EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte: Return to Sender. Ab dem kommenden Jahr sind Hersteller, Importeure, Eigenmarken-Anbieter und Assemblierer für die Rücknahme und Entsorgung ihrer Produkte verantwortlich. Mit der Umsetzung der »Elektroschrott«-Verordnung kommen aber auch auf den Handel und die Kommunen neue Herausforderungen und Kosten zu.
Weltweit sind allein über eine Milliarde PCs im Einsatz, und jedes Jahr werden 130 Millionen neue verkauft. Bis zum Jahr 2007 werden allein eine halbe Milliarde Rechner wieder ausgemustert, schätzen Umweltorganisationen. Und das ist nur die Spitze des Schrottberges, denn bei Privatnutzern stapeln sich immer mehr ausgediente Drucker, Monitore oder Fernseher in Kellern und auf Dachböden.
Noch längst nicht alle Hersteller bieten, wie Apple, die Möglichkeit, Altgeräte kostenlos über eine Recycling-Gesellschaft zu entsorgen. Kunden und Händler des IT-Herstellers müssen lediglich die Transportkosten übernehmen. Entsorgt werden die Apple-Produkte dann kostenlos bei Recycle-IT in Eppishausen. Hersteller Fujitsu Siemens unterhält sogar ein eigenes Recyclingwerk in Paderborn.
Eine Verpflichtung, ausgediente Geräte zurückzunehmen, war für die Hersteller bisher kein Thema. Das wird sich ab dem kommenden Jahr ändern. Denn am 13. August 2005 tritt die EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (Waste Electrical and Electronical Equipment WEEE) in Kraft. Ab diesem Stichtag ist jeder »Inverkehrbringer« nicht nur für die umweltgerechte Entsorgung seiner eigenen Produkte verantwortlich, sondern muss sich auch an der Entsorgung von historischen Altgeräten beteiligen. Nachdem die Industrie vor allem gegen die zweite Verpflichtung Sturm lief, sieht der Gesetzesentwurf zur Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten (ElektroG) des Bundesumweltministeriums (BMU) eine Teilung der Verantwortung: Danach sollen die kommunalen Sammelstellen auch die Sammlung und Erfassung der Altgeräte organisieren und finanzieren. Die Hersteller müssen den Schrott an den Wertstoffhöfen abholen und die Sortierung, Demontage und das Recycling übernehmen. Dafür können sie eigene Rücknahmesysteme aufbauen oder sich an einem kollektiven System beteiligen. Diese Regelung stößt bei den finanzschwachen Kommunen auf Widerstand, weil sie den organisatorischen Aufwand und Mehrkosten fürchten.
Um die Altgeräte-Last gerecht zu verteilen, haben rund 120 Hersteller und Importeure von Elektrogeräten das »Elektro-Altgeräte-Register« (EAR) gegründet. Bei dieser zentralen Clearing-Stelle müssen die Unternehmen künftig melden, wie viele Geräte sie jährlich ausliefern. Daraus ermittelt das EAR den Marktanteil und weist ihnen die Altgeräte zu, die sie von den Sammelstellen abholen und entsorgen müssen. Damit soll auch sichergestellt werden, dass so genannte Waisengeräte von Marken, die es nicht mehr gibt, zurückgenommen werden und auch Newcomer mit hohem Marktanteil, wie Samsung, ihren Teil an den Altgeräten zurücknehmen. Neben der kollektiven Verantwortung für die Altgeräte, ist jeder Hersteller für die Entsorgung seiner eigenen Geräte zuständig, die er nach dem 13.08.05 in der EU auf den Markt bringt. »Auf die ITK- und UE-Hersteller kommt eine doppelte Kostenbelastung zu«, erklärt Mario Tobias, Bereichsleiter Umwelt und Nachhaltigkeit beim Branchenverband Bitkom. »Sie müssen nicht nur die Geräte entsorgen, die vor zehn Jahren verkauft wurden, sondern auch finanzielle Rücklagen bilden, für die Produkte, die sie neu verkaufen und die in zehn Jahren ausgemustert werden.« Branchenkenner rechnen damit, dass allein in Deutschland 1,1 Millionen Tonnen Altgeräte pro Jahr anfallen, davon rund 125.000 Tonnen ITK-Geräte. »Das bedeutet allein für die ITK-Branche jährliche Kosten von rund 100 Millionen Euro«, rechnet Tobias. Ein Riesenproblem für die Branche, die seit Jahren unter hohem Preisdruck und Margenverfall leide: »Die Margen sind so gering, dass die Hersteller in vielen Segmenten diese Kosten nicht einfach auf den Verkaufspreis umlegen können.«
Der Bundesverband Technik im Einzelhandel (BVT) und Handelsorganisationen, wie Aera, Akcent Computerpartner, Conrad Electronic, Electronic Partner, Expert, Media Saturn, PC Spezialist oder R.I.C., kritisieren, dass die Gesetzesvorlage den Einzelhandel belaste. Denn Händler sind zwar nicht verpflichtet, ausgemusterte Geräte anzunehmen, können diesen Service aber zur Kundenbindung anbieten. Wenn sie die Geräte aber bei ihrer kommunalen Sammelstelle abgeben wollen, könnten sie auf Probleme stoßen. Hier mute, so der BVT, der Gesetzgeber den Einzelhändlern zu, Anlieferungen von mehr als 20 Geräten im Vorfeld mit den kommunalen Sammelstellen abzustimmen. Besonders praxisfremd sei zudem die geforderte Nachweispflicht, dass die angelieferten Geräte tatsächlich von Verbrauchern stammen, die in der Kommune gemeldet sind, monierte der Verband. Klärungsbedarf sieht der BVT auch bei der so genannten Kleinbetrieberegelung. Denn nach der Gesetzesvorlage werden auch Händler, die Produkte direkt aus dem Ausland importieren oder Computer zusammenschrauben, in die Pflicht genommen. Das Gesetz betreffe aber auch Distributoren, Verbundgruppen und Eigenmarken-Anbieter, darunter auch Discounter und Handelsketten wie Aldi oder Tchibo, erklärt Tobias.
