Standards und Trends bei Verkabelungssystemen

Normierungsaktivität für 40GbE und 100GbE

28. Mai 2008, 22:00 Uhr | Yvan Engels/jos Yvan Engels ist Head of Product Management Business Unit Datacom bei Leoni Kerpen in Stolberg.

Das Jahr 2008 hält wieder einige Neuigkeiten im Bereich der Netzwerkinfrastruktur bereit. Bemerkenswerter Meilenstein ist die Verabschiedung der Projekte 40GbE und 100GbE für das anstehende Bandbreitenplus in Rechenzentren und größeren Backbones. Zudem gibt es bei der Normierung von strukturierten Verkabelungen und deren Anwendungen wegweisende Verabschiedungen.

Nach der Publikation und Einführung von 10 Gigabit Ethernet (IEEE 802.3an) im Jahr 2006 schien
zunächst einmal Ruhe an der Highspeed-Front eingekehrt zu sein. Doch schon kurz danach wurde die
High Speed Study Group (HSSG) mit der Bedarfs- und Machbarkeitstudie noch höherer Datenraten
beauftragt. Dabei stellte sich heraus, dass in Rechenzentren bereits im Jahr 2011 (also schon in
drei Jahren) ein erster Bedarf für 40 GBit/s entsteht. Im Jahr 2018 soll 40 GBit/s flächendeckend
installiert sein. Zu diesem Zeitpunkt steht außerdem auch die Einführung der Technik mit 100 GBit/s
an.

Da diese Leistungssteigerung innerhalb der Nutzungsdauer von zehn bis 15 Jahren heutiger
Verkabelungssysteme stattfindet, war nunmehr Eile geboten. Im Dezember 2007 wurde dann auch
folgerichtig das Projekt 40/100 Gigabit Ethernet unter dem Titel IEEE 802.3ba ratifiziert. Zentrale
Motivation für die Standardisierung von 40 Gigabit Ethernet ist der kurzfristig steigende
Bandbreitenbedarf in Rechenzentren und Speichernetzwerken. Bezüglich der zur Auswahl stehenden
Übertragungsmedien legte das Gremium folgende minimale Designziele fest:

mindestens 100 m über Multimode-Faser (OM3),

mindestens 10 m über Kupferkabel und

mindestens 1 m über die Backplane.

Motivation für die Standardisierung von 100 Gigabit Ethernet ist insbesondere der steigende
Bandbreitenbedarf in Citynetzwerken und Gebäude- sowie Provider-Backbones. Hier gelten folgende
Ziele:

mindestens 40 km über Singlemode- Faser,

mindestens 10 km über Singlemode- Faser,

mindestens 10 m über Multimode-Faser (OM3) und

mindestens 10 m über Kupferkabel.

Die Normverabschiedung ist für Mai 2010 geplant.

Bei der Auswahl des richtigen Übertragungsmediums spielt neben den technischen Möglichkeiten
sicher die Wirtschaftlichkeit eine bedeutende Rolle. Vor diesem Hintergrund ist eine Erhebung der
High Speed Study Group aufschlussreich: Eine typische Infrastruktur im Rechenzentrum lässt sich in
einen so genannten Core-Bereich, in Verteilzonen und den Client-Bereich aufteilen. Wichtig ist
dabei die Längenverteilung in den einzelnen Segmenten. Nahezu 90 Prozent der Client-Anbindungen
(Client to Access) benötigen eine Übertragungsstrecke von bis zu 40m. 100 Prozent der
Client-Anbindungen liegen im Bereich von 100 m. In der Verteilzone (Access to Distribution) liegen
90 Prozent der Strecken unter 100 m und 100 Prozent der Strecken unter 300 m.

Daraus kann man zwei Schlüsse ziehen: Für den Bereich bis 300 m ist eine neue, leistungsfähige
LWL-Technik nötig. Diese Forderung ist in der Definition einer neuen Faserspezifikation mit höherer
Bandbreite und der Bezeichnung OM4 berücksichtigt.

