KI-Technologien für resiliente und effiziente Stromnetze
Stromnetze sind die Lebensadern unserer Gesellschaft und müssen rund um die Uhr funktionieren. Doch angesichts der Veränderungen bei Stromerzeugung und -verbrauch wachsen die Risiken für ihren stabilen Betrieb und ihre Zukunftssicherheit. In beiden Fällen ist Künstliche Intelligenz die Antwort auf viele offene Fragen.
Der Blackout auf der Iberischen Halbinsel ist einigermaßen glimpflich ausgegangen. Er hat aber noch einmal die potenziellen Gefahren für die Sicherheit der Stromversorgung deutlich gemacht und einen Vorgeschmack darauf gegeben, welche Konsequenzen ernste Störfälle für Wirtschaft und Gesellschaft haben können. Die Stabilität und Resilienz der Netze hat daher überragende Bedeutung für uns alle. Aber auch ihre Effizienz und Nachhaltigkeit müssen ständig optimiert werden.
Mit Künstlicher Intelligenz haben die Betreiber dafür jetzt ein neues, leistungsfähiges Werkzeug. Sie kann eingesetzt werden, um den Betrieb schneller, sicherer und stabiler zu gestalten, um bestehende Anlagen zu optimieren, aber auch um neue Netzkonzepte zu entwerfen und zu validieren. Die Arbeitsplätze bei Energieversorgern und Netzbetreibern werden sich dadurch grundlegend verändern, da viele Steuerungs- und Wartungsfunktionen automatisiert, und auf analytische, prädiktive und generative KI-Grundlagen gestellt werden können.
KI optimiert den Netzbetrieb
KI wird beispielsweise in Leitstellen dafür genutzt, um Events automatisiert zu erkennen oder vor Anomalien zu warnen. Mithilfe KI-gestützter Wetter- und Klimasimulationen können präzisere Vorhersagen über den voraussichtlichen Strombedarf und mögliche Störeinflüsse getroffen werden.
Predictive AI ist auch bei der Wartung ein großes Thema: So werden mittlerweile autonome Drohnen zur Trassenüberwachung von Hochvoltnetzen eingesetzt. Sie ersetzen die bislang genutzten Helikopter, reduzieren dadurch die Unfallrisiken, die Lärmbelästigung sowie den CO2-Ausstoß und sind zudem kostengünstiger. Zusätzlich hilft KI dabei, Trassen dort zu verstärken, wo es nötig erscheint, oder neue Netzknoten zu definieren.
Ein großes Problem sind aktuell die Wartungs- und Reparaturarbeiten in den Umspannwerken. Dort herrschen Hochvolt-Spannungen, weshalb die Maintenance-Einsätze entsprechend gefährlich sind. Das kann dazu führen, dass ein Stromwerk dafür zeitweise abgeschaltet werden muss. In Zukunft entfällt diese teure Notwendigkeit, wenn vor Hochspannung geschützte und durch KI gesteuerte KI-Roboter (Embodied AI) dort Spezialeinsätze erledigen, beispielsweise den Tausch von Teilen. Auch bei der Wartung von Offshore-Anlagen können solche Bots die Effizienz und Sicherheit der Energieversorgung verbessern, beispielsweise wenn die dort arbeitenden Spezialisten Fachwissen von KI-Assistenten zugespielt bekommen.
Dezentrale Netzkonzepte der Zukunft
Noch spannender wird der KI-Einsatz in den Stromnetzen der Zukunft werden. Der traditionelle Betriebsansatz wird durch die massive Einspeisung erneuerbarer Energien vor diverse Herausforderungen gestellt. Die Entwicklung geht weg von zentralen Großkraftwerken hin zu dezentralen Strukturen mit dislozierter Stromgewinnung aus vielen alternativen Energiequellen wie Sonne, Wind oder Wasser. Und auch die Energiespeicherung erfolgt zukünftig verstärkt über lokale Batteriesysteme oder die E-Mobilität mit bidirektionalem Laden, bei bei der die Autobatterie als Puffer innerhalb von Netzen dient.
Die Anbindung und Steuerung dezentraler Kleinerzeuger und -speicher stellt ganz neue Anforderungen an die Netze. Mit KI-Unterstützung lassen sich wesentlich mehr Parameter bei der dynamischen Lastverteilung und Netzsteuerung berücksichtigen als bei den bisher relativ starren Modellen.
Gefragt sind „atmende“ Dispatching-Konzepte, die sich ständig selbst annähernd in Echtzeit an aktuelle und zu erwartende Bedingungen adaptieren. Dafür werden unter anderem Daten und Informationen über Erzeugungsspitzen und Wetterprognosen benötigt. Sie werden in Form digitaler Zwillinge bereitgestellt, um die Netzlast vorausschauend zu steuern. Abgesehen von dem Mehr an Versorgungssicherheit bestehen hier auch enorme Einsparpotenziale, die vorsichtig auf rund zehn bis zwanzig Prozent geschätzt werden. Bei den aktuell dafür geschätzten jährlichen Kosten von 3 bis 4 Milliarden Euro für Re-Dispatching lassen sich hunderte Millionen Euro Einsparungen durch solche Effizienzgewinne realisieren.
Sichere und nachhaltige Energieformen
Über die operativen Komponenten hinaus spielt Künstliche Intelligenz auch eine wichtige Rolle bei der Erforschung und Entwicklung neuer Energieträger, sowohl unter dem Aspekt der Energiesicherheit als auch der ökologischen Verträglichkeit. Mit neuen Energieformen, wie etwa grünem Wasserstoff, ist es dabei nicht getan. Sie erfordern auch neue Werkstoffe, Leitungs- und Verteilungssysteme über die gesamte Lieferkette hinweg von Produktion und Logistik bis hin zur Entsorgung, die mit KI-Unterstützung entwickelt werden.
Und nicht zuletzt eröffnen sich den Energieversorgern durch den KI-Einsatz vielversprechende Optionen für neue Kunden-Services und Geschäftsmodelle. So können aus den für die Netzoptimierung gewonnen Daten Informationen für das Energie-Trading abgeleitet werden, beispielsweise für intelligente Tarifkonzepte oder neue Services in Kombination mit Elektrofahrzeugen. Im Zentrum steht jedoch zuerst die Optimierung der Netze selbst. Die Bedingungen dafür verändern sich mit hoher Dynamik. Angesichts der erwähnten Relevanz und Brisanz für die Gesellschaft insgesamt ist ein Versagen in diesem Punkt nicht akzeptabel. Wir alle sind von einer funktionierenden Stromversorgung abhängig. Ohne KI-Unterstützung wird dies aber nicht mehr zu gewährleisten sein.