Haitec kommt nicht zur Ruhe

18. November 2004, 0:00 Uhr | Martin Fryba

Haitec kommt nicht zur Ruhe. Bei der Haitec AG drohen zwei Bomben gleichzeitig zu platzen. Neben einer saftige Abfindungsklage des geschassten CEOs Christian Ruppert, wirft die Staatsanwaltschaft Augsburg dem umstrittenen Neuen, Jochen Furch, Insiderhandel vor. Mit einer Anklage ist zu rechnen. Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, denn eigentlich hat die finanziell angeschlagene Firma gerade den Abschluss der Restrukturierung vermeldet.

Haitec kommt nicht zur Ruhe

Um den IT-Dienstleister Haitec AG steht es seit Jahren nicht gut. Eine Wende ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Die Firma droht finanziell zu erodieren, und zu allem Überfluss hat der Aufsichtsrat eine möglicherweise fatale Entscheidung getroffen, den Ex-CEO der Skandal geschüttelten CPU Softwarehouse AG Jochen Furch in den Vorstand zu holen.

»Liquiditätslage und Eigenkapitalquote bleiben angespannt und knapp bemessen«, teilte Haitec letzte Woche mit. Daran ändern auch die jüngst durchgeführten Kapitalerhöhungen nichts, die der Firma zufolge 3,5 Millionen Euro in die klamme Firmenkasse gespült haben. Denn mit einer schnellen Rückkehr in die Gewinnzone des seit Jahren mit Verlusten operierenden IT-Dienstleisters ist nicht zu rechnen. Die nun auf den Weg gebrachte Verschmelzung zahlreicher Töchter soll zwar zu einer Kosteneinsparung in Höhe von zwei Millionen jährlich führen, aber auch hier ist mit schnellen Erfolgen nicht zu rechnen.

Zudem dürfte das Vertrauen der Mitarbeiter in das Haitec-Management weiter geschwunden sein. Nach wie vor baut die Firma Personal ab, belastend wirkt sich auch die umstrittene Berufung des vom Skandal um die Augsburger CPU AG angeschlagenen Jochen Furch zum Vorstandsvorsitzenden bei der Haitec AG aus. Die Hintergründe der fristlosen Entlassung des Ex-Vorstands-Chefs Christian Ruppert werden wohl erst vor Gericht geklärt werden. Furch droht jetzt auch eine Verurteilung wegen verbotenen Insiderhandels aus dem Jahr 2000.

Aufgeräumt

Zumindest auf dem Papier hat Furch, seit Juli neuer CEO, die Restrukturierung der Haitec AG abgeschlossen. So wird noch in diesem Jahr die rechtliche Verschmelzung der GmbHs Haitec Business IT Solution in Frankfurt/Main und die Haitec Consulting & Support in Übersee/Chiemsee auf die Haitec Systemintegration GmbH erfolgen. In dieser Gesellschaft wird das Geschäft mit Server, Storage und Security gebündelt.

Der zweiten Einheit, Haitec Product Lifecycle Management GmbH, werden die Töchter Haitec Technology Center sowie die österreichischen Gesellschaften in Linz und Salzburg zugeschlagen. Hier sind der Vertrieb, Technologieentwicklung sowie Schulungen angesiedelt, während sich die dritte Einheit Haitec Software Solutions GmbH um Softwareentwicklung und Applikationen für IBMs Konstruktionssoftware Catia kümmert. Von der Tochter Haitec Service GmbH in München trennt sich die Holding. Sie soll noch in diesem Monat an das dortige Management verkauft werden.

Damit aber noch nicht genug: Furch wird die Niederlassung in Essen sowie zwei der drei Filialen in Übersee/Chiemsee in Kürze schließen und weitere Entlassungen aussprechen. Seit Jahresbeginn mussten fast 50 Mitarbeiter gehen, weitere fünf wird es noch in diesem Jahr erwischen. Mit rund 80 Beschäftigten plant Furch einen Jahresumsatz (1. Oktober 2004 bis 30. September 2005) von zirka 15 Millionen Euro und einem operativen Gewinn von knapp über eine Million Euro. Auf einen positiven Überschuss werden die Aktionäre aber wohl noch eine Weile warten müssen.

Abfindungsklage

Hoffnung schöpft Furch derweil aus der mit der Airbustochter Cimpa beschlossenen Zusammenarbeit. Beide Firmen wollen im Vertrieb sowie der Planung und Beratung bei PLM-Projekten gemeinsame Sache machen. Die Kooperation bedeute einen »höheren Investitionsschutz für Kunden und Vertrauenszuwachs der Mitarbeiter in das eigene Unternehmen«, spekuliert Furch. Allerdings könnten sich diesbezügliche Hoffnungen schnell erledigt haben. Denn nach wie vor ungeklärt sind die Umstände, unter denen Ex-CEO Christian Ruppert sein Amt »mit sofortiger Wirkung« verloren hat. Furch schweigt bislang zu den nebulösen Umständen. Möglicherweise auch deswegen, weil Furchs Beraterstab keine Anhaltspunkte für die Ruppert vorgeworfenen »Unregelmäßigkeiten«, so die offizielle Sprachregelung, gefunden hatte.

