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Migration auf mySAP ERP 2005

Das SAP-Tor zur Serviceorientierung

Das SAP-Tor zur Serviceorientierung Bei der Einführung des neuen ERP-Pakets von SAP können sich die Anwender zunächst auf den bloßen Release-Wechsel konzentrieren. Die neuen serviceorientierten Möglichkeiten lassen sich dann in Folgeprojekten ausloten.

Autor:Redaktion connect-professional • 22.7.2007 • ca. 5:35 Min

In den nächsten Jahren wird es von SAP laufend Pakete geben, die den ERP-Kern ergänzen.
In den nächsten Jahren wird es von SAP laufend Pakete geben, die den ERP-Kern ergänzen.
Die Software-Infrastruktur von SAP, enthalten im Paket Netweaver, unterstützt sowohl Java als auch die proprietäre Sprache Abap.
Die Software-Infrastruktur von SAP, enthalten im Paket Netweaver, unterstützt sowohl Java als auch die proprietäre Sprache Abap.

Serviceorientierte Architekturen (SOA) gelten nach allgemeiner Einschätzung als der nächste Evolutionsschritt der Unternehmens-IT. Das mit ihnen verknüpfte Versprechen einer dynamischeren Gestaltung und Anpassung von Geschäftsprozessen adressiert in der Tat einen lang gehegten Wunsch der Anwender. Obgleich sie ihre Basisabläufe mit betriebswirtschaftlicher Standardsoftware abdecken, besteht nämlich für so manche individuellen Prozesse erhebliches Verbesserungspotenzial. Enterprise Service Oriented Architecture nennt der Applikationsriese SAP seinen Weg, das SOA-Konzept umzusetzen. Dabei wird die Einführung von mySAP ERP 2005 vom Hersteller als Einstieg in die SOA-Welt vermarktet.

Update oder Architekturwechsel Dass sich heute viele IT-Abteilungen intensiv mit der Einführung von mySAP ERP 2005 befassen, hat einen konkreten Grund: SAP ließ die allgemeine Wartung für das Software-Produkt R/3 4.6c im Dezember 2006 endgültig auslaufen. Viele Anwender sehen mySAP ERP 2005 in erster Linie als Update, um mit der Release-Politik des Herstellers Schritt zu halten. Vor einer vertiefenden Beschäftigung mit den neuen Möglichkeiten zwecks Umstiegs auf eine SOA schreckt die Mehrzahl der Unternehmen bislang zurück. Es wird auch niemand gezwungen, sich mit den mehr als 300 funktionalen Erweiterungen der neuen Produkt-Generation eingehend zu befassen. Ebenso wenig müssen schon heute Strukturen angepasst werden. Die Unternehmen können sich zunächst auf einen rein technischen Release-Wechsel konzentrieren, der sich mit Upgrades innerhalb von SAP-R/3-Releases vergleichen lässt. Mit anderen Worten: mySAP ERP 2005 führt nicht automatisch dazu, dass die IT-Landschaft eines Unternehmens im Sinn einer SOA umgebaut wird. Andererseits gewinnen die Anwender mit dem neuen Release einen ausreichend langen Planungshorizont, um sich ohne Zeitdruck mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denn der Kern von mySAP ERP 2005 soll bis 2012 oder 2015 weitgehend stabil bleiben, während neue Funktionen vom Hersteller als optionale Erweite­rungspakete zur Verfügung gestellt werden. Diese Strategie unterstreicht den Plattformcharakter von mySAP ERP 2005. Das Zusammenführen der meisten Branchenerweiterungen auf die ERP Central Component 6.0 (ECC 6.0) kommt verstärkend hinzu. Die Idee ist, über Industry Extensions als Bestandteil von mySAP ERP für die meisten Branchen das Gros der Funktionalität zur Verfügung zu stellen, ohne dass ein Add-on installiert werden muss. Industriespezifische Lösungen finden so wieder Anschluss an die normale Release-Fähigkeit. Die Aktivierung der automatisch mit dem Haupt-Release ausgelieferten Industry Extensions erfolgt über das Switch Framework als Bestandteil des Web Application Servers im Infrastrukturpaket Netweaver.

