Barrierefreier Webzugang im E-Government. Nach und nach wollen - und müssen - Behörde das Online-Angebot für behinderte und ältere Menschen erweitern.
Sämtliche Online-Zugänge zu Behördeneinrichtungen müssen zum 1. Januar 2006 barrierefrei sein. Die Grundlage hierfür bildet der Aktionsplan eEurope 2002. Dort wird empfohlen, die internationalen Richtlinien zur barrierefreien Gestaltung von Webinhalten zu übernehmen. Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) vom 1. Mai 2002 ist für den öffentlichen Sektor auf Bundesebene die Grundlage dafür gebildet. Die Umsetzungsfristen orientieren sich allerdings an den Vorgaben der BundOnline2005-Initiative.
Der Föderalismus hemmt jedoch die durchgängige Umsetzung in allen öffentlichen Einrichtungen. Auf Landesebene und in Kommunen müssen sich diese nicht unbedingt an das BGG halten. Für die Länder gelten die entsprechenden Landesgleichstellungsgesetze (LGG), die nur zum Teil hinsichtlich der barrierefreien Informationstechnik verabschiedet sind. Der Stand der einzelnen LGG kann unter http:// wob11.de/gesetze/landesgleichstellungsgesetz.html eingesehen werden.
Klare Definition
Was heißt nun barrierefrei? Sollen jegliche Sicherheitsmaßnahmen aufgehoben werden, die eine Hürde zum Zugang zu E-Government-Dienstleistungen darstellen, wie beispielsweise Elster oder das Online-Meldewesen ? Nein, in keinem Fall. Vielmehr ist das Ziel, eine einfache, möglichst intuitive Führung des Benutzers durch das behördliche Angebot im Web anzubieten. Dabei werden nicht allein die Belange behinderter und älterer Menschen berücksichtigt, jedoch im besonderen Maße. Eine klare Definition findet man im §4 BGG: »Barrierefrei sind … Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen …, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind«.
BGG und LGG legen die gesetzlichen Rahmenbedingungen fest. Für die Umsetzung ist die Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz, kurz BITV, vom 24. Juli 2002 maßgeblich.
Genaue Checkliste
Die Anforderungen und Bedingungen an die angebotenen elektronischen Inhalte und Informationen, die in der BITV festgelegt sind, basieren auf den Zugänglichkeitsrichtlinien für Web-Inhalte 1.0 (Web Content Accessibility Guidelines 1.0, WCAG) des World Wide Web Consortiums (W3C) vom 5. Mai 1999. Sie entsprechen weitgehend dem aktuellen Stand der derzeit weitverbreitetsten Webtechniken. Diese enthalten 66 Checkpunkte zur Überprüfung der Barrierefreiheit und werden nach BITV in zwei Prioritäten aufgeteilt: Priorität I entspricht »Muss«- und »Soll«-Kriterien, Priorität II entspricht »Darf«-Kriterien. Es liegt also eine Pflicht und eine Kür vor. Praktische Test durch blinde und sehbehinderte Nutzerinnen haben bestätigt, dass die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen erst erreicht wird, wenn die Pflicht erfüllt ist.
Von den vierzehn Themengebieten, die die WCAG umfasst, seien einige besonders erwähnt. Farbkontraste und Schriftgröße können für Sehbehinderte eine Barriere darstellen. Bei Farbfehlsichtigkeit kann es beispielsweise bei zu geringem Kontrast zu einer Verschmelzung des Hintergrundes mit dem Inhalt führen. Für Blinde und Hörgeschädigte sind Bilder, Videos oder Audio-Ausgaben eine unüberwindbare Hürde, wenn diese keine Textentsprechungen (Textäquivalente) als Alternative haben. Die Anpassung an verschiedene Ausgabemedien, wie zum Beispiel an kleinere Monitore wie Handhelds oder Palm-Tops, führen über kurz oder lang zu einer finanziellen und organisatorischen Barriere, wenn eine Trennung von Inhalt und Layout unberücksichtigt bleibt. Die Verwendung von Tabellen als Layout-Hilfsmittel sollten weitestgehend vermieden werden, da zum einen die Skalierbarkeit der Ausgabe und zum anderen die Übersichtlichkeit zum Beispiel bei einer reinen Textzeilenausgabe zu schwer lesbaren beziehungsweise verständlichen Darstellungen führt.
Zur Unterstützung der Navigation in Menüs und Formularen ohne Verwendung der Maus ist es zweckmäßig, Tabulatoren einzufügen, so dass durch fortlaufende Betätigung einer Tabulator-Taste oder -Anweisung sämtliche Menüpunkte (Links) und Formularfelder erreicht werden können. Bei Formularen spielen zudem die übersichtliche Gruppierung von Formularelementen und eindeutige Referenzierung des Formularfeldes zum beschreibenden Text eine wesentliche Rolle für die Barrierefreiheit.
In der Praxis
Aber die brennende Frage wäre, wie Barrierefreiheit überprüft werden kann. Am besten wäre es, wenn alle Checkpunkte der WCAG mit Werkzeugen und automatisch überprüft werden könnten. Bevor eine solche Maßnahme aber erfolgen kann, muss der zum Einsatz kommende beschreibende Text, der sogenannte Code, auf Korrektheit überprüft werden.
Hierzu stellt das W3C zwei Validierungswerkzeuge kostenfrei zur Verfügung. Zum einen handelt es sich um den HTML-Validator, der den HTML-Code auf Fehler überprüft, zum anderen der CSS-Validator, der die verwendeten Style Sheets unter die Lupe nimmt. Ob die Seiten barrierefrei sind, kann mit Online-Tools oder mit lokal installierten Programmen, wie A-Prompt getestet werden.
Desweiteren gibt es Werkzeuge zur Überprüfung auf Farbblindheit und Farbfehlsichtigkeit sowie die Kontrolle der Verfügbarkeit der Inhalte für reine Textbrowser. Ein ganz wichtiges Kriterium stellt auch die Überprüfung auf Browser-Verträglichkeit dar, da die verschiedenen Anbieter von Browsern unterschiedliche »Standards« und Umsetzungskonzepte für die Entwicklung derselben verwenden.
Wichtigstes Kriterium ist ebenfalls die Verständlichkeit von beschreibenden beziehungsweise alternativen Texten. Weitergehende, ausführliche Informationen können beim »Web ohne Barrieren« (http:// wob11.de/) nachgelesen werden. Dort sind auch gute Beispiele für behindertengerechte Web-Auftritte zu finden.
Barrierefreiheit lohnt sich
Barrierefreiheit bei Behörden ist auch aus wirtschaftlicher Sicht notwendig. Aufgrund des Personalabbaus im öffentlichen Sektor besteht die Notwendigkeit, dass deren Dienstleistungen und Verwaltungsverfahren immer mehr im Web angeboten werden. Diese müssen dann auch barrierefrei sein, da sonst die Dienste für einen Teil der »Kunden« nicht mehr nutzbar wären. Das wiederum bedeutet, dass diese Services parallel weiterhin in den »Amtsstuben« angeboten werden müssen, wodurch Zusatzkosten entstehen, die am Ende auf den Steuerzahler zurückfallen.
Detailiertere Informationen im Web
http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/l24226a.htm
http://www.bundonline2005.de
http://wob11.de/gesetze/bitv.html
http://validator.w3.org/
http://jigsaw.w3.org/css-validator/validator-text.html
http://www.barrierefinder.de
http://wob11.de/publikationen/aprompt/index.html