Beschaffungsstrategien für Dienstleistungen

3. August 2007, 9:18 Uhr |

Beschaffungsstrategien für Dienstleistungen Beim Einkauf von IT-Dienstleistungen gilt es zwischen quantitativem und qualitativem Lieferantenmanagement zu unterscheiden. Beide haben unterschiedliche Regeln und Anwendungsgebiete.

IT-Dienstleistungen, wie etwa die Ver­gabe einer Softwareentwicklung, das Outsourcing der PC-Wartung oder Technologieberatung, unterscheiden sich vom Einkauf physischer Güter:
- Dienstleistungen sind körperlich nicht greifbar
- Dienstleistungen sind nach Beschaffenheit und Qualität schwieriger zu definieren und zu durchschauen als physische Güter (Intangibilität). Auch bei Dienstleistungen, die Hardware enthalten, überwiegt häufig der intangible Anteil.
- Kunden müssen an der Erbringung von IT-Dienstleistungen mitwirken.
Dadurch fallen IT-Dienstleistungen in den Bereich der »Vertrauensgüter«. Bei Kauf und Nutzung von Vertrauensgütern bestehen bei Kunden Informa­tionsun­sicherheiten; deswegen greifen sie für Beschaffungsentscheidungen gerne auf Informationen zurück, die Informationen zu Beschaffenheit und Qualität ersetzen sollen, zum Beispiel auf Referenzen. Dienstleistungen werden meistens für Projekte oder projektähnliche Aktivitäten eingekauft. Beispiele sind die Auslagerung einzelner Geschäftsprozesse oder die Einführung einer neuen Software. Um Projekte zu priorisieren, kann man sie in ein Portfolio einordnen und nach Kriterien priorisieren, zum Beispiel in den Dimensionen potenzieller Return on Investment (ROI) und Unterstützung der Unternehmensstrategie (siehe Grafik links unten). Der ROI setzt den prognostizierten Erfolg einer Maßnahme, also den Rückfluss oder die Einsparungen innerhalb einer veranschlagten Zeit, ins Verhältnis zur Investition. Damit drückt er den Mehrwert einer Investition aus. »Unterstützung der Unternehmensstrategie« beschreibt das Ausmaß, in dem ein Projekt die Erreichung der Unternehmensziele unterstützt. Zur Einordnung in diese Dimension sind folgende Fragen hilfreich:
- Welchen Engpass müssen wir zuerst beseitigen, um unser Unternehmensziel zu erreichen?
- Welche Auswirkungen hat es, wenn ein Projekt nicht durchgeführt wird?

Höchste Priorität Projekte mit hohem ROI und hohem Maß der Zielunterstützung haben die höchste Priorität. Mit der Information zur Projektpriorisierung aus dem Projektportfolio lassen sich Lieferanten dann in ein Lieferantenportfolio einordnen. Der Beitrag eines Lieferanten zu hoch priorisierten Projekten kann mit dem prozentualen Anteil des Lieferanten-Budgets am Gesamtbudget des Projektes gemessen werden. Die Abhängigkeit vom Lieferanten lässt sich anhand folgender Fragen qualitativ bestimmen:
- Ist der Lieferant ein Monopolist?
- Innerhalb welcher Zeit kann der Lieferant gewechselt werden?
- Zu welchen Kosten kann der Lieferant gewechselt werden?
Anhand der Linie im Diagramm (siehe Grafik oben) lassen sich Lieferanten in zwei Kategorien teilen: in Lieferanten, die ein qualitatives Lieferantenmanagement benötigen und solche, die quantitativ gesteuert werden können.

