Netzwerk-Switch oder über eine dazwischen geschaltete Glasfaserstrecke übertragen.

Technische Feinheiten

Das KVM-System sendet die einzelnen Farben (rot, grün, blau) des analogen Videosignals jeweils
über verschiedene Adernpaare des angeschlossenen Datenkabels, wobei das mit den Grünsignalen
zusätzlich das Synchronisationssignal mit überträgt. Ein Adernpaar ist zudem für Tastatur-, Maus-
und zum Beispiel serielle Daten oder Audio reserviert. Doch generell sind sowohl die Belegung als
auch die elektrischen Daten der zu übertragenen Signale nicht genormt und deshalb von Hersteller zu
Hersteller unterschiedlich, und der Anwender kann die Sender und Empfänger verschiedener Hersteller
nicht mischen.

Ferner soll bei Datenkabeln eine unterschiedlich starke Verdrillung der Adernpaare das
Übersprechen zwischen den einzelnen Paaren minimieren. Doch diese Verdrillung führt zu
unterschiedlichen Lauflängen bei den Aderpaaren und damit zu verschiedenen Laufzeiten der analogen
Signale. Diese Laufzeitunterschiede geben die Hersteller meist als "Skew"-Wert für eine 100 Meter
lange Übertragungsstrecke an, sie liegen im Mittel bei etwa 20 Nanosekunden. Bei geringen
Kabellängen oder Bildauflösungen spielt dieser Parameter noch keine Rolle. Sobald die Auflösung
und/oder die Kabellänge steigen, kann es zu Farbschatten in der Anzeige oder zu Unschärfen kommen.
Im ungünstigsten Fall entsteht ein Farbversatz, der deutlich bei den vertikalen Linien hervortritt.
Eine weiße Linie hat dann zum Beispiel einen unerwünschten roten Schatten.

Bei paarig geschirmten Kabeln sinken laut Norm die zulässigen Laufzeitunterschiede wieder. Die
Praxis hat aber gezeigt, dass es zu kapazitiven Effekten durch die zusätzliche Schirmung kommt, die
sich in einer so genannten Fähnchenbildung zeigt. Kompensationseinstellungen in den KVM-Extendern
können diese nur teilweise beheben. Die maximal erreichbaren Distanzen liegen deshalb bei zirka 300
Metern. Darüber hinaus können elektrische Störungen auftreten. Generell gilt: Je höher die
gewünschte Auflösung ist, umso kürzer wird die maximale Distanz. Die höchste Videoqualität erreicht
ein Anwender, wenn er zwischen Sender und Empfänger ein massives U/UTP- oder S/UTP-Kabel mit einem
Adernquerschnitt von mindestens AWG24 verwendet.

Immer mehr Anwender setzen die analoge Extender-Technik zusammen mit KVM-Switches ein, oder
Hersteller integrieren einen Extender im KVM-Switch. So kann der Administrator den KVM-Switch
außerhalb des Server-Raums ansprechen und erspart sich den Lärm der Server und die Kälte des
klimatisierten Raumes.

DVI- und USB-Signale

Doch die Anwender setzen nicht nur zunehmend auf hohe Bildauflösungen, sondern immer mehr
Bildschirme arbeiten mit digitalen Videosignalen (DVI). Damit entfällt die sonst notwendige
Analog-/Digitalwandlung am Monitor und an der Grafikkarte. Außerdem gibt es aufgrund des digitalen
Signals keine sichtbaren Verluste mehr. Ein DVI-Signal benötigt aber eine deutlich höhere
Bandbreite als ein entsprechendes analoges Videosignal. Damit ergeben sich gänzlich andere
Anforderungen an die KVM-Extender. Mit herkömmlichen DVI-Kabeln sind laut Norm nur noch fünf Meter
überbrückbar. Die Datenrate eines Single-Link-DVI-Signals liegt bei 3,96 GBit/s und die maximale
Auflösung bei 1920 x 1200 Pixeln.

Auch DVI-Extender können via Kupferdaten- und LWL-Kabel angebunden werden. Da die Bandbreite des
DVI-Signals deutlich höher ist als die des Kupferkabels, arbeiten die Hersteller mit Kompression
und reduzieren die Farbtiefe von 24 Bit auf 21 oder zum Teil auf 18 Bit oder senken die Frame-Rate.
Grafiker können den Unterschied in der Farbtiefe feststellen. Für Standardanwendungen ist diese
Einbuße kaum relevant.

