Zum Inhalt springen

Duell der Fälscher

Langzeittest: VMWare ESX gegen SWSoft Virtuozzo – Zwei grundlegend verschiedene Wege führen zur System-Virtualisierung und zu konsolidierten Servern. Network Computing hat die beiden konkurrierenden Verfahren längerfristig getestet.

Autor:Andreas Stolzenberger • 10.9.2007 • ca. 5:25 Min

Dank der Leistungsfähigkeit heutiger Server müssen sich die Administratoren kleiner als auch großer Unternehmen überlegen, wie und wo sie virtualisierte Server am besten einsetzen können. Einfache Netzwerkapplikationen alleine reizen die Hardware eines Servers schon lange nicht mehr effizient aus. Es liegt also nahe, die Maschine zu virtualisieren und somit für mehrere Dienste parallel nutzbar zu machen. Zwei Virtualisierungspakete setzen dabei an unterschiedlichen Stellen an. Network Computing betreibt VMWare ESX 2.5.3 und Virtuozzo 3.5.1 seit geraumer Zeit in den Real-World Labs Poing.

Die virtuelle Maschine
Der VMWare ESX-Server erzeugt komplette virtuelle PCs und PC-Server, angefangen beim Bios, über Prozessoren bis hin zur Peripherie. Eine virtuelle Maschine bootet ihr eigenes System und arbeitet vollständig getrennt von allen anderen VMs des gleichen Rechners. Auf einem ESX-Server laufen die verschiedensten Betriebssysteme von Linux über Windows und BSD bis hin zu Solaris parallel auf einer Hardware. Das Virtual-Center verwaltet mehrere ESX-Server und deren VMs. Mit SAN-Anbindung lassen sich virtuelle Maschinen zur Laufzeit von einem ESX-Server auf einen anderen verschieben.

VMs arbeiten in der Regel mit virtuellen Platten, welche als Datei innerhalb des ESX-eigenen Clusterdateisystems liegen. Diese Disk-Images lassen sich bei abgeschalteter VM problemlos kopieren, verschieben und damit auch sichern.

Der virtual Private-Server
Virtuozzo setzt auf einen laufenden Windows-2003- oder Linux-Server auf. Es virtualisiert dabei nicht einen kompletten PC, sondern einzelne unabhängige Instanzen des Host-Betriebssystems. Auf dem Host arbeitet daher nur ein Systemkern, welchen sich die einzelnen Systeminstanzen teilen. Ein Windows-2003-Virtuozzo-Server kann daher nur VPS (Virtual-Private- Server) mit einer Windows-2003-Server-Version erstellen. Unter Linux arbeitet das Ganze flexibler. Hier können verschiedene Distributionen wie Debian, Fedora Core, Centos oder Suse parallel existieren, sie alle setzen aber auf einen zugrunde liegenden Kernel auf. VPS setzen keine eigenen virtuellen Disks ein. Ihr Dateisystem existiert als Teil des Root-Dateisystems der Host-Maschine. Backups von VPS lassen sich hier File-basiert durchführen. Über eine reguläre Ethernet-Verbindung kann ein Virtuozzo-Server einen laufenden VPS an einen anderen übertragen.

Verwaltung der Virtuellen
Sowohl VMWare als auch Virtuozzo offerieren eigene Verwaltungsprogramme und ein browserbasiertes Tool. VMWare liefert zudem eine eigene Console-Applikation mit, welche den Zugriff auf VMs ermöglicht. Auf dieses Hilfsmittel verzichtet Virtuozzo und setzt stattdessen auf OS-eigene Konsolen-Tools wie RDP oder SSH. Für beide Systeme gibt es Hilfsmittel, um bestehende physische Server in VMs zu verwandeln. Virtuozzo liefert den Konverter mit, bei VMWare kostet der P2V-Agent extra – und zwar pro Mirgrationsvorgang. Bei Virtuozzo enthält das Web-Interface bereits alle nötigen Funktionen. Die Pro-Konsole stellt die Funktionen ein wenig übersichtlicher dar und kann mehrere Virtuozzo-Server parallel verwalten. Bei VMWare arbeitet das Virtual-Center als Server-Task mit einem Client. Ohne Virtual-Center lassen sich keine VMs zur Laufzeit zwischen physischen Maschinen verschieben.

Wer neu in das Thema Virtualisierung einsteigt, wird sich bei VMWare sehr schnell zurecht finden. Die Tools und Konsolen offerieren viel Übersicht und aufgeräumte, logische Dialoge. Außerdem kennt jeder Administrator das Grundkonzept individueller Maschinen und kann damit umgehen. Auf Feinjustierungen wie Resourcezuweisungen und Grenzwerte lässt sich anfangs verzichten. Auch an die leistungsstarken Kommandozeilentools und Skriptfunktionen kann sich der Verwalter im Laufe der Zeit gewöhnen.

Komplexer stellt sich die Sache bei Virtuozzo dar – zumindest auf den ersten Blick. Die starke Integration der VPS in das Host-System konfrontiert den Administrator sofort mit Detailinformationen. Die Grundkonfiguration einer VPS genügt kaum für den Alltag, weswegen der Systemverwalter schnell mit der Feineinstellung der VPS-Ressourcen zu tun hat. Wer sich gut mit Windows oder Linux auskennt, kommt nach einer ersten Einarbeitungsphase gut mit den Optionen klar. Positiv fällt dann auf, dass der Administrator über die Konsole direkt in VPS-Internas eingreifen kann. So lassen sich von außen Benutzerkonten konfigurieren. Auch auf das Dateisystem eines VPS hat der Verwalter über das Konfigurationsinterface stets Zugriff.

