Branchengeflüster: Geordneter Rückzug
Branchengeflüster: Geordneter Rückzug. Nur ganz wenige Eingeweihte dürften vorher gewusst haben, dass Bill Gates Ende vergangener Woche bekannt gab, sich bis Juli 2008 komplett aus dem Geschäft zurückziehen zu wollen. Noch weniger ? womöglich nicht einmal er selbst ? dürften 1998, als er ...

Branchengeflüster: Geordneter Rückzug
Nur ganz wenige Eingeweihte dürften vorher gewusst haben, dass Bill Gates Ende vergangener Woche bekannt gab, sich bis Juli 2008 komplett aus dem Geschäft zurückziehen zu wollen. Noch weniger ? womöglich nicht einmal er selbst ? dürften 1998, als er den Chefposten an Steve Ballmer abtrat ? auch nur geahnt haben, dass er mit seiner Ankündigung, frühestens in
zehn Jahren seinen Rücktritt in Erwägung zu ziehen, eine Punktlandung hinlegen würde. Dies verleitet fast zu der Vermutung, er wäre schon längst weg, hätte er sich damals nicht verplappert. Doch Spaß beiseite:Wenn ein Mensch wie Gates abtritt (oder dies auch nur für die nächste Zeit verbindlich ankündigt), dann kochen die Emotionen frisch hoch, wird weltweit diskutiert, geschimpft und wie immer im Fall Microsoft auch polemisiert. Zu viel Geld, Einfluss und Macht hat dieser Mensch angesammelt. Doch dass allein würde für die Hasstiraden auf ihn und den Konzern nicht reichen. Es musste noch etwas hinzu kommen, nämlich die weltweite Betroffenheit. Denn während viele
(wenn auch nicht ganz so schwere) Milliardäre vor ihm gekommen und gegangen sind, ohne dass allzu viele Menschen davon Notiz genommen hätten, tritt mit Gates jemand aus einem Konzern zurück, dessen Produkte etwa 95 Prozent der Computernutzer weltweit betreffen.Wir alle kennen die Diskussionen um die umstrittene Firmenpolitik, die weltweit anhängigen Monopolklagen und die böswilligen Anekdoten um den Gründer und seinen Konzern. Welchen Standpunkt man dabei auch immer einnehmen mag, fest steht, Gates hat viele Neider ? aber die hat er sich verdient. Er will seine Prioritäten neu ordnen,sagte er.Das ist das gute Recht des 50-Jährigen und allzu verständlich. Ich habe mich schon lange gefragt,warum er sich das überhaupt noch antut. Es mag etwas mit Leidenschaft zu tun haben. Dann war es kein einfacher Schritt für ihn. Denn dass das Unternehmen nicht mit seinem Abgang sofort kollabiert, das stand bereits länger fest. Zu breit und stabil ist das Fundament, auf dem der Konzern steht. Doch für Ballmer und Konsorten wird die Zukunft nicht einfacher als es die Vergangenheit für Microsoft war. Die von Gates früh postulierten Trends wie etwa Mobility und Konvergenz haben zum Teil andere Unternehmen dann tatsächlich besetzt ? vor Microsoft. Mit Google schoss ein Konkurrent empor, der Microsoft mehr beschäftigen muss, als man das vor kurzem noch für möglich gehalten hätte und Linux erfreut sich auch zunehmender Beliebtheit. Vielleicht steigt Gates wirklich aus, wenn es am schönsten ist. Und was die Neuordnung seiner Prioritäten betrifft, so kann man nur hoffen, dass zumindest nicht alles bloßes Marketing ist und ihm dann (diesmal wohl uneingeschränkt) viel Erfolg wünschen.