USV-Hibernation senkt Kosten

Strom sparen im Schlaf

27. Februar 2015, 7:00 Uhr | Dietmar Ruscher ist Technischer Geschäftsleiter bei Wöhrle Stromversorgungssysteme, www.woehrle-svs.de. Hermann Hartwig ist Senior Business Development Manager USV bei Huawei Technologies Deutschland, www.huawei.de./jos

Der Ruhezustand galt früher bei einer unternehmenswichtigen USV-Anlage als absolutes Tabu. Zu groß war die Gefahr, dass die Transferzeit beim Anlaufen Ausfälle der Last verursachen würde. Doch durch Fortschritte bei der Schalttechnik und vor allem aufgrund des modularen Konzepts aktueller USV-Anlagen kann der Ruhezustand (Hibernation-Modus) sehr viel Energie bei gleichbleibend hoher Verfügbarkeit sparen.

Bei einer USV-Anlage kommt es auf maximale Verfügbarkeit an. Das System muss beständig betriebsbereit sein sowie zu jeder Zeit und unter allen Umständen die Last mit sauberer, stabiler Netzspannung versorgen. Nicht umsonst gilt der VFI-SS-Modus, bei dem die Ausgangsspannung unabhängig vom Netz komplett synthetisch über einen Inverter aus der Batteriespannung erzeugt wird, als das Nonplusultra in puncto Ausgangsqualität.
Ständiger Betrieb bedeutet natürlich auch ständigen Stromverbrauch. Der Wirkungsgrad solcher Anlagen bewegt sich trotz enormer Verbesserungen in der Schaltungstechnik im Bereich der niedrigen 90 Prozent. Zum Teil wird er auch erheblich unterschritten, wenn die Anlage, wie in vielen Rechenzentren üblich, als Teil eines A/B-Versorgungsnetzes nur die Hälfte der Last bewältigt und eine zweite USV-Anlage die andere Hälfte versorgt. Da USV-Anlagen ihren maximalen Wirkungsgrad in der Nähe der Volllast erreichen, ist diese Konstellation besonders ineffizient.
 
Keine Transferzeit durch Modularität
Durch die hohen Verfügbarkeitsanforderungen im Rechenzentrum, wo Systemausfälle schlichtweg nicht zu tolerieren sind, gelten USV-Anlagen, die nach dem VFI-SS-Prinzip arbeiten, als unverzichtbar. Dies ist zumindest zum Teil auch historisch bedingt. Als Alternative zu VFI-SS waren früher nur Anlagen verfügbar, die im Fehlerfall relativ lange Zeitspannen benötigten, bis sie die Netzspannung aus dem Inverter erzeugen konnten. Was als Backup- oder Line-Interactive-USV bekannt war, nutzte im Regelfall die Netzspannung zur Versorgung der Last und schaltete erst bei einem ernsten Problem auf den Inverter-Betrieb um. Während des Schaltvorgangs war die Last unversorgt. Die sogenannte Transferzeit lag im Bereich einiger zehn Millisekunden - unproblematisch für den privaten Einsatz, aber zu riskant für hoch ausgelastete Server. An der VFI-SS-USV, früher auch Online-USV genannt, führte also kein Weg vorbei.
Doch die USV-Entwicklung der letzten Jahre stand vor allem unter dem Zeichen der Modularität. Ist die zu sichernde Last auf mehrere Module aufgeteilt, gestaltet es sich erheblich einfacher, Redundanz auf Modulebene aufzubauen. Für einen n+1-Betrieb ist keine komplette zusätzliche USV-Anlage mehr notwendig, sondern nur ein weiteres Modul. Für n+2-Redundanz reichen zwei zusätzliche Module. Dies hat völlig neue Möglichkeiten für die Einsatzbereitschaft und Verfügbarkeit von USV-Anlagen zur Folge. Weil es mehrere Module sind, über die Last versorgt wird, lautet die Frage nicht mehr "Entweder oder?", wenn es um Energieeffizienz vs. Versorgungsgarantie geht. Aktuelle modulare USV-Systeme erlauben zahlreiche Betriebsmodi, bei denen abhängig vom Leistungsbedarf und Verfügbarkeitsanforderungen nicht alle Module beständig arbeiten, sondern eine Balance entsteht. Als Ergebnis zeigen sich drastisch verbesserte Wirkungsgrade bei gleichbleibend hoher Verfügbarkeit.
In heute üblichen, modularen USV-Anlagen im mittleren und hohen Leistungsbereich bis zu 2 MW arbeiten oft Module, die grundsätzlich gar nicht nötig sind. Prinzipiell könnte ein Betreiber im normalen Betrieb, wenn beide Versorgungsschienen funktionieren, die Hälfte der Module ausschalten und dadurch Energie sparen sowie den Verschleiß dieser USV-Module verringern. Tritt ein Fehler ein, zum Beispiel wenn im schlimmsten Fall eines der beiden Versorgungsnetze A oder B ausfällt - müssen diese USV-Module jedoch wieder schnell und ohne Unterbrechungen für die Last zu aktivieren sein.
 
