Interview: Dr. Hannes Pfister von Lufthansa Systems

RZ-Strategie aus der Betreiberperspektive

17. Juni 2008, 22:56 Uhr | Dr. Jörg Schröper

Lufthansa Systems gehört zu den großen Rechenzentrumsbetreibern und ist in diesem Markt daher gleichzeitig Anbieter und Konsument. Dr. Hannes Pfister, Geschäftsbereichsleiter Infrastructure Services, nahm im LANline-Interview Stellung zur aktuellen Situation und zu den wichtigsten Trends. Ein fundiertes Wissen über die Branchen der Kunden wird für Pfister zum wichtigen Merkmal künftiger RZ-Dienstleistungen.

LANline: In welcher Größenordnung bewegt sich das Engagement Ihres Hauses im Bereich der
RZ-Ausstattung?

Pfister: Das Rechenzentrum der Lufthansa Systems in Kelsterbach ist eines der größten und
modernsten in Europa. Dieses wird durch Rechenzentren an weiteren Standorten wie etwa Hamburg,
München, Dallas oder Singapur ergänzt. Darüber hinaus erfolgt die Überwachung und Steuerung
wesentlicher Prozesse durch das Lufthansa-Systems-eigene Remote Operation Center in Budapest.

LANline: Können Sie das RZ in Kelsterbach im Detail beschreiben?

Pfister: Dieses Rechenzentrum verfügt über 6500 m² Rechnerfläche. Es ist in vier feuer- und
versorgungstechnisch unabhängige Baueinheiten getrennt. 24 unterbrechungsfreie
Stromversorgungsanlagen und sechs Netzersatzaggregate als Diesel garantieren auch im Falle eines
Ausfalls der externen Stromversorgung den störungsfreien Betrieb. Darüber hinaus verfügt das RZ
über ein zentrales und übergreifendes Storage- und Backup-Management für alle eingesetzten
Systemplattformen und Kundenumgebungen.

LANline: Wie steht es um die Sicherheit?

Pfister: Die Datensicherheit wird durch ein modernes Haus-im-Haus-Sicherheitskonzept erreicht,
spezielle Data Safes sichern die Daten. Jeweils zwei von vier Rechner-Sektoren arbeiten miteinander
im Backup-Prinzip. Die eingesetzten Plattformen sind unter anderem IBM-Hosts mit derzeit 8890 MIPS
Rechenleistung sowie eine Unisys-Plattform mit heute 4000 MIPS Rechenleistung. 2500 Serversysteme
ergänzen die Hardware unseres Rechenzentrums. Die Dienstleistungen des RZs umfassen das Design
einzelner Systeme, die Gestaltung von Applikationslandschaften bis hin zur Realisierung kompletter
Outsourcing-Vorhaben.

LANline: Wagen Sie einen Blick in die Zukunft. Wie sehen die wichtigsten Trends aus?

Pfister: Der IT-Betrieb hat sich von einer eher kommodisierten Leistung zu einer Herausforderung
für Spezialisten entwickelt. Für die Lufthansa Passage haben wir zum Beispiel im Zuge eines
Projektauftrags den Betrieb eines Großteils der Client-/Server-Anwendungen übernommen.

LANline: Was genau ist dabei Ihr Job?

Pfister: Unsere Aufgabe ist es letztlich, eine Reihe technischer, organisatorischer und
betriebswirtschaftlicher Konsolidierungs- und Innovationspotenziale zu erschließen – eine Aufgabe,
die wir ohne unser fundiertes Branchen-Know-how und ohne Wissen über die Geschäftsprozesse des
Kunden gar nicht erfüllen könnten. Dasselbe gilt für die integrierten Plattformlösungen, die wir
für den Airline-Sektor aber auch für Branchen wie Finance und Logistik entwickelt haben oder noch
entwickeln.

LANline: Wie wichtig sind die von Ihnen angesprochenen vertikalen Kenntnisse?

Pfister: Das Branchen-Know-how ist für das eben Beschriebene eine Grundvoraussetzung und stellt
den entscheidenden Mehrwert für unsere Kunden dar, mit dem wir uns übrigens auch von anderen
Anbietern differenzieren. Dadurch sind wir in der Lage, dieses in innovative Lösungen
umzusetzen.

LANline: ? und die Perspektive?

