Von der Uni ins eigene Unternehmen

Bochum, eine vielversprechende Option für Gründer

10. Februar 2025, 14:00 Uhr | Interview: Diana Künstler
© Michael Schwettmann

Bochum bietet mehr als nur IT-Sicherheit – es ist ein perfekter Nährboden für innovative Gründer. Friederike Schneider von CarByte gibt exklusive Einblicke in das Start-up-Ökosystem der Stadt und verrät auch, welche Hausaufgaben diese noch zu erledigen hat.

Friederike Schneider arbeitet seit Oktober 2024 in der Cybersecurity Community bei CarByte. CarByte vereint alle technischen Domänen entlang der Wirkkette der Digitalisierung und schafft ganzheitliche Lösungen in Bereichen wie unter anderem Connected & Autonomous Car, Data Analytics & AI und Cybersecurity. Davor war Schneider ab 2015 am Horst-Görtz-Institut für IT-Sicherheit der Ruhr-Universität tätig und wurde 2021 stellvertretende Geschäftsführerin für den Bereich Transfer und Leiterin des Startup-Programms Cube 5. Zuvor sammelte sie Auslandserfahrung in Australien, China, Namibia und Belgien und war unter anderem beim DRK Generalsekretariat in Berlin als Projektleiterin im Bereich Sicherheitsforschung tätig.

Exzellente Forschung, starke Netzwerke, attraktive Förderungen – warum Cybersecurity-Start-ups in Bochum beste Bedingungen vorfinden, erklärt Friederike Schneider im Interview mit connect professional.

connect professional: Welche spezifischen Standortvorteile bietet Bochum für IT-Unternehmen im Vergleich zu anderen Städten in Deutschland oder sogar international?

Friederike Schneider: Das vorhandene IT-Sicherheitsökosystem ist in Bochum unschlagbar. Wir haben einen Dreiklang aus einem der größten und erfolgreichsten Forschungsinstitute mit dem Horst-Görtz-Institut für IT-Sicherheit1 an der Ruhr-Uni Bochum, vielen innovativen Start Ups und bereits etablierten Unternehmen. Hierdurch hat man für alle Bereiche die geballte Expertise an einem Ort.

connect professional: Diesen Vorteilen zum Trotz ist von Bochum allerdings selten die Rede, wenn es um die besten Tech Hubs in Deutschland geht. Oft werden hier eher Berlin, München oder Karlsruhe genannt2. Was meinen Sie, woran das liegt?

Schneider: Große Metropolen haben es einfacher, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Sie haben branchenübergreifend das Image, Start Up freundlich zu sein. Dass Bochum die Hauptstadt der IT-Sicherheit ist, ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse. Das ist einerseits schade. Andererseits bietet es Neuansiedlungen und Neugründungen den enormen Vorteil, gute und bezahlbare Bedingungen vorzufinden. Die Bochum Wirtschaftsentwicklung rollt dazu einen roten Teppich aus und unterstützt dabei, die vorhandenen Netzwerke zu erschließen. Das findet man an keinem der Top-gerankten Standorte.

connect professional: Bochum als geografische Mitte des Ruhrgebietes: Welche Synergien ergeben sich Ihrer Meinung nach durch diese Lage und die Nähe zu Städten wie zum Beispiel Dortmund, Düsseldorf und Aachen?

Schneider: Die zentrale Lage mitten im Ruhrgebiet bietet zusätzliche Synergien mit den Nachbarstädten beziehungsweise dem ganzen Bundesland. Zehn der 30 DAX Unternehmen und 20 Prozent aller KMU in Deutschland sind in NRW angesiedelt. Mit rund 22 Hochschulen allein im Ruhrgebiet kommt ein unheimliches Potential an Wissen und Humankapital hinzu. Vor allem für IT-Sicherheit, welches ein branchenübergreifendes Querschnittsthema ist, ist das ein enormer Vorteil.

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„In meiner Wahrnehmung ist die Forschung der Nukleus und Ausgangspunkt der Stärke Bochums. Das Horst Görtz Institut für IT-Sicherheit hat mit rund 1.000 Studierenden nicht nur eines der Besten, sondern auch eines der größten Ausbildungsprogramme Europas. Natürlich kann das nicht den Bedarf der Wirtschaft stillen, aber es hilft enorm.“

connect professional: Wie bewerten Sie die Entwicklung von Bochum als IT-Standort in den letzten Jahren und welche Schlüsselereignisse haben Ihrer Meinung nach den größten Einfluss auf diese Entwicklung gehabt?

Schneider: Für mich sind drei Schlüsselereignisse zu nennen:

  1. Die Gewinnung des DFG-Exzellenzclusters CASA3 und die Ansiedlung des Max-Planck-Instituts für Sicherheit und Schutz der Privatsphäre4 stärken enorm die Forschung: Rund 250 zusätzliche – vor allem internationale – Forschende arbeiten in Bochum.
  2. Die Gründung von über 20 erfolgreichen Start Ups aus der Forschung heraus. Diese stärken die Wirtschaft und schaffen Arbeitsplätze.
  3. Der Ausbau der Bosch-Tochter ETAS5 auf MARK 51°76 hat eine große Signalwirkung: Neben neuen Arbeitsplätzen hat dies Bochum bekannter gemacht und zieht weitere Unternehmen an.


connect professional: Welche Rolle spielen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Bochum bei der Förderung von Innovationen und der Ausbildung von IT-Fachkräften?