Entwicklungswerkzeuge von SAP Mit der Version 2004s dieses Pakets, das mit der ERP-Software ausgeliefert wird, hat der Walldorfer Hersteller die meisten Plattformkomponenten harmonisiert. Das Master Data Management stellt noch eine Ausnahme dar, weil wegen einer Übernahme die technische Ausgestaltung neu aufgesetzt wurde. Bestandteil der technischen Infrastruktur aller SAP-Anwendungen ist zudem eine Reihe von Entwicklungswerkzeugen. Das so genannte Common Application Framework (CAF) umfasst die erforderlichen Tools für die Entwicklung und Nutzung von zusammengesetzten Anwendungen (Composite Applications, xApps). Das Developer Studio dient der Entwicklung von J2EE-Anwendungen, und der Visual Composer erleichtert das Anlegen von Portal-Inhalten. Diese Werkzeuge wurden jüngst in dem Paket Netweaver Composition Environment (CE) zusammengefasst. CE enthält alles für die Entwicklung von Java- und Web-Services-Anwendungen und umfasst Zugriffsverfahren auf die Enterprise Services der SAP-Software. Mit dieser Entwicklungsumgebung lassen sich auf Basis der vorhandenen Applikationen neue und übergreifende Anwendungen realisieren. Man nutzt hier bestehende Funktionalität aus einer serviceorientierten Perspektive, ohne in den Anwendungskern eingreifen zu müssen.

Zusätzliche Teilprojekte Die Konzentration auf den technischen Release-Wechsel im ersten Schritt hat den Vorteil, technische und anwendungsspezifische Fragestellungen nicht im Rahmen eines Mammutprojektes zu vermischen. Denn auch so fallen bei der Einführung des Applikationspakets mySAP ERP eine Reihe weiterer Teilprojekte an. An erster Stelle betrifft dies die Umstellung auf Unicode, die mitunter ein zuvor durchzuführendes Archivierungsprojekt voraussetzt. Je nach Ausgangslage sollten Firmen im Anschluss eines Release-Wechsels direkt die Unicode-Umstellung starten. Oder – falls die Mehrsprachigkeit zwingend gefordert ist – ein kombiniertes Verfahren für Upgrade und Konvertierung in Angriff nehmen. Letzteres hilft, Zeit und Geld zu sparen, da nicht zwei Projekte zeitversetzt durchgeführt werden müssen. Die Konvertierung eines Non-Unicode-Systems auf Unicode-Zeichensatz gliedert sich in die Abschnitte Anpassung der Abap-Anwendungen und Umstellung der Datenbank. Für beide Teilaufgaben ist es empfehlenswert, zunächst den Bestand zu bereinigen. In gewachsenen Infrastrukturen trifft man häufig auf betagte Abap-Programme, die im Grunde nicht mehr genutzt werden. Eine Umstellung wäre folglich unsinnig. Ähnlich verhält es sich auf der Datenseite. Statt konsequent auszulagern und zu archivieren, haben viele Unternehmen lieber in schnellere Hardware und zusätzliche Speicherplatten investiert. Infolge dessen stehen häufig Datenbankgröße und reale Nutzung durch SAP-Anwendungen in keinem gesunden Verhältnis. Jedes Byte zuviel verlängert den Konvertierungslauf und belastet den Betrieb. Eine Archivierung im Vorfeld hilft deshalb, die Datenbank zu entschlacken. Die eigentliche Migration auf die ERP-Version 2005 läuft in bekannten Bahnen. Im Vorfeld wird aus dem bestehenden Produktivsystem ein Qualitätssicherungssystem erstellt. Auf dem Entwicklungssystem werden die notwendigen Abgleicharbeiten und Updates vollzogen, um nach der Testphase auf dem Qualitätssicherungssystem das neue System für den Transport in die Produktivumgebung bereit zu machen. Wie von früheren Release-Wechseln gewohnt, sollte die Sys­temlandschaft im Schnitt um bis zu zehn Prozent höhere Ressourcen und bei Nutzung von Unicode noch etwas mehr ausgebaut werden. Die Hinweise des Online Service System (OSS) des SAP-Supports liefern durchaus hilfreiche Empfehlungen.

