Gegenwind für Abmahnprofis
Zunehmend gehen deutsche Gerichte dazu über, Abmahnungen von besonders klagefreudigen Unternehmen kritisch zu betrachten – so auch im Fall der e-tail GmbH. Zudem könnte eine Tendenz zur Herabsetzung des Streitwerts das Geschäft mit Abmahnungen unlukrativ machen.
Auf den ersten Blick handelt es sich um einen Fall wie viele: Ein nebenbei als Ebay-Verkäufer tätiger Schmuckhändler hatte in seinen Produktbeschreibungen eine unzutreffende Widerrufsbelehrung verwendet. Bestraft wurde der Fehler prompt mit einer Abmahnung, deren Streitwert vom Antragsteller auf 15.000 Euro angesetzt wurde. Anders als so oft war dieses Mal das mit der Sache beschäftigte Landgericht Düsseldorf allerdings nicht dazu bereit, dem Abmahner ohne weiteres zu folgen: Der Streitwert wurde zunächst auf 10.000 Euro reduziert und in der Berufungsverhandlung sogar »auf bis zu 900 Euro« herabgesetzt (OLG Düsseldorf vom 5. Juli 2007, AZ I-20 W 15/07).
Was auf den ersten Blick nach einer juristischen Formalie aussieht, hat in der Praxis handfeste Folgen: Während für den Abgemahnten bei einem Streitwert von 15.000 Euro Rechtsanwaltskosten in Höhe von mehr als 750 Euro fällig werden, schrumpft der Gebührenanspruch des Abmahnanwalts bei der Herabsetzung des Streitwerts auf rund 100 Euro zusammen. Sollte sich die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf durchsetzen, würden Abmahnungen für Anwälte deutlich unlukrativer werden. Die Folge: Abmahnungen würden sich auf gravierende Wettbewerbsverstöße beschränken, das Geschäft mit Massenabmahnungen dagegen zum Erliegen kommen.
Dass deutsche Gerichte Vielfach- Abmahner zunehmend kritischer sehen, bekommt in diesen Tagen auch die e-tail GmbH zu spüren. Das zur BUG AG gehörende Unternehmen – Muttergesellschaft des Etailers Norsk-IT – belegte Ende April im Ranking der häufigsten Abmahner, das der Zertifizierungsdienst für Onlineshops Trusted Shops durchgeführt hatte, den dritten Platz. Zuletzt hatten aber die Landgerichte Paderborn (Urteil vom 3. April 2007, AZ 7 0 20/07) und Hildesheim (Beschluss vom 10. Mai 2007, AZ 11 O 17/07) das Vorgehen der e-tail GmbH als rechtsmissbräuchlich eingestuft. Diese Einschätzung teilte nun das Oberlandesgericht Hamm in der Berufungsverhandlung zum Urteil des Landgerichts Paderborn. Ausschlaggebend war dabei die Praxis des Unternehmens, auch ohne Hilfe von Anwälten in eigenem Namen Abmahnungen auszusprechen und diese mit einer »Unkostenpauschale« von 200 Euro zu verknüpfen. »Entscheidend ist, dass das vor dem Landgericht Paderborn erstrittene Urteil für sich genommen bestätigt wurde und die e-tail GmbH damit den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit gegen sich gelten lassen muss«, so die mit der Verteidigung betraute Anwaltskanzlei Hagen Hild in einer Stellungnahme.
Den jüngsten Entwicklungen zum Trotz ist es allerdings noch zu früh, um in Sachen Abmahnungen Entwarnung zu geben. So warnt die Münchner IT-Recht- Kanzlei derzeit erneut vor Abmahnungen der e-tail GmbH gegen Ebay-Händler. Dabei geht es dieses Mal um die so genannte Gewährleistungsklausel: Der von vielen Ebay-Verkäufern verwendete Satz »Gegenüber Verbrauchern beträgt die Gewährleistung bei gebrauchten Artikeln zwölf Monate« ist in dieser Form unzutreffend und kann abgemahnt werden. Allen Veränderungen zum Trotz heißt es somit für Online-Händler weiterhin: Vorsicht ist das erste Gebot.