Ausgetrickst
Ausgetrickst. Den guten alten Zeiten mag man angesichts der Diskussion um den Heuschrecken-Kapitalismus und Massenarbeitslosigkeit nachtrauern. Als Adam Smith im Shareholder-Value-freien 18. Jahrhundert seine Theorien zur Nationalökonomie und Ethik veröffentlichte, war die Welt noch in Ordnung: Firmenpatriarchen garantierten bescheidene soziale Sicherheit, Gewerkschaften waren in weiter Ferne, kirchliche Festtage wurden noch geehrt.
Ausgetrickst
Kurzum: Kapital und Moral waren eine unauflösliche Einheit, das eigennützige Streben der Menschen zum Wohle der gesamten Gesellschaft intakt. Länder eben, in denen Milch und Honig floss und kein Mensch sich mit Hilfe des Großen Konz 1.000 ganz legale Steuertricks aneignen musste.
Überhaupt der »Große Konz«: Seit 20 Jahren schon gibt es diese Bibel für ambitionierte Steuersparbürger. Und wer einen Blick in diesen Ratgeber wirft, wird feststellen, wie weit doch Kapital und Moral seit Adam Smith auseinandergedriftet sind. Wer beispielsweise seine Frau in den Wahnsinn treibt, kann die anschließende Therapie als Sonderausgabe geltend machen. Die Ausgabe für unsere Nachbarn in den Niederlanden, sofern sie eines Tages kommt, müsste auch einen Hinweis für Bankräuber enthalten: Die Schusswaffe kann dort nämlich als Werbungskosten abgesetzt werden, sofern der Steuerpflichtige einen Überfall glaubhaft belegen kann. Also im Zweifelsfall neben dem Bargeld bitte auch das Band der Überwachungskamera aushändigen lassen.
Sind Kapital und Moral bei Privatpersonen schon meilenweit entfernt, gilt das erst recht für die Besteuerung von Unternehmen, wie das Beispiel IBM zeigt. Laut US-Steuerrecht muss Big Blue den Reingewinn aus dem Verkauf der PC-Sparte an Lenovo von rund einer Milliarde Dollar nicht versteuern, sofern damit Restrukturierungen finanziert werden. Der große Franz Konz würde in einer US-Ausgabe in gewohnt launiger Sprache schreiben: Gewinne in voller Höhe sichern ? beteiligen Sie das Finanzamt an Werksschließungen und Entlassungen und sichern Sie sich staatliche Subventionen durch Kapazitätsverlagerungen in Niedriglohnländer!