Der Testaufbau
Im Labor Poing arbeiten seit geraumer Zeit zwei Opteron-Server von Tyan mit vier und zwei Single-Core-CPUs als VMWare-ESX-Cluster. Beide Maschinen hängen im SAN. Die Windows-Variante von Virtuozzo arbeitet auf einem Dell-Poweredge-2950. Als System kommt der Windows-2003-Server R2 in der Enterprise-Edition zum Einsatz. Virtuozzo für Linux arbeitet auf einem Thomas-Krenn-Cluster mit zwei Pentium-D-Servern.

Im Lauf der langfristigen Tests arbeiten virtuelle Server mit wechselnden Diensten auf den Plattformen. Dazu zählen Mail- und SQL-Server ebenso wie File- und Applikationsserver.

VPS gegen VM in der Praxis
VMWare stellt sich als sehr flexibles und ausgereiftes System dar. VMs lassen sich nach Belieben erstellen und zwischen ESX-Server und anderen VMWare-Produkten herumschieben. Was in der VM läuft, ist komplett dem Administrator überlassen – solange das Betriebssystem von VMWare unterstützt wird. Auch bei der Wahl der virtuellen Hardware bleibt VMWare flexibel. Der Verwalter kann ISO-Images als CD/DVD-Laufwerke einbinden, mehrere LAN-Adapter konfigurieren und auf verschiedene Arten physische und virtuelle LUNs erzeugen. Anfangs nutzt der Administrator die grafischen Hilfsmittel der VMWare-Konsolen, arbeitet sich mit der Zeit aber immer stärker in die leistungsfähigen Kommandozeilen-Tools ein. Die Performance der einzelnen VMs ist gut und vor allem kontinuierlich. Während eine VM arbeitet, ändert sich die Leistung nur unwesentlich. Dabei lassen sich VMs nur wenig von anderen Maschinen auf demselben Hardware-Node beeinflussen. Kritisch wird es erst dann, wenn den VMs das physische RAM ausgeht und der Hypervisor auf Swapspace der Platte zugreifen muss. Dann kann die Leistung einzelner VMs urplötzlich komplett zusammenbrechen.

Etwas anders verhält sich das bei Virtuozzo. Die VPS integrieren sich sehr stark in das Host-System und lassen sich nur schwer von diesem trennen. Bei der Wahl der Applikationen für VPS kann der Verwalter nicht aus dem Vollen schöpfen. Systemnahe Tools funktionieren nicht oder nur eingeschränkt, speziell wenn diese in das Dateisystem eingreifen möchten. Ein herstellereigenes Tool sichert die Daten der VPS und führt sie dann anderen Backup-Programmen zu. Bei der virtuellen Hardware lässt Virtuozzo noch Wünsche offen. Das System kann weder ISO-Images als CD/DVD-Laufwerke innerhalb von VPS abbilden, noch mehrere LAN-Adapter verwalten. Virtuozzo will diese Funktionen mit einem Service-Pack in Kürze jedoch nachreichen.

Das Power-Panel arbeitet im Test nicht ohne Macken. Immer wieder verliert es die Verbindung zum Virtuozzo-Node. Zudem führt es ohne zu meckern Aufgaben aus, die am Ende nicht funktionieren. So lässt sich im Test eine Windows VPS von einem deutschen Windows-Virtuozzo-Server anstandslos auf einen englischen verschieben, läuft dort aber nicht mehr an.

Da VPS über keine eigene Systeminstanz verfügen, kommen sie mit deutlich weniger Ressourcen als VMs aus. Das betrifft vor allem RAM- und Plattenplatz. Die Performance einzelner VPS ist daher sehr gut. Da sich mehrere Systeme jedoch den Systemkern und seine Basisfunktionen teilen, reagieren einzelne Systeme stärker auf das Verhalten anderer. Die Performance einer VPS bleibt somit nicht so konstant wie bei einer VM.

Fazit
Virtuozzo eignet sich für Unternehmen, die homogene Server mit einer vorgegebenen Systemversion betreiben. Die Software kann viele kleine Server mit einzelnen Diensten auf einer Hardwareplattform vereinen. Dabei nutzt Virtuozzo die physischen Ressourcen sehr gut aus und kann auch auf mittelmäßig bestückten Servern sehr viele VPS verwalten. Windows-Anwendern kommt entgegen, dass ein Virtuozzo-Windows-Server nur eine einzige Windows-2003-Server-Lizenz benötigt, auch wenn auf der Maschine Dutzende VPS arbeiten. Das macht Virtuozzo vor allem für kleine und mittelgroße Unternehmen interessant, die mit der Virtualisierung nicht nur Hardware-, sondern auch Softwarekosten einsparen.

VMWare hingegen bietet viel mehr Flexibilität bei der Konfiguration der VMs und eignet sich daher für heterogene Netzwerke. VMWare braucht deutlich mehr Systemressourcen wie Platten- und RAM-Platz für virtualisierte Systeme. ESX-Cluster fordern zudem ein SAN. Die Flexibilität zahlt der Administrator mit höheren Hard- und auch Softwarekosten, da anders als bei SWSoft jede Windows-VM eine eigene Lizenz erfordert.
ast@networkcomputing.de