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Kopfnuss

Jérome K.: Der neue Held der Wirtschaft

Der kleine Mann ist der wahre Held. Nein, nicht der Angestellte, der morgens pünktlich im Büro erscheint, klaglos den Tadel seins Chefs erträgt und seiner Frau zum Valentinstag Blumen schenkt. Hier geht es um Jérome K., kleiner Börsenmakler der Société Général.

Autor:Redaktion connect-professional • 29.1.2008 • ca. 1:40 Min

Mit geschickt eingefädelten Scheingeschäften prellte er sein Institut um fünf Milliarden Euro. Einen solchen Schaden konnten selbst die Topmanager von VW, Siemens oder WestLB gemeinsam nicht anrichten. Freilich, die Empörung war groß. Noch größer aber der kaum verhohlene Respekt, den die Leistung des Maklers in weiten Kreisen hervorrief.

So ist es immer, wenn es dem durch und durch gewöhnlichen Menschen gelingt, ganz allein eine Organisation zu foppen. Man denke an K’s britischen Kollegen Nick Leeson, der 1995 immerhin 860 Millionen Pfund verzockte, oder den holländischen Kunsthändler Han van Meegeren, der in den 30er Jahren die gesamte Kunstwelt mit gefälschten Vermeers zum Narren hielt. Oder den Hauptmann von Köpenick, Wilhelm Voigt, den Rosshändler Michael Kohlhaas, den Gaukler Till Eulenspiegel… Die Geschichte ist voller Beispiele solcher Männer, die sich stets der Bewunderung der Massen sicher waren.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der in Jérome K. einen Bruder im Geiste erkennt, schätzt die Situation gleich richtig ein. Insider sehen in Frankreich bereits eine Bildungskrise heraufziehen, die das System der Elite-Schulen in Frage stellt. Niemand weiß besser als Sarkozy, dass für den Erfolg in Wirtschaft und Politik andere Qualitäten nötig sind als ein immenser Bildungsvorrat, nämlich Chuzpe, Charme und ein Schuss Kaltblütigkeit zur rechten Zeit. Doch die lehrt keine Universität. Warum dann aber Unsummen für Bildungsprogramme vergeuden?

Die Stars der Wirtschaft sind nämlich aus solchem Holz geschnitzt. Etwa der Studienabbrecher Bill Gates, der einst einem Rivalen für eine Handvoll Dollar ein mittelmäßiges Betriebssystem abschwatzte, auf dem er sein Imperium aufbaute. Einfach clever. Oder bei uns, das Cleverle: Mustergültig, wie der einfache Verwaltungsangestellte Lothar Späth nach seiner Ministerpräsidentschaft in die Chefetagen von Industrie (Jenoptik) und Hochfinanz (Merrill Lynch) aufstieg.

Apropos Späth: Dessen Enkel in Baden-Württemberg, Günther Oettinger, reagierte blitzschnell auf den Vorfall in Frankreich und schickte seinen allseits anerkannten, fachlich hochkompetenten Finanzminister in die Wüste. Nachfolger wird Agrarminister Willi Stächele, ein lebensfroher Politiker mit völlig anderen Qualitäten. Der verschwendet seine Tage nicht mit Aktenstudium. Bundesweit für Schlagzeilen sorgte Stächele, als er auf einer Reise die eigene Ehefrau an einer Autobahnraststätte stehen ließ. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. So jemand weiß, was er will. Und die Bürger im Südwesten wissen, die Milliarden ihres Bundeslandes sind in guten Händen.