Entsetzlich: Schlaraffenland ist abgebrannt
In Deutschlands Kinderzimmern herrscht die blanke Unverantwortung. Da fahren unsere Kleinsten sorglos mit Lokomotiven, spielen lustig Kaufmannsladen und geben sich als fröhliche Bauern zwanglos der Feld- und Viehwirtschaft hin.
Die etwas Größeren zerlegen den Computer oder formatieren Pappis Festplatte, weil man nie früh genug anfangen kann, sich für die Zukunft in einer krisensicheren IT-Branche zu rüsten. Zukunft? Krisensicher?
Schlaue Eltern haben längst erkannt, dass diesem fahrlässigen, romantischen Treiben in Kinderzimmern von Anfang an Einhalt geboten werden muss. Schon den Kleinsten müssen die Tränen kommen, wenn ihnen, pädagogisch geschickt, die Lohnabrechnung eines Lokführers vor Augen geführt wird. Einmal den Margenverfall im Einzelhandel dramatisch aufgeführt – und die Kleinsten werfen den Kaufmannsladen schleunigst aus dem Fenster. Und wer statt Grimms-Märchen, jene von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner über diesen traurigen Berufsstand hernimmt, sorgt ebenfalls für das richtige Entsetzen bei unseren Kleinsten. Prävention statt sorgloser Aktion: Die richtige Berufswahl fängt im Kinderzimmer an!
Wie es im Kinderzimmer von Michael Müller zugeht, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass sich Wirtschaftssenatoren beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft bei der Erziehung ihrer Kleinsten in erster Linie von ökonomisch vorausschauenden Lehren inspirieren lassen.
Unternehmer Kasperl verprügelt das als rotes Gewerkschafts-Sozi daherkommende Krokodil und der gute alte Polizist darf in der Rolle eines Berliner Wirtschaftslobbyisten die Moral von der Geschicht’ vortragen: »Wer in der heutigen Zeit noch wirklichkeitsfremden Arbeitszeiten nachhängt, riskiert, dass viele Mitarbeiter 100 Prozent Freizeit haben – abgesehen von den obligatorischen Gängen zum Arbeitsamt«. Anschließend folgen didaktisch aufbereitete Lesestücke für Vorschulkinder zum Thema Outsourcing und Betriebsübergang (»Wer Sümpfe trocken legt, fragt nicht die Frösche«) und »Hans ist seines Glückes eigener Schmied«, eine kinderleichte Abhandlung in leicht verständlichen Worten zur aktuellen Unternehmerstrategie Kosten sozialisieren – Gewinne privatisieren.