Die umfangreichen Diskussionen der Anfangsjahre, ob sich drahtlose Kommunikationstechnik wie WLAN oder Bluetooth auch für den industriellen Einsatz eignen, sind längst verebbt. In den letzten Jahren hat die funkbasierende Datenübertragung still und leise Einzug in viele Bereiche der industriellen Automatisierung gehalten.
Mittlerweile wird nicht mehr über die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Wireless-Technik
debattiert. Neben der Koexistenz der verschiedenen Funkanwendungen erörtern die Fachleute vielmehr,
wie das knappe Frequenzband möglichst effektiv und nutzbringend verwendet werden kann. Dies ist ein
sicheres Indiz für die weite Verbreitung von Funk in den Industriehallen. Es bleibt jedoch die
Frage, welche Wireless-Technik sich im industriellen Umfeld durchgesetzt hat und welche Trends
derzeit ersichtlich sind.
Die Anforderungen an drahtlose Lösungen haben sich in den letzten Jahren verändert. Standen
anfangs häufig funkbasierende Feldbusse oder Feldbus-Erweiterungen im Fokus, rückt mit der
zunehmenden Nutzung von Ethernet in der Automation die drahtlose Ethernet-Kommunikation in den
Vordergrund. Die Möglichkeit, Ethernet-Daten einfach per Funk zu übertragen, ist für viele Anwender
das ausschlaggebende Argument, um von klassischen Feldbus-Konzepten auf industrielle
Ethernet-Netzwerke wie Profinet, Modbus/TCP oder Ethernet/IP umzusteigen. Als vorteilhaft erweist
sich dabei, dass der Wechsel von der Feldbus- auf die Ethernet-Kommunikation nicht abrupt, sondern
sukzessive in Form von Hybrid-Installationen erfolgen kann (Bild 1). In diesem Fall wird nur der
dynamische Datenaustausch mit mobilen oder bewegten Einheiten des Netzwerks über Ethernet und Funk
realisiert. Im statischen Teil der Automatisierungslösung erfolgt die Datenübertragung weiter via
Feldbussystem. Ein solches Hybridkonzept unterstützen viele Steuerungshersteller standardmäßig,
indem die SPS neben dem Feldbus- auch einen Industrial-Ethernet-Anschluss zur Verfügung stellt.
Setzen die Anwender Profinet ein, können sie besonders einfach von den Vorteilen der drahtlosen
Kommunikation profitieren, denn die Kombination von Interbus oder Profibus und Profinet ist
nutzerfreundlich gelöst. So macht es aus Sicht des Engineerings und der Programmierung keinen
Unterschied, ob sich ein Gerät im Feldbus- oder im Profinet-System befindet. Profibus International
(PI) hat die Bedeutung der Funkübertragung für die Automatisierung bereits frühzeitig erkannt und
die Anforderungen an eine drahtlose Profinet-Kommunikation sofort berücksichtigt. Derzeit sind
Bluetooth 802.15.1 und WLAN 802.11 als Übertragungsstandard für Profinet in den IEC-Normen
61158-2:2008 und 61784-2:2008 spezifiziert.
Der funktional sichere Datenaustausch (Safety) via Bluetooth und WLAN ist mit Profinet/Profisafe
ebenfalls einfach möglich. Die Rahmenbedingungen, die vom TÜV und vom Institut für Arbeitsschutz
der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung IFA (ehemals BGIA) festgelegt wurden, sind im
Profisafe-Profil definiert.
Die besonderen physikalischen Eigenschaften und rechtliche Vorgaben schränken die Installation
einer Funklösung erheblich ein. Im Gegensatz zu kabelgebundenen Systemen lassen sich daher nicht
alle Anforderungen in einem einzigen Wireless-Netzwerk umsetzen. Vor diesem Hintergrund haben sich
in den vergangenen Jahren mehrere Funktechniken – insbesondere Bluetooth und WLAN – in der
industriellen Automation etabliert. Beide Wireless-Standards unterscheiden sich sowohl in ihrer
Funktionsweise als auch in ihren Vorteilen, weshalb sie verschiedene Anwendungsfelder adressieren
(Bild 2).
Die Stärke von WLAN liegt im Aufbau großflächiger drahtloser Netzwerke mit sehr vielen
Teilnehmern, wie beispielsweise bei Elektrohängebahnen üblich. Im Gegensatz dazu zeichnet sich
Bluetooth neben der robusten und zuverlässigen Datenübertragung durch die Möglichkeit aus, viele
Bluetooth-Netzwerke unabhängig voneinander auf engstem Raum parallel betreiben zu können. Damit ist
Bluetooth bestens zur Realisierung einzelner Funkstrecken geeignet, wie sie zum Beispiel in
Bearbeitungsmaschinen oder zu Regalfördersystemen vorkommen. Die Forderung nach einer Koexistenz –
also dem störungsfreien lokalen Parallelbetrieb von WLAN und Bluetooth – ist ebenfalls gut gelöst,
wenn die industrielle Bluetooth-Technik den Low Emission Mode (LEM) und das manuelle Black Channel
Listing unterstützt. Da die Bluetooth-Geräte nun so konfiguriert werden können, dass sie nur die
nicht belegten Frequenzbereiche zwischen den WLAN-Kanälen nutzen, ergänzen sich beide Techniken
optimal. Zudem wird das verfügbare Frequenzband effizient eingesetzt (Bild 3).