Hibernation-Modus spart bei korrektem Einsatz
Weiterentwicklungen in der Schaltungstechnik haben den dazu notwendigen intelligenten Hibernation Mode (Hibernation - Ruhezustand, Winterschlaf) in der USV mittlerweile möglich gemacht. Anwender können zahlreiche Parameter konfigurieren, die festlegen, wann wie viele USV-Module im Ruhezustand verharren, während die aktiven Module die Last versorgen. Naturgemäß gibt es zahlreiche Anforderungsprofile im Rechenzentrum, denn nicht jeder Server beherbergt Anwendungen mit der gleichen Wichtigkeit, und nicht jede Lastsituation benötigt die gleich hohe Redundanzreserve. Darum muss die USV-Anlage detaillierte Einstellmöglichkeiten bieten, um sicherzustellen, dass sich der Hibernation-Modus nicht negativ auf die Verfügbarkeit auswirkt. Unter anderem ist es unbedingt erforderlich, die Lastreserve zu definieren, die die USV-Anlage als Redundanz vorhält. Verfügen die Module jeweils über 40 kW Nennlast und ist die Last 100 kW groß, sind drei Module für den Standardbetrieb notwendig. Bei einer n+1-Redundanz muss ein weiteres Modul aktiv mitlaufen, bei n+2 zwei Module. Wenn das Gesamtsystem mit einer Nennlast von 400 kW umgehen kann, also über insgesamt zehn Module verfügt, sind selbst bei n+2-Redundanz fünf davon unnötig und können in den Hibernation-Modus wechseln. Sobald sich die Last ändert, kann die USV-Anlage Module aus dem Schlafmodus zurückholen und in das System einfügen. Die n+2-Redundanz bleibt während der gesamten Zeit erhalten. Weil selbst mit drei Modulen noch 20 kW Lastreserven bestehen, bleibt dafür viel Zeit, wenn die USV-Anlage dynamisch auf Laständerungen reagiert. Ebenfalls möglich wäre es, weitere Module in den Hibernation-Modus zu versetzen, wenn die abgenommene Last sinkt.
 
Vorteile des intelligenten Ruhezustands
Neben der Energieeinsparung durch die ruhenden Module, die je nach USV-System erheblich sein kann, profitieren die Anwender jedoch auch in anderer Weise vom intelligenten Ruhezustand. Denn abgeschaltete Module erzeugen keine Abwärme, müssen nicht gekühlt werden und unterliegen auch keinem Verschleiß im Lauf ihrer Betriebsstunden. Um zu verhindern, dass einige Module ständig laufen und andere gar nicht zum Einsatz kommen, ist es wichtig, alle Module möglichst gleichmäßig zu verwenden. Ein entsprechender Algorithmus in der USV-Anlage regelt die Zyklen zwischen Ruhe- und Arbeitsphase der Module. Anwender sollten in der Lage sein, die Pausenzyklen dieser Rotation definieren zu können. Sinnvoll sind Werte zwischen einigen Minuten und einigen Monaten.
In der Default-Einstellung wechseln viele USV-Anlagen die Module im Rhythmus von mehreren Minuten durch. Für eine problemlose geplante Wartung sollte es möglich sein, Module im Ruhezustand aus der Ferne mittels VPN-gesichertem Netzwerkzugriff wieder in den Normalbetrieb zu versetzen.
Entscheidend ist auch, dass sich der Hibernation-Modus für das USV-System als Ganzes definieren lässt. Wenn mehrere modulare USV-Anlagen parallel geschaltet sind, müssen alle Subsysteme Informationen über den aktuellen Zustand aller Module und die Anforderungen an Last und Verfügbarkeit haben. Dann sind auch komplette Subsysteme abschaltbar, was für die Energieeffizienz die größten Vorteile bedeutet, da dann nicht nur die Leistungsmodule, sondern auch die umgebende Infrastruktur des Subsystems keinen Strom mehr verbraucht. Bei Lastwechsel oder einer plötzlichen Lasterhöhung schalten die Module in so kurzer Zeit in den Normalbetrieb zurück, dass es zu keinerlei Versorgungsunterbrechung der Last kommt. Dazu muss die USV-Anlage beim erneuten Hochfahren jedoch auch den möglicherweise starken Lastanstieg innerhalb kurzer Zeit abfangen können. Im Bypass-Betrieb sollte der Überlaststrom bis zum Zehnfachen des Nennstroms verkraftet werden, im Wechselrichterbetrieb ist Faktor fünf sinnvoll.
 
