Klimatisierung entscheidend bei Neubau
Rackkühlung ersetzt Raumkühlung – Jede neue Generation von Hochleistungsservern erzeugt mehr Verlustleistung als die Vorgänger. Wer ein neues Rechenzentrum plant, sollte diese Tatsache schon in der Projektierungsphase berücksichtigen.

Zwischen Gelsenkirchen und Recklinghausen, also mitten im »Revier«, wurde 1900 die Gasanstalt Herten gegründet. Heute beliefern die Stadtwerke rund 70000 Einwohner mit Energie. IT ist auch in Herten die Basis für eine Vielzahl von Geschäftsprozessen. Auf den Systemen werden Daten von den Stadtwerken und der Stadtverwaltung verarbeitet. Um auch künftigen Anforderungen gerecht zu werden, ging Anfang 2005 ein neues, modernes Rechenzentrum in Betrieb. Alle Außenstellen – und damit rund 1000 Mitarbeiter – sind über ein schnelles Glasfasernetzwerk direkt mit den zentralen Rechnern verbunden.
Modulares Klimakonzept überzeugt
Bereits in der Planungsphase war klar, dass beim Aufbau der Infrastruktur für ein leistungsfähiges Rechenzentrum sehr unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden müssen. Die leistungsfähige Hardware für Server und passive Komponenten musste an einem sicheren Ort untergebracht werden. Deshalb investierte die Stadt Herten in einen entsprechenden Neubau. Eng mit Blade-Servern bestückte Racks stellen darüber hinaus höchste Anforderungen an die Klimatisierung. Aus diesem Grund bat der Generalunternehmer für die IT-Installation des neuen Rechenzentrums, Tektonik Networks aus Recklinghausen, schon in einer frühen Planungsphase Rittal als Gehäuse- und Klimatisierungsspezialisten um Unterstützung.
Im ersten Schritt sollten vier Netzwerkschränke und 18 Serverracks installiert werden. Anhand der Leistungs-Eckdaten der Computersysteme ermittelte Rittal, dass im geplanten Ausbau pro Rack Verlustleistungen zwischen 4 und 10 kW zu erwarten seien. Nach genauer Analyse der klimatischen Bedingungen in den Racks riet Rittal von der klassischen Lösung einer Raumkühlung via Doppelboden ab. Nur eine Klimalösung, die die Wärme am Entstehungsort abführt, kann einen sicheren Systembetrieb garantieren. Eine Doppelbodenkühlung müsste extrem überdimensioniert werden, damit den Blade-Servern genügend kalte Luft zur Verfügung steht. Und selbst dann kann sie in eng bestückten aktiven Racks nicht verhindern, dass in hoch belasteten Bereichen Wärmenester entstehen. Ein weiteres Argument gegen die Doppelbodenkühlung ist, dass sie kaum an spätere Leistungssteigerungen der Computersysteme angepasst werden kann.
Modulare Klimatisierung
Rittal hat den Hertener Stadtwerken die integrierte Gesamtlösung Rimatrix5 vorgestellt. Sie verbindet alle Rahmenbedingungen einer sicheren IT-Umgebung wie Rack, Stromversorgung, Kühlung, Sicherheit sowie Überwachung und Remote-Management. Das bedeutende Thema Klimatisierung wurde in Herten mit einem modularen Luft/Wasser-Wärmetauscher unter dem Namen »Liquid Cooling Package« (LCP) gelöst. LCP ist ein Klimaschrank, der seitlich an die Racks angeflanscht wird. Er sorgt für eine gleichmäßige horizontale Kühlluftdurchströmung im Rack ohne Hot-Spots im oberen Bereich.
Die LCP-Klimatisierungseinheiten sind vom Rack getrennt, so dass selbst unwahrscheinliche Leckagen die Server nicht gefährden. Die Kühlleistung ist standardmäßig über maximal drei Klimamodule von mehr als 6 kW bis 20 kW Gesamtleistung pro Schrank skalierbar. Optional sind Erweiterungen auf bis zu 30 kW pro Rack möglich. Neben der Leistungsfähigkeit war für Erwin Schulte Fischedik, Leiter IT-Support, die Modulbauweise wichtig: »Bei LCP können wir im normalen Betrieb Kühlmodule austauschen. Ebenso können wir Erweiterungen im laufenden Betrieb vornehmen. Das ist uns sehr wichtig, denn die Server laufen ununterbrochen.« So passt die On-Demand-Lösung auch dann noch, wenn das Rechenzentrum auf die geplanten 32 aktiven Serverracks erweitert wird. Künftige Erweiterungen sind dann ebenso sicher wie die bereits vorhandenen vier Terabyte Daten.
Ursprünglich hatten die Hertener Stadtwerke keine Flüssigkeitskühlung geplant. Die Verantwortlichen ließen sich jedoch von der höheren Leistungsfähigkeit und Betriebssicherheit überzeugen. Daraufhin wurde neben dem Rechnerraum ein Vorratstank für 1500 Liter Kühlflüssigkeit installiert, von dem aus die LCP gespeist werden. Sollte es wider allen Erwartens dennoch einmal zu einem Leck kommen, so würde der Wasserstand bei der Raumgröße niemals die Höhe des Doppelbodens erreichen. Die Wasserrohre wurden ebenfalls unter den Doppelboden verlegt und damit das potentielle Risiko weiter verringert. Alle Kabel im Rechenzentrum – insgesamt 13 km – liegen sicher auf erhöhten Kabelbühnen im Doppelboden.