Schneider: In meiner Wahrnehmung ist die Forschung der Nukleus und Ausgangspunkt der Stärke Bochums. Das Horst Görtz Institut für IT-Sicherheit hat mit rund 1.000 Studierenden nicht nur eines der Besten, sondern auch eines der größten Ausbildungsprogramme Europas. Natürlich kann das nicht den Bedarf der Wirtschaft stillen, aber es hilft enorm. Mit dem eigenen Cybersicherheitsprogramm Cube 57 werden Start Ups, die aus der Forschung heraus entstehen, dezidiert gefördert und die Innovationskraft gehoben. Uns hat das überzeugt, einen Standort zu eröffnen und unsere Aktivitäten auszubauen.

Friederike Schneider, CarByte
Friederike Schneider, Cybersecurity Engineering bei CarByte: „Wir sollten Start Ups noch stärker mit der nationalen Wirtschaft matchen, um nicht nur Know-how, sondern auch potenzielle Kundschaft zu vermitteln.“
© Michael Schwettmann

connect professional: Wie schätzen Sie das Innovationspotenzial der Start-up-Szene in Bochum ein? Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um dieses weiter zu stärken?

Schneider: Lokale Maßnahmen des Cybersicherheit Start Up-Programms Cube 5, der Worldfactory8 oder aber auch das Werk X9 der Bochumer Wirtschaftsentwicklung10 sind aus meiner Sicht super. Doch leider sind vor allem universitäre Aktivitäten meist an externe Drittmittel des Bundes oder Landes gekoppelt und zeitlich begrenzt. Eine Entfristung der Maßnahmen wären aus meiner Sicht gewinnbringend, um nicht nur punktuell unterstützen zu können, sondern sich nachhaltig zu verankern. Ebenso sollten wir Start Ups noch stärker mit der nationalen Wirtschaft matchen, um nicht nur Know-how, sondern auch potenzielle Kundschaft zu vermitteln.

connect professional: Inwiefern beeinflussen lokale Förderprogramme, politische Entscheidungen oder städtische Initiativen Ihre Entscheidung, in Bochum zu investieren oder den Standort weiter auszubauen?

Schneider: Aus Sicht der CarByte GmbH waren die Nähe zur Universität und das vorhandene Ökosystem die größten Faktoren für die Eröffnung eines Büros.  Die Unterstützung vor Ort beispielsweise durch die Bochumer Wirtschaftsentwicklung ist extrem attraktiv. Als Unternehmen hat man das Gefühl, dass ein ernsthaftes Interesse darin besteht, dass man sich ansiedelt und man tatsächlich dabei unterstützt wird. Lokale Initiativen wie beispielsweise die Start Up Garage“ G’8511 von G Data, die jungen Unternehmen wie uns günstig Bürofläche bietet, sind für uns optimal.

connect professional: Wie wichtig sind für Ihr Unternehmen die Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen IT-Unternehmen in Bochum und der Region? Sehen Sie hier noch Ausbaupotenzial?

Schneider: Neben dem Zugang zu Fachkräften ist die Vernetzung ein entscheidender Faktor für unsere Firma. In Bochum ist ein sehr enges, partnerschaftliches und unterstützendes Ökosystem von IT-Sicherheitsplayern entstanden, was für uns potentielle Kooperationen und Kunden aus neuen Branchen bereithält. Wir haben uns sofort gut aufgenommen gefühlt.

connect professional: Wie bewerten Sie die Lebensqualität in Bochum für Fachkräfte im IT-Bereich? Ist die Stadt attraktiv genug, um Top-Talente anzuziehen und zu halten?

Schneider: Absolut. Nach unserer Erfahrung wollen nur die wenigsten der Absolvent*innen, die in Bochum studiert haben, die Stadt verlassen. Wenn die Fachkräfte nicht zu uns kommen wollen, kommen wir zu ihnen. Ich denke, jeder der schon mal in Bochum war, weiß, dass die Klischees von einer grauen „Zechenstadt“ sehr überholt sind. Bochum bietet den perfekten Mix aus Großstadtflair mit Kunst, Kultur, Kneipen, Läden, dem VfL etc. sowie grünen Oasen. Im Vergleich zu den großen Metropolen ist es familiär und bezahlbar.

connect professional: Welche Herausforderungen sehen Sie für Bochum, um sich langfristig als attraktiver IT-Standort zu positionieren?

Schneider: Ich glaube, Bochum ist denselben Herausforderungen ausgesetzt wie der Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt. Ich empfinde es weniger als problematisch als beflügelnd: Wir müssen heute die Weichen dafür stellen, auch künftig wettbewerbsfähig zu sein. Innovation und Bildung sind hierfür die Schlüsselfaktoren. Bochum ist gut aufgestellt, darf sich auf den Lorbeeren aber nicht ausruhen.

connect professional: Welche zukünftigen IT-Trends und -Technologien könnten Bochum besonders beeinflussen oder sogar aus der Stadt heraus gefördert werden? Und wie stellen Sie sich auf diese Entwicklungen ein?

Schneider: Ich glaube, Bochum ist besonders stark in der IT-Sicherheit und der Gesundheitswirtschaft. Gemeinsame Projekte und Kooperationen beider Branchen würden den Standort weiter stärken. Ebenso kommt keiner mehr an KI-Technologien vorbei. Initiativen wie das #ZKIMED12 sind super und sollten ausgebaut werden.

1 https://hgi.rub.de/
2 https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2019/heft/10/beitrag/tech-hub-index-deutsche-staedte-im-vergleich.html
https://casa.rub.de/
https://www.mpi-sp.org/2775/de
https://www.etas.com/ww/de/
https://www.mark51-7.de/
7 https://cube-five.de/
8 https://worldfactory.de/
9 https://www.werk-x.ruhr/
10 https://www.bochum-wirtschaft.de/
11 https://www.gdata.ch/g85-not-a-garage
12 https://www.knappschaft-kliniken.de/bochum/medizinische-zentren/zentrum-fuer-ki-medizininformatik-datenwissenschaften/index.php


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