Die drei im 2,4-GHz-Band überlappungsfrei verwendbaren WLAN-Kanäle sind in vielen Anlagen
bereits besetzt. Daher kommt den oftmals noch freien WLAN-Kanälen im 5-GHz-Band eine steigende
Bedeutung zu. Insgesamt stehen in Europa 19 Kanäle zur Verfügung, die fast exklusiv für die
WLAN-Nutzung reserviert sind. Allerdings können sie auch von Wetterradar- oder militärischen
Anwendungen blockiert sein, die Vorrang gegenüber industriellen Applikationen haben. In die
WLAN-Module müssen daher Funktionen implementiert sein, die Primär-User – beispielsweise ein
Radargerät – erkennen und den jeweiligen Kanal dann umgehend frei machen. Durch die notwendigen
Mechanismen kann die Kommunikation für eine Dauer von bis zu einer Minute unterbrochen werden.
Zudem ist eine Frequenzplanung wie im 2,4-GHz-Band, wo sich jeder Funkanwendung ein Kanal oder
Frequenzbereich fest zuordnen lässt, nicht zulässig. Mit Ausnahme der unteren vier Kanäle in Band 1
ist es erforderlich, die Kanäle automatisch zuzuweisen und auch die Sendeleistung muss automatisch
eingestellt sein. Aufgrund dieser Einschränkungen eignen sich nur die unteren vier Kanäle 36 bis 48
für hochverfügbare Automatisierungsanwendungen im Innenbereich.
Die im Herbst 2009 verabschiedete IEEE 802.11n enthält zahlreiche neue Funktionen, die auch für
industrielle WLAN-Netzwerke interessant sind. Der am häufigsten mit dem Standard in Verbindung
gebrachte Vorteil der hohen Datenrate von über 300 MBit/s ist für die industrielle Automation
jedoch oft von nachrangiger Bedeutung. Wichtiger sind die angekündigten Funktionen und
Verbesserungen im Bereich der Zuverlässigkeit und Deterministik. So ermöglicht die neue
MiMo-Antennentechnik (Multiple Input Multiple Output) nicht nur höhere Datenraten sowie eine
Maximierung der Reichweite mittels Beamforming. Aufgrund des Space Time Block Coding – einer
speziellen Codierung, die mit dem redundanten Senden der Daten-Frames kombiniert wird – ist eine
deutliche Optimierung der Funkverbindung in der für Industriehallen typischen schlechten oder
reflektiven Umgebung zu erwarten.
Weitere neue Funktionen sollen das Echtzeit-Verhalten von WLAN verbessern. Dazu zählt unter
anderem das Power Save Multi Poll (PSMP), das einen optimierten Kanalzugriff auf Geräte mit
geringem Datenaufkommen, aber hohen zyklischen Echtzeit-Anforderungen bietet. Im Fokus der
Entwicklung stand zwar Voice over WLAN. Dieser Mechanismus eignet sich aber auch bestens für die
Profinet-Kommunikation. Im Gegensatz zu älteren Standards wie Point Coordination Function (PCF),
der nie in WLAN-Chips umgesetzt wurde, werden verschiedene Hersteller PSMP zukünftig in ihren
WLAN-Chips unterstützen. Heute sind bereits teils vergleichbare Lösungen am Markt erhältlich, die
allerdings herstellerspezifisch realisiert wurden und daher nur in den geschlossenen Netzwerken des
jeweiligen Anbieters funktionieren. Der Standard IEEE 802.11n eröffnet nun die Chance, offene und
standardisierte WLAN-Netzwerke mit besseren Echtzeit-Eigenschaften für Automatisierungssysteme wie
Profinet aufzubauen.
In den vergangenen Jahren hat die drahtlose Datenübertragung zunehmend Einzug in die
industrielle Automation gehalten. Anders als von vielen Experten anfangs angenommen, sind nicht die
Feldgeräte oder Sensoren selbst zum Funkteilnehmer geworden. Vielmehr ersetzen die Anwender heute
meist einzelne Verbindungen durch eine protokolltransparente Funkkommunikation auf Basis von
Ethernet. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung von Wireless-Standards wie Bluetooth oder
WLAN werden sich in Zukunft noch leistungsfähigere Funklösungen in den Fabrikhallen umsetzen lassen
(Bild 4).