Pfister: Wir sehen in der näheren Zukunft drei Trends, die sich hier besonders auswirken werden:
Erstens sind Kostenreduzierung und schnelle Reaktion auf neue Geschäftsanforderungen für alle
Unternehmen kritische Erfolgsfaktoren. Auch die IT muss diesen hohen Anforderungen gerecht werden.
Dieses wird aber nur im engen Zusammenspiel mit Applikationen darstellbar sein, sei es durch
Flexibilisierung in Gestalt von Software-as-a-Service-Ansätzen oder auch durch modularisierte
komplette Applikationsplattformen, die auf Branchen ausgerichtet sind. Zweitens nehmen die Planung
von IT-Investitionen und die Steuerung des Betriebs von IT-Lösungen in der Prioritätenliste der
Unternehmen einen immer höheren Stellenwert ein. Daher geht der Trend zu kürzeren Verträgen mit
Laufzeiten von zwei bis fünf Jahren. Drittens stellen aufsichtsrechtliche sowie unternehmensinterne
Anforderungen Unternehmen jeder Größe vor die Herausforderung, operationale Risiken zu
minimieren.

LANline: Damit ist dieser Punkt aber noch nicht abgehakt…

Pfister: Natürlich nicht. Es gibt daneben noch eine Vielzahl von Entwicklungen, die
IT-Verantwortliche in Unternehmen und IT-Dienstleister beobachten müssen. Ich möchte nur einige
Beispiele nennen: Das klassische Outsourcing mit und ohne Asset-Übergang wird neben
Managed-Services auch künftig weit oben in der Liste der Nachfrage stehen. BPO (Business Process
Outsourcing, Anm. der Red.) wird seinen heutigen Stellenwert behalten; nach ersten Enttäuschungen
sehen wir hier nicht den lange prognostizierten Hype.

Innovative Impulse sind ein weiterer Aspekt, der mit dem Outsourcing verbunden werden sollte.
Wie kann ein Unternehmen an IT-Trends durch seinen Dienstleister partizipieren und wie stellt man
dies sicher? Die unterschiedlichsten Ausprägungsformen des grundsätzlichen Mobilitätsbedürfnisses
des Menschen werden eine wachsende Triebfeder der IT sein, insbesondere der Anspruch, an jedem Ort
und zu jeder Zeit auf Ressourcen und Informationen zurückgreifen zu können.

In der Zusammenarbeit mit Kunden aus der Airline- und Aviation-Industrie sowie den Banken und
Finanzdienstleistern haben wir diese Fragen aufgenommen und erarbeiten gemeinsame Strategien, die
einen hohen Mehrwert für die Geschäftsprozesse unserer Kunden und die Effizienz von IT-Kosten zum
Inhalt haben.

LANline: Was wurde in Ihrem RZ konkret in puncto Energieeinsparung und Ressourcenschonung
unternommen? In welcher finanziellen Größenordung liegt das?

Pfister: Lufthansa Systems setzt schon seit vielen Jahren auf Energieeinsparung. Die Abwärme des
Rechenzentrums in Kelsterbach wird beispielsweise nicht in die Umwelt geleitet, sondern hilft, die
Gebäude am Standort zu beheizen. Die jährliche Einsparung durch die Wärmerückgewinnung liegt bei
1100 Tonnen CO2. Außerdem sind wir permanent dabei, unsere Energieversorgung auf dem führenden
Stand der Technik zu halten. Dies geschieht auf Basis eines rollierenden mehrjährigen Plans.
Finanzielle Angaben dazu veröffentlichen wir nicht.

LANline: Wie stehen Sie zu den Themen Outsourcing und Outtasking?

Pfister: Die Entscheidung für ein komplettes Outsourcing oder ein Outtasking für einzelne
IT-Pakete liegt immer bei den Unternehmen selbst. Nach unserer Erfahrung ist Outtasking nur bei
IT-Prozessen mit hoher Standardisierung und geringen Schnittstellen zu anderen Prozessen wirklich
sinnvoll.

Outsourcing ist und bleibt ein unternehmerischer Erfolgsfaktor unserer heutigen Industrien. Um
Globalität und Mobilität miteinander zu verbinden, wird die Ressource IT immer mehr an Bedeutung
gewinnen. Unternehmen können mit dem Outsourcing Geld sparen, ihre IT effizient planen und durch
die Nutzung modernster Technologie zukunftssicher ausrichten. Sie partizipieren dabei an den
Entwicklungen ihres IT-Partners und profitieren von fundiertem Know-how. Den neuesten
Analysteneinschätzungen zufolge liegt hier nach wie vor der Wachstumstreiber der nächsten Jahre,
ergänzt um neue Modelle des Application-Managements wie zum Beispiel Software as a Service.

LANline: Gibt es dazu konkrete Projekte?

