Fazit
Neben den Werten für die Empfangssignalstärke sind die Signal-Rausch-Abstände (SNR) für die qualitative Bewertung der WLAN-Signale wesentlich. Überlappen sich insbesondere im 2,4-GHz-Band gleichkanalige Funkzellen zu stark, hebt dies den Cross-Channel-Interferenz-Pegel. Bei steigender Netzwerklast reduziert das die zu erwartenden Datenraten beziehungsweise die Verfügbarkeit des WLANs. Liegt der Cross-Channel-Interferenz-Pegel auf dem überwiegenden Teil der WLAN-Fläche bei über - 80 dbm, ist der Kanalplan zu prüfen. Lässt sich dieser manuell nicht mehr verbessern, sollte eine Reduzierung der Sendeleistungen der Access-Points Abhilfe schaffen. Fortgeschrittene WLAN-Site-Survey-Werkzeuge bieten dem Anwender Visualisierungen an, die mittels Rot/Grün-Farbkombination WLAN-Problemzonen im Gebäudeplan kennzeichnen. Unterschiedliche WLAN-Nutzungprofile speichern hierfür die nötigen Schwellwerte. Im beispielhaften WLAN-Audit-Projekt hatte der Installateur tatsächlich die geplanten AP-Positionen eigenmächtig geändert. Dies führte im vorliegenden Fall nicht zu einer problematischen Verschlechterung der Signalqualitätsverteilung.
Aus Gründen der Optimierung des Cross-Channel-Interferenz-Niveaus wurde eine Anpassung der Montagepositionen auf die ursprünglich geplanten Positionen empfohlen. Das eingangs beschriebene Fehlerbild war damit allerdings nicht beseitigt. Die zweite Physical-Layer-Analysemethode musste zum Einsatz gebracht werden. WLAN-Site-Survey-Tools messen lediglich die Empfangssignalstärke von WLAN-Quellen auf der Basis der in Beacon-Paketen übermittelten RSSI-Werte. Auf den Verteilungen der Empfangssignalstärken setzen alle weiteren Visualisierungen auf. Werte für SNR, Interferenz oder Datenraten werden in der Regel simuliert. WLAN-fremde Signale werden nicht ausgewertet. Informationen zur aktuellen Kanalauslastung können nicht erzeugt werden. Dazu muss auf die Spektrumanalyse zurückgegriffen werden.
Der generelle Nachteil von lizenzfrei zu nutzenden Frequenzbändern ist, dass jeder unter den gegebenen Regularien (2,4 GHz EN 300328, 5 GHz EN 301893) Komponenten vermarkten und in Betrieb nehmen kann. Insbesondere für das 2,4-GHz-ISM-Band trifft das unter anderem auch auf analoge Übertrager für Audio-Video oder für Bewegungsmelder zu. Die Signalform dieser Komponenten überstreicht einschließlich Mitten- und Nebenband einen Bereich von rund 20 MHz. Das Tastverhältnis beziehungsweise die Kanalauslastung einer solchen Komponente liegt bei 90 bis 100 Prozent.
WLAN-Komponenten »schaffen« unter normalen Umständen selten mehr als 50 Prozent. Mittels einer Spektrumanalyse-Lösung inklusive Expertensystem von Cisco (ehemals Cognio) lassen sich solche Komponenten als WLAN-Störer klassifizieren und per Signalstärkeverfolgung lokalisieren.
Wie aber ist es zu interpretieren, wenn ein solches Expertensystem ein allgemeines Breitbandgerät mit fester Frequenz klassifiziert, die Signalform aber wie ein WLAN aussieht und die Kanalauslastung zeitweise in Richtung 90 Prozent geht? Für eine Lokalisierung benötigt man ein beständiges Signal. Im Beispielprojekt war das Signal nur zeitweise für wenige Sekunden vorhanden. Das Lokalisieren und letztlich das Identifizieren eines Störers war somit nicht möglich. Allerdings muss dem beschriebenen Phänomen nachgegangen werden, weil derartig hohe Kanalbelastungen selbst eine genügsame Telnetsession zum Stottern bringen kann.
Eine Nachmessung im heimischen Büro bringt den Lösungsansatz. Eine Spektrumanalyse parallel zur WLAN-Übertragung einer Datei von 1 GByte Größe liefert ebenfalls die Klassifizierung als WLAN-fremdes Generic-Device. Das Tastverhältnis bleibt während der Dateiübertragung stabil bei 60 Prozent. Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass trotz der gegenteiligen Klassifizierung WLAN-Komponenten selbst die Störungsverursacher sind.
Da benachbarte WLAN-Installationen auf Grund der niedrigen Empfangssignalstärken schon mittels Mapping-Tool als Störungsverursacher ausgeschlossen wurden, muss das Betreiber-WLAN selbst genauer untersucht werden. Zum Einsatz kommt eine Paketanalysesoftware mit einer WLAN-Karte im Promiscuous-Mode.
Das Expertensystem der Paketanalysesoftware Observer von Network Instruments listet Broadcast-Stürme als erstes Problem auf. Die Zeiten für die einzelnen Ereignisse liegen bei maximal drei Sekunden. Die Anzeige »Top Talkers« liefert auf Platz 2 eine Quell-MAC-Adresse, die für ein Viertel des gesamten Netzwerkverkehrs auf der analysierten Luftschnittstelle verantwortlich ist.
Die stichprobenartige Kontrolle der den Broadcast-Stürmen zugeordneten Paketnummern ergibt eben jene MAC-Adresse als Quelle der Broadcast-Stürme. Diese MAC-Adresse gehört im Beispiel nicht zum WLAN. Nach dem Einziehen von Erkundigungen beim Netzwerkverantwortlichen des Betreibers entpuppt sich diese MAC-Adresse als zentrales Router-Interface der Schnittstelle zum WAN/VPN. Zwei Möglichkeiten bleiben nun, um die Broadcaststürme von der Luftschnittstelle fernzuhalten:
Einsatz eines LAN-Routers zur Broadcast-blockierenden Trennung der WLAN-Access-Points von der restlichen LAN-Struktur.
Weitere LAN-Paketanalyse zur Ermittlung der Ursache für die Erzeugung von so vielen Broadcast-Paketen von der betroffen Router-MAC. Eine weitere Analyse an der Luftschnittstelle ist nicht möglich, da durch die eingesetzte dynamische Verschlüsselung keine Informationen oberhalb des MAC-Layers lesbar sind und mit einer einzelnen WLAN-Probe nicht netzwerkweit entschlüsselt werden können.
Die Broadcast-Stürme sind die Ursache für Störungen im WLAN. Der Verursacher ist im LAN zu finden. Dies ist bei WLAN-Fehlern gar nicht so selten. Die Ursache für die ungewöhnlich vielen Broadcast-Pakete liegt vermutlich in einer Fehlfunktion oder -konfiguration im Umfeld des LAN/WAN-Routers.
Zur umfassenden Analyse von WLANs gibt es nicht das eine, für jede Aufgabe gerüstete, Werkzeug. Es gilt, die drei Werkzeuge zur Erstellung von WLAN-Heatmaps, Spektrumanalyse und Paketanalyse systematisch und arbeitsteilig einzusetzen. Das Erkennen von Beziehungen zwischen den Ergebnissen der Tools und das Ableiten von Fehlerursachen erforderen Kompetenzen, die nur bei gut ausgebildeten und erfahrenen WLAN-Spezialisten zu finden sind.
Dipl.-Ing. René Kriedemann,
Geschäftsführer,
2nd wave WLAN Consulting