Modernere Infrastruktur Ist der Umstieg erfolgreich abgeschlossen, haben die Anwender vor allen Dingen eines geschafft: Sie haben den ausgereiften Status ihrer SAP-Applikationen auf eine modernere Software-Infrastruktur gebracht. Damit haben sie gute Voraussetzung geschaffen, um den Nutzen der neuen Optionen in weiteren Projekten für die eigene Organisation zu erschließen. Zu den funktionalen Pluspunkten zählt das neue Hauptbuch, das gerade im Zusammenhang der schärfer werdenden Compliance-Regeln einen Fortschritt bedeutet. An die Stelle des bislang gewohnten Flickwerks aus parallelen Buchungskreisen, parallelen Konten, Spezialbüchern für Segmente sowie Abstimmungsbüchern zwischen der Rechnungswesenskomponente und dem Controlling-Baustein rückt das Hauptbuch mit seinem einzigen Zahlenbestand. Diese Vereinheitlichung und Integration unterschiedlicher Managementdimensionen wie IFRS oder US-GAAP auf genau ein Konto schafft Transparenz und spart Zeit. Durch den Wegfall redundanter Daten gehören Inkonsistenzen wegen uneinheitlicher Bewertungen der Vergangenheit an. Weniger redundante Daten bedeuten immer weniger Fehlerquellen, weniger Pflegeaufwand und schlussendlich weniger Ressourcen. Der Umstieg auf das Hauptbuch führt abhängig von der Ausgangssituation und Zielvorstellung eines Unternehmens zu einem unterschiedlich komplexen Projekt. Denn neben dem technischen Upgrade gilt es, konzeptionelle und organisatorische Anpassungen etwa zum Kontenplan, aber auch zu den Geschäftspro­zessen zu beachten. Ähnlich verhält es sich mit der Implementierung eines einheitlichen Master Data Managements (MDM), das für heterogene, an verschiedenen Orten angesiedelte Systeme etwa zur Einkaufsoptimierung eine konsistente, synchronisierte Sicht auf die Stammdaten erstellt. Mit dem 2005er ERP-Paket von SAP und der zuge­hörigen Netweaver-Software wird der Java-Anteil steigen, soweit es um Browser-Oberflächen und Internet-Funktionen geht. Mit Web Dynpro etabliert sich ein neues Programmiermodell für Benutzerschnittstellen, das mit seinem Vorgänger Dynpro (Dynamisches Programm) aus dem alten R/3 nur den Namen gemein hat. Im Unterschied zu bisher folgt Web Dynpro dem aus der Objektorientierung stammenden Model-View-Controller-Pattern, das Präsentation und Verarbeitung trennt. Neben Java unterstützt Web Dynpro mittlerweile auch SAPs Programmiersprache Abap. Dies ermöglicht direkten Zugang auf einen Großteil der betriebswirtschaftlichen SAP-Programme. Im Fall von Java muss der Zwischenschritt über einen Java Connector oder einen Remote Function Call (RFC) eingeschlagen werden.

Mehr Serviceorientierung Die Entkopplung und damit Austauschbarkeit, die mit den Programmierwerkzeugen erleichtert wird, setzt sich für die Bereiche des Workflows und der Integration fort. Dies eröffnet Optionen zur Serviceorientierung. Damit zeichnet sich für SAP-Anwender ein pragmatischer Einstieg in eine SOA-Landschaft ab. Mit mySAP ERP 2005 besitzen Unternehmen außerdem einen stabilen Kern, der den Weg zu interessanten funktionalen Erweiterungen frei macht.

Volker Jaster und Otto-Jörg Schröder sind Bereichsleiter bei der Bielefelder Lynx-Consulting AG.