Qualitatives Lieferantenmanagement Beispiele für typische Projekte in diesem Bereich sind die Auslagerung von Rechenzentrumsdienstleistungen oder einer Produktentwicklung; auch eine strategische Kurzzeitberatung ist hier einzuordnen. Es handelt sich um Themen hoher strategischer Bedeutung und mit einem hohen ROI. Die Dienstleistungen sind oft sehr intangibel. Es ist deshalb wesentlich, die Leistung zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu beschreiben und Unsicherheiten und Risiken von Anfang an zu minimieren. Bei langen Vertragslaufzeiten sollten Anpassungsmöglichkeiten an neue Gegebenheiten, etwa technische Innovationen, vorgesehen werden. Ausschreibung und Durchführung der Leistung bedürfen des Willens und der Fähigkeit aller Beteiligten, Prozesse im Unternehmen und zwischen Lieferant und Auftraggeber zu leben und kontinuierlich zu verbessern. Die Basis dafür ist gute Kommunikation. Maßnahmen wie moderierte Meetings und Personalentwicklung können wichtige Voraussetzungen schaffen.

Quantitatives Lieferantenmanagement Projekte in diesem Bereich (siehe Grafik links) haben eine geringe strategische Bedeutung, einen geringen ROI oder häufig beides. Die zu beschaffende Leistung ist für den Bedarfsträger relativ gut fassbar, für andere Abteilungen des Unternehmens wie den Einkauf jedoch eher intangibel. Typische Beispiele sind die Beauftragung eines Dienstleisters zur Anpassung einer nicht geschäftskritischen Software, der Ersatz eines temporär ausgefallenen eigenen Mitarbeiters oder kurzfristige Unterstützung zum Abfangen von Spitzenlasten. Im quantitativen Lieferantenmanagement liegen die Einsparpotenziale in der Prozessstandardisierung, im Aufbau einer standardisierten Lieferantendatenbank, die Bewertungen erlaubt, und in der Schnelligkeit, mit der passende Lieferanten gefunden und beauftragt werden können. Initialer Aufwand entsteht durch den Aufbau der Lieferantenbasis und durch eine entsprechende Prozessgestaltung, die Einkauf, IT und Fachabteilungen integriert.

Skaleneffekte im ­Dienstleistungseinkauf Anders als bei physischen Gütern, treten bei IT-Dienstleistungen kaum Skaleneffekte auf. Hier bestehen die Ergebnisse zum Beispiel in Konzepten oder Programmzeilen. Durch mehr Beratereinsatz lässt sich die Menge pro Zeiteinheit nicht wesentlich steigern. Bei der Kalkulation müssen allerdings Ausfallrisiken wie Krankheit und auftragslose Zeiten berücksichtigt werden. Hier liegen einige Stellschrauben: Wenn man Dienstleister über einen längeren Zeitraum beauftragt, sinkt das Auftragsrisiko und damit der Preis. Wählt man regionale Dienstleister, entfallen die Reisekosten. Werden Servicepartner aus Ländern mit geringerem Lohnniveau gewählt, sinkt der Preis, dafür steigen jedoch das Risiko und die Kommunikations- und Koordinationskosten. Wenn ein Unternehmen am Rande seiner Kapazität arbeitet, muss es gegebenenfalls Berater zukaufen. Damit sich der Zukauf rechnet, muss das Unternehmen Verwaltungskosten und Gewinnzuschlag auf die Kosten der externen Ressourcen aufschlagen. Es wäre für das Unternehmen demnach billiger, den Subunternehmer direkt einzukaufen. Subunternehmer werden mitunter über mehrere Stationen mit entsprechenden Aufschlägen an den Endabnehmer vermittelt. Das ist eine Umkehrung des Skaleneffektes, den Endkunden vermeiden sollten. Generell sollte ein Auftraggeber von Dienstleistern verlangen, dass sie ihm jede Vergabe an Subunternehmer mitteilen und von seiner Zustimmung oder weiteren Regeln abhängig machen. Nur so lässt sich prüfen, ob eine direkte Auftragsvergabe bezüglich der Aufgaben, die ein Subunternehmer übernehmen soll, für den Endkunden günstiger wäre.

Johanna Nägelsbach und Johanna Hurter sind freie Beraterinnen mit Schwerpunkt Dienstleistungseinkauf.


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