Bereits in der Planungsphase haben sich Rittal und die Installateure der Klimatechnik darüber abgestimmt, wie die Rückkühlung auszuführen sei. Die Anlage wurde redundant mit zwei Modulen von jeweils 125 kW Leistung konzipiert. Zunächst wird das gekühlte Wasser aus dem Wassertank zu den LCP im Rechenzentrum geleitet. Von dort führt eine Leitung das erwärmte Kühlmittel zurück in den Tank. Die Rückkühlung ist eine so genannte Split-Lösung und erfolgt in einem separaten Kreislauf. Dazu wurde der Verflüssiger, der die Wärme an die Umgebung abgibt, außerhalb des Rechenzentrums montiert. Kompressor und Verdampfer hingegen befinden sich im Gebäudeinneren. Der Grund dafür waren sehr strenge Schallschutzgrenzwerte im Außenbereich des Rechenzentrums.
Abgesicherte Stromversorgung als Basis
Nicht nur wegen der Klimatisierung war auch die Stromversorgung gefordert, denn wo (Wärme-)Leistung entsteht, muss zunächst elektrische Leistung zugeführt werden. Mit Rittal-Komponenten wurden auch die Stromversorgungs-Unterverteilung sowie eine zentrale USV realisiert. Die zentrale USV hat aus Sicht der Verantwortlichen deutliche Vorteile gegenüber mehreren dezentralen Geräten in den einzelnen Racks. Zum einen sind die Kosten trotz einer redundanten Auslegung nicht höher und zum anderen lässt sich die Funktionsfähigkeit leichter überwachen. Auch potentielle Fehlerrisiken sinken.
Alle IT-Systeme sind auf eine perfekte Stromversorgung angewiesen. Die Hertener Stadtwerke haben sich für die skalierbare Lösung innerhalb von Rimatrix5 entschieden, denn durch einfaches Nachrüsten eines Moduls ist eine Leistungssteigerung möglich, ohne teure Ersatzinvestitionen nach sich zu ziehen. Derzeit ist die dreiphasige USV mit einer Leistung von 40 kVA installiert. Die Erweiterung auf die geplante Leistung von 80 kVA erfolgt später im laufenden Betrieb. Die Installation in Herten ist ein redundanter, so genannter n+1-Aufbau, bei dem ein zusätzliches USV-Modul im Störungsfall verzögerungsfrei die Aufgaben eines defekten übernimmt.
Im Rack wird der Strom über sogenannte Power-System-Module (PSM) verteilt. Die Module werden auf entsprechende Leisten im Rackholm aufgesteckt. Ein Berührungsschutz nach VDE und EN gestattet die Wartung oder Erweiterung ohne Fachpersonal. PSM verfügen über eine dreiphasige Einspeisung und gestatten eine überwachte und redundante Stromversorgung.
Überwachung eines entfernten Rechenzentrums
Das neue Rechenzentrum der Hertener Stadtwerke ist quasi eine Blackbox, denn im Normalbetrieb ist vor Ort kein Administrationspersonal erforderlich. Aus diesem Grund ist die Überwachung der Anlage besonders wichtig. Jeder einzelne Schrank ist mit dem so genanten Computer-Multi-Control (CMC-TC) ausgestattet, das automatisch Informationen über Temperatur, Lüfterfunktion und LCP sammelt und via Netzwerk zentral auf einer Administrationskonsole darstellt. Einstellbare Schwellwerte sorgen für eine schnelle Alarmauslösung bevor es zu einer Katastrophe kommt. CMC überwacht darüber hinaus den Zugang zu jedem Serverrack. Ein zusätzliches Videoüberwachungssystem von Rittal gibt Einblick in den Rechnerraum.
Fazit
Rechenzentrumsumgebungen sind sehr sensibel, deshalb betreiben die Hertener Stadtwerke (www.hertener-stadtwerke.de) ihr neues Rechenzentrum mit möglichst geringem Personenverkehr. Folglich suchten die Verantwortlichen vor der Installation der Systeme eine umfassende Infrastruktur-Lösung, die den hohen Sicherheitsanforderungen Rechnung trägt und mit wächst. Erwin Schulte Fischedik: »Wir sind froh, dass wir uns für einen erfahrenen Partner entschieden haben. Das Gesamtpaket, bei dem alles aufeinander abgestimmt ist, hat uns überzeugt.« Die Zusammenarbeit mit nur einem Infrastrukturanbieter hat Vorteile hinsichtlich der Funktionssicherheit und Gewährleistung. Sie ermöglicht einem Auftraggeber darüber hinaus, dass er sich verstärkt seinen eigenen Kernaufgaben widmen kann.
Michael Becker, Leitung Rimatrix5 Lösungs-Center (RLC), Rittal