Fernausbildung im Visier
Fernausbildung im Visier. Die Bundeswehr setzt auf digitale Lehr- und Lernangebote. Über das Konzept der Fernausbildung und die Übertragbarkeit auf andere Bildungsbereiche sprach Staat & IT Redakteurin Henriette Struss mit Manuel Schulz, Leiter der Projektgruppe Fernausbildung an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Fernausbildung im Visier
Ist E-Learning und Fernausbildung das gleiche?
Nein, wir verstehen unter Fernausbildung nicht, dass Menschen alleine am PC lernen und das oft noch unter schwierigen Rahmenbedingungen, so wie es beim klassischen E-Learning seit etwa zehn Jahren gemacht wird. Wir schaffen ein Ausbildungsszenario mit festen Ausbildungszeiten, Seminarraum und Teilnehmern und übertragen die Klassensituation auf den virtuellen Raum. In diesem sollen dann gemeinsam Arbeitsaufgaben gelöst werden. Unser Konzept beruht auf einem kooperativen Lernszenario ohne steile Hierarchie. Die Lernenden treten alle als Experten zur Wissenserschließung in unterschiedlichen Fachgebieten an. Die Fernausbildung ist bei uns kein Programm zur Reduzierung des Bildungspersonals. Auch eine Auswahl der Mitarbeiter über die Fernausbildung ? wie man sie teils in der Industrie sieht ? findet nicht statt.
Aber Sie wollen durch ihr Fernausbildungskonzept Kosten sparen.
Ja, auch wir müssen sparen. Grundsätzlich reduzieren sich vor allem die Abwesenheitszeiten vom Arbeitsplatz. Das ist wichtig, da viele unserer Mitarbeiter in Auslandseinsätzen gebunden sind. Außerdem sparen wir Unterkunftskosten, allerdings nicht unbedingt Reisekosten, denn zu Präsenzveranstaltungen und Prüfungen muss der Mitarbeiter weiter erscheinen. Mit der Fernausbildung lässt sich die Effizienz der Weiterbildung steigern. Lerninhalte lassen sich individuell auf reale Situationen und auf den tatsächlichen Ausbildungsbedarf abstimmen. Auch können die Teilnehmer Gelerntes gleich umsetzen. Zudem bleibt nach jedem Lehrgang das virtuelle Forum erhalten, und die Teilnehmer können sich über ihre Anwendungserfahrungen weiter austauschen.
Benötigen Lehrkräfte speziell für die Fernausbildung Schulungen?
Ja, die Ausbildung der so genannten Teletutoren, dauert etwa drei Monate. Zurzeit richten wir uns damit an erfahrene Ausbilder, aber auch an Entscheider und Multiplikatoren. Die Ausbildung beginnt mit einem zweitägigen Kick-Off und beinhaltet jeweils zwei mal eine Woche Präsenzzeit. Der Rest findet im virtuellen Klassenraum statt, ergänzt durch Zeiten moderierten Selbstlernens. Der Aufbau der Ausbildung entspricht den Fernausbildungslehrgängen, die die Teletutoren später unterrichten sollen.
Auf welche Technik setzt die Bundeswehr dabei?
Derzeit nutzen wir ein Fernausbildungsportal im Intranet. Doch wir werden gemeinsam mit der Industrie das vorhandene Lernmanagementsystem zu einem integrierten Ausbildungsmanagementsystem weiterentwickeln. Wir legen dabei den Fokus auf gemeinsame synchrone Arbeitsund Kommunikationsmöglichkeiten.
Wie muss der Lernende ausgerüstet sein?
Der Auszubildende sollte über einen Standard-PC mit gängigem Betriebssystem wie Windows 2000 oder XP und Mikrofon sowie Kopfhörer verfügen. Eine schnelle Internetanbindung über ISDN oder besser DSL ist erforderlich. Am Anfang eines jeden Kurses wird der Lernbedarf jedes einzelnen Teilnehmers im Rahmen einer Handlungssimulation auch bezüglich seiner technischen Kompetenzen festgestellt. Die Auszubildenden erhalten während des Lehrgangs Hilfestellung um den Umgang mit der modernen Ausbildungstechnologie zu erlernen.
Will die Bundeswehr die Fernausbildung noch ausweiten?
Ja, wir schaffen derzeit die technischen Vorraussetzungen zur Anwendung des Fernausbildungskonzepts in ausgewählten Lehrgängen und entwickeln diese dafür weiter.
Die Methode soll sich auch für andere Lerninhalte und Behörden eignen, welche Teile sind übertragbar?
Übertragen lässt sich der Gedanke der kooperativen Lernwelt und der gemeinsamen Wissenserschließung. Aber für andere Fachgebiete müssen neue Lehrgänge aufgebaut werden, dabei muss immer wieder geklärt werden: Vor welchen Aufgaben und Problemen stehen die Lernenden? Derzeit stehen wir mit anderen Bundes- und Landesministerien und der Industrie in regem Austausch und konzipieren zukünftige gemeinsame Projekte. _
Manuel Schulz ist Leiter der Projektgruppe Fernausbildung an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg