Die Kunden unserer Kunden besser verstehen: Damit das gelingt, laden Distributoren immer häufiger Anwenderkunden auf ihre Veranstaltungen ein. Eine an und für sich gute Idee, die aber ihre Tücken hat.
Vor einigen Jahren erst hatten sich die Messemacher in Hannover wieder daran erinnert, dass das »Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation – der Vorläufer der heutigen CeBIT – aus der Hannover Messe entsprungen ist. Jener bedeutenden Industriemesse nach dem Zweiten Weltkrieg, deren Aussteller damals und erst recht heute zu den Kunden der ITK-Branche und zu den Besuchern der CeBIT zählen. Die Kunden der CeBIT-Aussteller stärker in den Mittelpunkt stellen, das tut die ITK-Leitmesse wieder ganz demonstrativ: Mit EADS-Chef Tom Enders hatte 2013 erstmals ein Manager die CeBIT eröffnet, der nicht aus der ITK-Branche stammt. Ihm folgte in diesem Jahr VW-Chef Martin Winterkorn und auch 2015 wird wohl erneut ein Top-Manager eines Konzerns den Startschuss für die CeBIT geben.
Was gibt es besseres für IT-Hersteller, Systemhäuser und Integratoren sowie den IT-Beratern als wieder stärker auf ihre Kunden und deren Herausforderungen im digitalen Zeitalter zu hören? So hat auch die Distribution diesen Trend aufgegriffen, trifft mit der Orientierung hin zu den Kunden ihrer Kunden aber nicht auf ungeteilte Begeisterung im Channel.
Endkunden auf Veranstaltungen der Distributoren sind zwar grundsätzlich eine gute Idee, sagt der Chef eines Systemhauses im Gespräch mit CRN. »Wir müssen noch viel mehr verstehen, wie unsere Kunden ticken«, sagt der Inhaber, der seinen Namen lieber nicht in der CRN sehen möchte. Denn Kollegenschelte ist unter den gut vernetzten Systemhäusern verpönt und Kritik an Distributoren könnte im Einkauf mehr schaden als nutzen. Fakt ist: Der Systemhaus-Chef war schon einmal der Einladung eines Herstellers gefolgt und hatte IT-Leiter seiner Kunden zu einem Event mitgebracht. »Die wurde prompt von anderen Resellern angegangen«. Als Lead-Lieferant seiner Wettbewerber will er aus verständlichen Gründen nicht noch einmal bei einem gemeinsamen Channel- und Endkundenevent herhalten.
Auch aus einem anderen Grund misstraut der indirekte Kanal im ITK-Sektor den umtriebigen Endkunden-Initiativen der Distribution. Die Grossisten selbst beteuern zwar immer wieder, keine direkten Geschäfte zu Anwenderunternehmen zu unterhalten. Doch ganz ausschließen wollen oder können Distributoren das nicht. Erst kürzlich fiel ein Reseller aus allen Wolken, als ihm drei für die EDV zuständigen Einkäufer bei einer großen Hausmesse eines Distributors, der über seine Partner Endkunden geladen hatte, über den Weg liefen. Sie waren im Besitz eines Gewerbescheins und »können sogar günstiger beim Disti einkaufen als ich«, wie die Recherchen des Fachhändlers ergaben.
Gut gemeint und sicher ein richtiger Schritt zu mehr Kundenverständnis sind solche Event-Formate der Distribution, die den Kunden ihrer Kunden insbesondere Lösungen vorstellen und so originäre Instrumente der Absatzförderung darstellen. Ob auf solchen Events dreiste Abwerbungen verhindert werden können, ist allerdings fraglich. Moralische Appelle an eine wie auch immer geartete Business-Etiquette würden wohl genauso ins Leere laufen, wie der Versuch, die Besucher konsequent zu separieren.
Dass der Fachhandel seine Lieferanten als Wettbewerber fürchten muss, ist indes eher unwahrscheinlich. Abnehmer von Waren und Services sind den Distributoren ja ohnehin oft bekannt, die Projekte gemeinsam mit Systemhäusern planen oder in deren Namen Waren direkt zum Anwender verschicken. Sollte es aufgrund der laxen Praxis bei der Erteilung von Gewerbescheinen Handlungsbedarf geben, wer eigentlich zum Channel zählt und wer nicht, so ist hier wohl eher der Gesetzgeber gefragt.