Die Übertragung über Kupferdatenkabel erfolgt zwar digital, jedoch hat dieses Signal genauso
wenig mit TCP/IP zu tun wie bei den analogen KVM-Extendern. Die Übertragung ist proprietär. Die
maximale Reichweite über Kupfer liegt bei etwa 140 bis 150 Metern.

Glasfaserkabel stellen eine höhere Bandbreite zur Verfügung. Damit sind auch höhere Distanzen
für die Übertragung möglich. Das Videosignal wird komprimiert, sodass die eigentliche Übertragung
typischerweise mit 1 GBit/s oder 1,25 GBit/s erfolgt. Es gibt auch Geräte, die einen
2,5-GBit/s-Link bieten, bei dem die Farbtiefe nicht reduziert wird. Die LWL-Geräte verwenden
üblicherweise zwei Fasern, es gibt aber auch Single-Fiber-Varianten.

Da die Rechner immer öfter mit USB-Eingabegeräten ausgestattet sind und nur noch selten mit
PS/2-Tastaturen und -Mäusen, unterstützt auch die KVM-Technik zunehmend USB. Derzeit übertragen
aber nur wenige KVM-Extender das USB-Signal transparent. Viel häufiger arbeiten sie mit
Emulationen, die nur Geräte mit dem USB-HID-Standard (HID: Human Interface Device) unterstützen,
also zum Beispiel eine MS-Wheelmouse. Doch Multimediatasten auf den Tastaturen oder zusätzliche
Maustasten unterstützen sie nicht oder nur teilweise. Es gibt aber bereits Entwicklungen, die DVI
unkomprimiert über eine einzige Glasfaser und überdies USB-2.0-Signale völlig transparent
übertragen.

KVM over IP

Die meisten verfügbaren DVI-Extender senden und empfangen nur das digitale DVI-D-Signal und
keine analogen Signale wie VGA. Extender, die dies ermöglichen, arbeiten IP-basiert und
unterstützen DVI-I. Damit können sowohl DVI-D-Signale als auch VGA-Signale (mit entsprechenden
Adaptern) übertragen werden. Die Extender verwenden zur Übertragung des KVM-Signals Gigabit
Ethernet via Standardkupferkabel. Das Signal kann jederzeit geroutet oder mittels
Gigabit-Ethernet-Switch verlängert werden. Der Anwender hat sogar die Möglichkeit, einen
Medienkonverter einzufügen und die Übertragung auf LWL-Kabel weiterzuführen, falls er eine größere
Reichweite oder eine galvanische Trennung benötigt.

Um die Flexibilität dieses Systems weiter zu steigern, kann der Anwender mehrere Extender
mittels einer Appliance (Management-Server) zu einer frei skalierbaren KVM-Matrix ausbauen. Solche
Lösungen basieren auf Gigabit-Ethernet-Übertragungen. Wegen der benötigten hohen Bandbreite für die
Übertragung empfiehlt es sich bei größeren Applikationen, eine separate Verkabelung für den
KVM-Datenstrom aufzubauen und diesen nicht über das LAN zu übertragen.

Fazit

Es gibt eine fast unüberschaubare Anzahl von KVM-Extendern auf dem Markt, die zum Teil für
spezielle Einsatzzwecke konzipiert sind. Greift ein Anwender von seinem Arbeitsplatz aus nur
sporadisch auf einen oder mehrere Computer zu, kann er meist mit leichten Unschärfen im Bild leben.
Bei einem Support-Arbeitsplatz mit 24-Stunden-Betrieb ist das nicht tragbar. Eine EMV-belastete
(EMV: elektromagnetische Verträglichkeit) Umgebung, die bei Kupferverbindungen zu einer größeren
Störanfälligkeit führt, stellt wieder andere Ansprüche an den Extender als eine herkömmliche
Büroumgebung.

Viele Anwender wünschen eine hohe Bildqualität oder spezielle Funktionen wie transparente
USB-Übertragung, haben aber die dafür notwendigen Investitionen unterschätzt. Auch Kleinigkeiten
wie eine DDC-Unterstützung (Display Data Channel) sind für eine reibungslos funktionierende
KVM-Extension wichtig. So empfiehlt es sich, vor dem Kauf einer Lösung noch in der Planungsphase
die Anforderungen zu prüfen und festzulegen. Im nächsten Schritt sollte sich der Anwender von
Experten beraten lassen. Diese können meist mehrere für den Einsatzzweck geeignete KVM-Extender
anbieten und zusammen mit dem Anwender eine Lösung finden, die das beste Preis-Leistungsverhältnis
bietet.


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