Pfister: Positive Beispiele für Outsourcing sind zahlreiche Verträge, die Lufthansa Systems in
den letzten Jahren mit Banken und Finanzdienstleistern abgeschlossen hat. Sowohl das vollständige
Outsourcing als auch das Application Service Providing stellen hier einen deutlichen Mehrwert für
den Kunden dar. Die Nutzungsrechte für Software, Rechnerkapazität und Helpdesk-Services bilden in
ihrer Kombination ein Full-Service-Angebot. Die Software wird im unternehmenseigenen Rechenzentrum
betrieben, auf das die Kunden über eine sichere Datenverbindung zugreifen, die Anschaffung der
notwendigen Hard- und Software entfällt damit. Dadurch sind Unternehmen in der Lage, sich wieder
verstärkt auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren, ihre Servicequalität zu verbessern und
Stückkosten deutlich zu senken.

LANline: Wo liegen die Vorteile dieses Ansatzes?

Pfister: Dass sich viele Unternehmen gerade für das Outtasking ihrer Kommunikationsinfrastruktur
entscheiden, liegt an der strategischen Bedeutung, die diese Technologie in vielen Unternehmen
mittlerweile einnimmt. Denn um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen heute auch kleine und
mittelständische Firmen in PC-gestützte Applikationen wie beispielsweise die
Computer-Telefon-Integration oder Unified Messaging Services investieren oder
Warenwirtschaftssysteme und Strukturen für das Customer Relationship Management aufbauen. Die
notwendigen Investitionen können gerade diese Unternehmen aufgrund einer oft dünnen Kapitaldecke
aber nicht immer leisten, und deswegen ergibt die Auslagerung dieser Aufgaben an einen externen
Dienstleister auch hier durchaus Sinn.

LANline: Hat sich die Arbeit des RZ-Verantwortlichen und -Administratoren bei Ihnen in letzter
Zeit gewandelt? Welche Anforderungen sind neu?

Pfister: Sicher hat die Komplexität der Aufgaben zugenommen, aber auch der Fokus hat sich
gewandelt. Neben der Technologiekompetenz sind heute in einem weit größeren Umfang Wissen über die
Geschäftsprozesse der Kunden und deren betriebswirtschaftliche Zusammenhänge gefordert. War es
früher oft nur die Frage der technologischen Standards, kommt heute die Verantwortung für die
Service-Delivery-Prozesse hinzu.

LANline: Was bedeutet dies für die Zulieferer?

Pfister: Auch die klassische Plattformherstellerbindung hat sich sukzessive aufgelöst, weshalb
eher Schlagworte wie Multi-Vendor/-Supplier, Best-of-Breed und so weiter eine Rolle spielen.
Darüber hinaus stehen RZ-Verantwortliche zunehmend in der Verantwortung für internationale
Operations- und Sourcing-Strategien und damit unter wirtschaftlichem Druck. Auch Fragen der
Compliance und Contingency landen mehr und mehr auf dem Tisch des RZ-Leiters. Schließlich steht,
wie schon erwähnt, das Thema Energieverbrauch nicht erst seit Aufkommen der Green-IT-Diskussion auf
der Tagesordnung.

LANline: Wie sieht heute die Zusammenarbeit mit dem Facility-Management aus? Werden
entsprechende Aufgaben und Verantwortlichkeiten vom RZ-Personal übernommen?

Pfister: Unser Facility-Management ist zentraler Bestandteil unserer Operation. Ziel ist die
koordinierte Abwicklung von Prozessen, um Betriebs- und Bewirtschaftungskosten dauerhaft zu senken,
Fixkosten zu flexibilisieren, die technische Verfügbarkeit der Anlagen zu sichern und den Wert von
Gebäuden und Anlagen langfristig zu erhalten.

LANline: Herr Dr. Pfister, vielen Dank für das Gespräch.

Telecommunications Infrastructure Standard for Data Centers (TIA-942)

Comment Draft ISO/IEC 24764: Information Technology Generic Cabling for Data Center Premises

ISO/IEC 11801: Information Technology

Generic Cabling for Customer Premises

Amendment 1; Amendment 2

EN 50173-5:2007 Anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen Teil 1: Allgemeine Anforderungen
Teil 5: Rechenzentren

EN 50174-2 Installation von Kommunikationsverkabelung, Teil "Data Centers"

EN 50310 Potenzialausgleich und

Erdung in Gebäuden mit Einrichtungen der

Informationstechnik

DIN VDE 0100-410 (VDE 0100-410)

Quelle: Jens Dittrich, Dvt Consulting


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