Für die Entsorgung oder Recycling müssen die Hersteller dann entweder Recyclingunternehmen beauftragen oder das gemeinsam organisieren. Viele Unternehmen bereiten sich schon auf die neuen Anforderungen vor. So baut Panasonic bereits ein Team für das künftige Rücknahmesystem auf und hat mit Thomson und JVC die »Europäische Recycling-Initiative« gegründet, die auch weiteren Interessenten offen steht. Eine Reihe von Unternehmen habe bereits Interesse gezeigt, freut sich Wilfried Oppermann, Manager European Environmental Affairs bei Panasonic. Mit einigen sei man bereits im Gespräch. Panasonic hat laut Oppermann bereits Erfahrungen mit einem Rücknahmesystem für Retouren und Produkte mit dem blauen Engel. Außerdem sei der Mutterkonzern Matsushita vor drei Jahren auch federführend bei der Entwicklung eines Rücknahmesystems auf dem japanischen Heimatmarkt gewesen. Diese Erfahrungen werde Panasonic jetzt auch in Europa umsetzen.
Für die umweltgerechte Entsorgung der Altgeräte werden die meisten Hersteller künftig wohl die Dienste von Recyclingunternehmen in Anspruch nehmen. Etablierte Anbieter, wie die Vereinigung für Wertstoffrecycling (VFW) und Intersero aus Köln oder die Mainzer Landbell AG, die bereits im Retourengeschäft tätig sind, stehen dafür schon in den Startlöchern. Viele Geräte müssen aber noch gar nicht auf den Schrottplatz, sondern können aufbereitet oder in noch verwertbare Einzelteile zerlegt werden. Auch für diese Geschäftsfelder hat sich bereits eine Reihe von Unternehmen etabliert. Eines davon ist die Europa Trading & Recycling Services GmbH. Das Solinger Unternehmen kauft seit rund 15 Jahren ausgemusterte, aber noch funktionsfähige Elektronikgeräte, beispielsweise Telefone von Belgacom, British Telecom oder Swisscom, aber auch IT- und Elektrogeräte des koreanischen Herstellers LG auf. Neben retourierter Ware und Produkten aus Mietverträgen gehören dazu auch Eigenbedarf der Unternehmen, etwa die ausgemusterten PCs, die Belgacom im Unternehmen eingesetzt hatte. »Wir holen die Geräte ab, sortieren sie und arbeiten sie auf oder zerlegen sie in verwertbare Einzelteile«, erläutert Geschäftsführer Jörg Wupper. Die Abnehmer sitzen in über 40 Entwicklungs- und Schwellenländern von Osteuropa über Afrika bis Lateinamerika. Was nicht mehr funktionsfähig ist, wird in Solingen aussortiert und in Einzelteile zerlegt, denn »auch für Komponenten oder Rohstoffe gibt es einen Markt«, meint Wupper. Auch bei Europa Trading blieben am Ende nicht mehr verwertbare Reste übrig, die von zertifizierten Recyclern, wie Scalabrin in Solingen, entsorgt werden. Auch Wupper erhofft sich von der EU-Verordnung Wachstumschancen für sein Geschäft: »Viele Hersteller sind sich des Problems noch gar nicht bewusst, weil sie sich noch nie mit der Entsorgung von Altgeräten herumschlagen mussten. Das ist etwas völlig anderes als Retouren oder Garantiefälle«.
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Bitkom e.V.
www.bitkom.de
Bundesverband Technik des Einzelhandels e.V.
www.bvt-ev.de
Europa Trading & Recycling Services GmbH
www.europatrading.de
Panasonic Deutschland GmbH
www.panasonic.de