Ciscos Mega-Telekonferenz, in der deren Verlauf CEO John Chambers den Einstieg in den Server-Markt bekannt gab, hat bei den Analysten und Kommentatoren ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Vor allem die Frage, wie HP und IBM jetzt reagieren werden, halten viele für entscheidend.
Ciscos Einstieg in den Servermarkt erfolgte mit einem lauten Donnerschlag, der noch lange
nachhallen wird. Einige Analysten meinen, dass den HP- und IBM-Managern das Trommelfell schmerzt
und sie noch viele schlaflose Nächte haben werden, doch andere Analysten sind da wesentlich
skeptischer.
Cisco nennt seinen neuen Blade-Server "Unified Computing System" (UCS). Damit soll die
Einführung einer evolutionären Rechenzentrumsarchitektur erleichtert werden, in der Rechenleistung,
Netzwerke, Storage und Virtualisierung zu einem einheitlich Gesamtkomplex verschmelzen.
Da Cisco hier alles an Technik einsetzt, was es derzeit auf dem Markt gibt, ist naturgemäß die
Performance der neuen Server im Spitzenbereich. Das soll sich vor allem im niedrigen Stromverbrauch
und bei den Betriebskosten bemerkbar machen. Ohne auf spezielle Vergleichsprodukte einzugehen,
meinte John Chambers in seiner Ankündigung, dass die Gesamtkosten (TCO) um 20 bis 30 Prozent
geringer sind als die "herkömmlicher Systeme".
Forrester-Analyst James Staten sieht in dieser Ankündigung vor allem einen Frontalangriff von
Cisco gegen HP und IBM. "Wir haben schon lange damit gerechnet, und es ist ein starker
unternehmerischer Schritt von John Chambers, dass er es endlich wagt", war sein erster Kommentar
nach der Präsentation.
"Wir haben jetzt drei Server-Strategien: HP setzt auf Distributed Blade-Server, IBM will die
Mainframes wieder attraktiv machen, und Cisco will mit seinem Virtualisierungsansatz eine
attraktive Alternative zu beiden sein", meint Rich Ptak, Partner bei Ptak, Noel &
Associates.
Das herausragende Unterscheidungsmerkmal zu den beiden Platzhirschen IBM und HP im
Servergeschäft ist die umfangreiche Kombination der neuen Cisco-Server mit verschiedenen
Technikpartnern. Hierzu gehören unter anderen BMC, Emulex, Intel, Microsoft, SAP, Netapp, Novell,
Oracle, Qlogic, Red Hat und VMware. Die Kooperationen mit BMC, EMC, Microsoft und VMware gehen weit
über die technische Integration hinaus und enthalten auch einen einheitlichen
End-zu-End-Support.
"Bislang hat Cisco nie eingestanden, dass das Managen der IT-Ressourcen ein komplexer und
kollaborativer Prozess ist, der weit über das Managen und Monitoring von einzelnen
Systemkomponenten hinausgeht, doch mit ihrer neuen Management-Software von BMC nehmen sie auf
Anhieb eine Spitzenstellung beim Managen heterogener Systemlandschaften ein", so Jasmine Noel von
Ptak, Noel & Associates.
Cisco und seine Partner meinen, dass sie einen völlig neuen Ansatz im Server-Markt verfolgen,
der keine Rücksicht auf die bisherigen Welten nimmt. "Das ganze Konzept von Ciscos UCS ist
vergleichbar mit Apples Iphone. Apple hat ohne Rücksicht auf bestehende Systeme und Lösungen ein
Smartphone geschaffen, dessen Design sich ausschließlich nach dem richtete, was sich der
Endanwender gewünscht hat – und genau das realisiert Cisco jetzt mit seinen Partnern im
Server-Bereich", schwärmt BMC-Chef Bob Beauchamp.
Ein Iphone-ähnlicher Erfolg der neuen Server wird jedoch davon abhängen, ob Ciscos neues
System-Management-Tool auch wirklich soviel besser ist als das, was IBM und HP hier bereits
bieten.
Besonders skeptisch beurteilt John Oltsik von der Enterprise Strategy Group Ciscos Aussichten: "
Der Server-Markt ist gut verteilt. Die CIOs wissen um die Vor- und Nachteile der einzelnen
Anbieter, da ist es zweifelhaft, ob sie gerade in diesen Zeiten auf einen Newcomer umsteigen."
Auch die neue Technik beeindruckt ihn wenig: "Das, was Cisco jetzt mehr zu bieten hat, können HP
und IBM in Kürze durch Upgrades nachliefern – und Ciscos neue proprietäre Netzstruktur wird Brocade
und Juniper zugute kommen, da der Markt bislang ein Standardprodukt einer Lock-in-Lösung vorzieht,
und zwar auch dann, wenn damit Leistungseinbußen verbunden sind."
"Cisco hat bislang keine Kundenbeziehungen zu den Server-Beschaffern – und ob die jetzt auf
einen neuen Lieferanten umsteigen, halte ich für bedenklich", meint auch James Staten.
Ähnlich skeptisch äußerte sich auch Zeus Kerraval von der Yankee-Group: "Dieses ist der
riskanteste Schritt, den Cisco in seiner Firmengeschichte vorgenommen hat." Doch er meint, dass
schon ein kleiner Marktanteil für Cisco erhebliche Auswirkung haben könnte: "Der Server-Markt
umfasst 40 Milliarden Dollar, das hat sicherlich seinen Reiz auf die Cisco-Eigentümer."
Ein weiterer kritischer Punkt ist der Service für die Systeme. Hier hat sich Cisco zwar
Accenture als Partner ausgesucht, doch es ist fraglich, ob die CIOs solche Dreiecksverhältnisse
akzeptieren werden. "Cisco kann den Support unmöglich selbst erbringen, doch das Abstützen auf
weitere Partner ist nichts für Unternehmen mit geschäftskritischen Anwendungen", lauten die
Bedenken von Jason Ader, Analyst bei William Blair & Co.
Er sieht auch noch ein weiteres Problem auf Cisco zukommen: "Bislang haben sowohl IBM als auch
HP sehr häufig Cisco als Netzwerkpartner bei ihren Angeboten mit eingebunden; es kann gut sein,
dass diese jetzt auf andere Anbieter ausweichen, und das könnte für Cisco mehr Schaden bedeuten,
als durch den Server-Umsatz wieder ausgeglichen werden kann."
Harald Weiss/wg