Eingeschnappt
Eingeschnappt. Was nichts kostet, taugt auch nichts, so eine alte Volksweisheit. Angesichts der allgemein vorherrschenden Konsumstimmung weicht sie jedoch allmählich auf.
Eingeschnappt
Die Schweizer, für ihre Innovationen bekannt ? es seien nur Hustenbonbons und Schümli-Pflümli erwähnt ? gehen jedoch nun den anderen Weg. Zumindest, wenn es nach ihrem Bundesrat Christoph Blocher geht. Die Schweiz hat nämlich ein Problem, und das heißt Swisscom. Der TK-Konzern soll privatisiert werden ? wie das jedoch erreicht werden soll, darüber streiten sich die Tell-Nachfahren noch. Der für ungewöhnliche Ideen bekannte Bundesrat Blocher meint nun jedoch des Apfels Kern gefunden zu haben: Als Kompensation für jahrelanges, zu teures Telefonieren, solle jeder Schweizer 3,3 Aktien im derzeitigen Wert von rund 1.300 Franken erhalten. Damit wäre dann insgesamt die Hälfte der Aktien des Bundes unters Volk gebracht. Markus Rauh, Verwaltungspräsident der Swisscom, nahm die Idee nach Zeitungsberichten zurückhaltend auf: Wieder mal ein Beweis, dass sich die Wirtschaftskapitäne nicht vom Volk in die Karten schauen lassen wollen ? und schon gar nicht vom ganzen Volk. Wo käme die Schweiz auch hin, wenn jeder Milka-Milch-Lieferant aus seiner Sennerhütte mit Matterhorn-Blick den Aktienkurs eines expandierenden Telekommunikationsunternehmens mitbestimmt? Und wenn die Hauptversammlung auf einmal zur Volksversammlung verkommt?
Dann wird aus der edlen Swisscom womöglich noch so etwas Gewöhnliches und Alltägliches wie unsere T-Com. Zwar konnte sich die deutsche Regierung damals nicht zum Schenken durchringen, aber immerhin wurden die Telekom-Aktien dem Volk zu einem echten Schnäppchenpreis abgegeben. Wobei Schnäppchen diesmal wörtlich zu nehmen ist ? wer eine abbekam, für den schnappte die Falle zu. So wird denn nun, Jahre später noch in einschlägigen Fachblättern, etwa der Frauenzeitschrift Brigitte, heftig diskutiert, was mit den Telekom-Aktien zu tun sei. Verkaufen, verbrennen, Toilette tapezieren oder doch einrahmen und ins Gartenhäuschen hängen? Helma Sick, Brigitte-Finanzexpertin, weiß was Besseres: Sie würde die Telekom-Aktien behalten. Nach dem Managementwechsel sei das Unternehmen auf einem guten Weg beim Schuldenabbau. »Den alten Höchstkurs wird die Aktie wohl nicht mehr erreichen. Wenn Sie die Aktie aber nicht verkaufen, sondern behalten, können Sie den Verlust verringern und eine interessante Dividende einstreichen«, so das Fazit. Das beruhigt sicherlich die meisten Leserinnen: So hat denn auch diese Generation, indem sie ihr Sparschwein schlachtete und Aktien kaufte, ihren Anteil zum Aufbau dieses Landes beigetragen. Wie einst die Trümmerfrauen, ewiger Dank und ehrendes Angedenken ist ihnen sicher.
Ungerecht nur, dass die Schweizer Frauen auch in dieser Generation wieder einmal besser wegkommen: Sie dürfen ihr Sparschwein behalten und können sich schicke Pelzmützen kaufen. Deutsche Frauen werden in den Skigebieten dagegen noch lange an ihren selbst gestrickten, magentafarbenen Pudelmützen zu erkennen sein.