Ruhezustand auf Batterieladung ausdehnen
Dieser Hibernation-Modus ist nicht nur ein sinnvoller Zustand für die Leistungsmodule. Auch bei den Batteriemodulen verringert ein Ruhezustand den Verschleiß und die Kosten. In der Regel liegt an den Batterien dauerhaft die Erhaltungsladespannung an. Bei größeren Batterien führt dies zu einem andauernden Ladestrom, der die Batterie erwärmt. Vor allem wenn die Batterie nicht klimatisiert oder ohnehin höheren Umgebungstemperaturen ausgesetzt ist, führt dies zu einer sehr schnellen Alterung. Durch ein intelligentes Batterie-Management kann der Betreiber die Ruhezustände auch auf die Batterien ausdehnen, sodass Ladepausen von mehreren Tagen bis zu mehreren Wochen einstellbar sind. Die Batterien verlieren in dieser Zeit so gut wie keine Kapazität, verbrauchen keine Ladeleistung und altern deutlich geringer.
Selbstverständlich muss das System die Batterien in dieser Zeit stets überwachen. Ebenfalls wichtig ist, dass in der USV-Anlage - abhängig vom eingesetzten Batterietyp - nach der Ladepause eine Stark- oder Ausgleichsladung programmiert werden kann. Um die Anlage optimal an die Batterie anzupassen, ist es notwendig, Parameter wie Ladespannung bei Erhaltungsladung, Ladespannung bei Ausgleichsladung, Ladestrom bei Erhaltungs- und Ausgleichsladung sowie die Dauer von Ausgleichsladung, Erhaltungsladung und Ladepause unabhängig voneinander einzustellen.
Die Redundanz ist bei modularen Anlagen nicht nur auf die Leistungseinheiten beschränkt, sondern muss auch die Parallelkommunikation umfassen. Sinnvoll sind redundante Steuerungen und - falls mehrere Systemschränke Verwendung finden - eine redundante Parallelverkabelung in Ringtopologie. Nicht zuletzt muss der Anwender das System auch bedienen können, wenn eine Bedieneinheit oder ein Display ausfällt.
 
Individuelle Abwägung für optimale Verfügbarkeit
Die Optimierung von Energieeffizienz versus Verfügbarkeit ist keine triviale Aufgabe. Für einen optimalen Arbeitspunkt sollte die Last zwischen möglichst vielen der vorhandenen Leistungsmodule aufgeteilt sein. Je höher die Anzahl der Leistungsmodule, umso kleiner ist die Abstufung und damit die Differenz zum optimalen Arbeitspunkt. Doch dann wird der Hibernation-Modus seltener oder nie erreicht, und es gibt keinen Einspareffekt. Mehr Module als notwendig einzubauen, ist ebenfalls eine Möglichkeit, die Last auf viele Module zu verteilen und dennoch Reserven zu haben, die sich in den Ruhezustand schalten lassen. Allerdings bedeuten mehr Module auch höhere Anschaffungskosten sowie mehr Aufwand für die Wartung. In der Praxis gilt es einen wirtschaftlichen Kompromiss zu finden, der durch beste Zuverlässigkeit und geringste TCO (Total Cost of Ownership) bestimmt ist.
Gelingt es durch diesen intelligenten Ruhemodus auch nur, ein halbes Prozent der jährlichen Verluste einzusparen, bedeutet dies bei einer Last von 800 kW eine jährliche Ersparnis von 35.000 kWh Energie. Dies entspricht etwa dem Energieverbrauch von zehn Haushalten mit zwei bis drei Bewohnern.

Modularität kann dafür sorgen, die zur Last passende Absicherung zu finden. Die gezeigte USV-Serie rangiert von 30 bis 800 kVA.

Ruhezustand der Batterie: Die Akkus altern deutlich langsamer.

Parallelkommunikation als Ring zur Vermeidung von "Single Points of Failure".

Nach Herstellerangaben kann Huaweis USV-Modell UPS-5000-A, dessen größte Version bis 800 kVA reicht, kurzzeitig eine Überlast von 150 Prozent bewältigen.

Das Grundprinzip der intelligenten Hibernation.

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