Ruppert seinerseits wehrt sich juristisch gegen seine fristlose Entlassung. Wie CRN aus zuverlässigen Kreisen erfuhr, will er eine Abfindungsklage anstrengen. Ruppert habe höchstes Interesse daran, dass die ihm zur Last gelegten Anschuldigungen vor Gericht aufgerollt und ausgeräumt werden: »Es geht um seine Reputation«, sagte ein Firmenkenner. Sollte es tatsächlich zu einer Klage kommen, könnte das für Haitec doppelt bitter ausgehen. Denn es geht um viel Geld: genannt werden 500.000 Euro, was gut möglich ist, da Ruppert kurz vor seinem überraschenden Rauswurf seinen Vertrag um vier weitere Jahre verlängert hatte.

Insiderhandel: neun Millionen D-Mark

Juristisch gerät Furch aber auch in einer anderen Angelegenheit unter Druck, die ihm persönlich das Kreuz brechen könnte. Der damalige Vorstandschef der Augsburger CPU Softwarehouse AG Furch meldete im Februar 2000 den größten Einzelauftrag der Firmengeschichte und den Durchbruch im operativen Lizenzgeschäft. Bei bis zu 100 Finanzinstituten werde man Software und Services im Wert von mehreren Millionen D-Mark erbringen, hieß es damals. Allerdings wurde der Vertrag bereits im Juli wegen Nichterfüllung gekündigt, CPU musste eine Vertragsstrafe von 3,1 Millionen D-Mark zahlen. Pikant: In der Zwischenzeit verkaufte Furch Aktien aus dem Depot seiner Frau in Höhe von über neun Millionen Mark. Drei Wochen nach dem Verkauf, am 31. Mai 2000, legte Furch »aus familiären und gesundheitlichen Gründen« sein Amt bei CPU nieder. Er »bleibt dem Unternehmen als einer der maßgeblichen Aktionäre verbunden«, hieß es damals in einer Ad-hoc-Meldung.

Nach jahrelangen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Augsburg nun eine Anklage gegen Jochen Furch erhoben. Kern der Vorwürfe, die CRN im Wortlaut vorliegen: Furch sei zum Zeitpunkt des Verkaufs bekannt gewesen, »dass es erhebliche Probleme im Rahmen der Vertragsabwicklung gab, weil die Fa. CPU den Vertrag nicht, insbesondere nicht zeitgerecht erfüllen konnte«. Diese Umstände sollen Furch, aber nicht der interessierten Öffentlichkeit bekannt gewesen sein. Über eine Anklageeröffnung entscheidet in Kürze die 10. Wirtschaftskammer am Landgericht Augsburg. Bei verbotenem Insiderhandel droht eine Geldstrafe oder Freiheitsentzug bis zu fünf Jahren. Der Vorsitzende der Kammer, Richter Maximilian Hofmeister, gilt als scharfsichtiger Experte für einschlägige Wirtschaftsdelikte. Zuletzt hatte Max Strauß, Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, das Vergnügen, Hofmeisters Gerichtsführung kennen zu lernen. Er wurde wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt.

___________________________________________

Kommentar

Ein chinesisches Sprichwort lautet: »Stehe nur lang genug am Fluss und du wirst deine Feinde vorbeitreiben sehen.« Ex-Haitec-Chef Christian Ruppert steht möglicherweise nicht mehr lange am Isarufer. Denn sollten sich die Umstände seiner fristlosen Entlassung zu seinen Gunsten klären und Jochen Furch überdies wegen Insiderhandel verurteilt werden, wäre sein Widersacher bei der Münchner Haitec AG nicht länger tragbar. Schlimmer aber als persönliche Rivalitäten wären die Konsequenzen für das Unternehmen: Eine halbe Million Euro Abfindung könnte Haitec erheblich gefährden. Ein desolates Management hat die einst über 500 Mitarbeiter zählende Firma, die zu den größten Systemhäusern hierzulande zählte, an den Abgrund geführt. Mit Ruppert, der eineinhalb Jahre CEO war, schien endlich einer an der Spitze zu stehen, der die häufigen Vorstandswechsel fast vergessen ließ. Jetzt wiederholen sich die Fehler.

____________________________________________

INFO

Haitec AG
Alois-Wolfmüller-Straße 8, D-80939 München
Tel. 089 35631-0, Fax 089 35631-3300
www.haitec.de


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+