Die Hauptmenge der Übertragungsstrecken liegt im Bereich unter 40 m beziehungsweise unter 100 m,
sodass sich hier die Frage nach leistungsfähiger und wirtschaftlicher Kupfertechnik stellt. In
diesem Zusammenhang haben Forscher an der Pennsylvania State University die Leistungsgrenzen von
Kategorie-7A-Kupferkabel getestet. Die Wissenschaftler wiesen nach, dass entsprechende Kupferkabel
theoretisch 100 GBit/s über 100 m übertragen können. Sie modellierten die Kabel mit all ihren
Eigenschaften, um so Transmitter und Receiver samt Interferenzentferner zu entwerfen, mit dem sich
unter Zuhilfenahme von Fehlerkorrektur und Entzerrung bis zu 100 GBit/s übertragen lassen.
Allerdings scheint es derzeit physikalisch noch nicht möglich, ein entsprechendes Modem umzusetzen.
Dazu bedarf es voraussichtlich zwei bis drei weiterer Chipgenerationen.

Auf der letzten Sitzung von ISO/IEC JTC1 SC25 WG3 (Februar 2008) wurde das Amendment 1 des
internationalen Standards ISO/IEC 11801 verabschiedet. Dieser internationale Standard umfasst die
Anforderungen an bisherige (renovierte) und an neue Übertragungsstrecken:

Klasse D: bis 100 MHz,

Klasse E: bis 250 MHz,

Klasse EA: bis 500 MHz (neu),

Klasse F: bis 600 MHz und

Klasse FA: bis 1000 MHz (neu).

Normierungsstand

Die Übertragungsklasse EA ist auf Anwendungen bis 10 GBit/s zugeschnitten. Klasse F und Klasse
FA bieten deutlich mehr Reserve und unterstützen die nächsten Speed-Generationen 40 und 100 GBit/s.
Die Anforderungen für die Installationsstrecke (Permanent Link) und für die einzelnen Komponenten
sind noch in Bearbeitung. Mit der Unterstützung von mathematischen Modellen soll das Zusammenspiel
zwischen Übertragungsstrecken (Channel), Permanent Link und Komponenten ergründet und in der Praxis
bestätigt werden. Der Durchbruch in dieser Frage wird für den Herbst 2008 erwartet. Insider gehen
davon aus, dass die internationalen Festlegungen in ISO/IEC 11801 auch in den korrespondierenden
europäischen Gremien übernommen werden und ihren Niederschlag im europäischen Pendant EN 50173-1
finden sollen. Die Struktur der europäischen Normen wurde darüber hinaus anwenderfreundlicher
gestaltet. Die allgemeinen Anforderungen sind in EN 50173 Teil 1 festgehalten. Die
anwendungsspezifischen Anforderungen regeln die Teile 2 bis 5.

Zurzeit beraten die Experten die Bearbeitung von EN 50173, Teil 6. Dieser Teil soll
strukturierte Verkabelung für das Gebäudemanagement aufnehmen. Ergänzend zu den normativen
Dokumenten sind noch diverse technische Reports (TRs) hilfreich:

TR ISO/IEC 24750 & EN 50173-99-1: Richtlinie für die Übertragung von 10
GbE in bereits installierter Basis,

TR ISO/IEC 29125: Richtlinie für die Anwendung von Power over Ethernet über
Kupferverkabelung (in Vorbereitung) und

TR ISO/IEC 29106: Richtlinie für die Anwendung des MICE-Konzepts.

Fazit und Ausblick

Für die Auslegung heutiger Netze ist die Berücksichtigung von 10GbE und mehr über 100 m Kupfer
von großer technischer und wirtschaftlicher Relevanz. Bisherige Klasse-D-/Kategorie-5- und
Klasse-E-/Kategorie-6-Verkabelungen sind nicht für diese Aufgabenstellung geeignet. Daher basiert
die aktuelle Minimalausstattung einer strukturierten Verkabelung auf den Anforderungen der Klasse
EA (500 MHz) oder Klasse F (600 MHz).

Die nächsten Techniksprünge sind allerdings schon vorprogrammiert: In den nächsten Jahren sollen
40 GBit/s und 100 GBit/s in Rechenzentren und größeren Backbones Einzug halten. Dafür bietet sich
der Einsatz hochwertiger Verkabelungssysteme nach Klasse FA/Kategorie 7A an.


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