Kooperationen: Sichere Insel im weiten Meer

24. Juni 2004, 0:00 Uhr |

Kooperationen: Sichere Insel im weiten Meer. Fachhändler müssen sich vor wirtschaftlichen Risiken schützen. Einer aktuellen Studie zufolge soll die Mitgliedschaft in einer Kooperation das Insolvenzrisiko minimieren. Doch nicht alle glauben an die Insel der Glückseligen: Die Kooperationsquote im deutschen ITK-Handel ist nach wie vor gering.

Kooperationen: Sichere Insel im weiten Meer

Bestandsgarantien für Handelsunternehmen gebe es nicht. Darüber, so Professorin Theresia Theurl von der Universität Münster, sollten sich alle Reseller im Klaren sein. Allerdings gebe es durchaus die Möglichkeit, das Risiko zu minimieren: »Vorausgesetzt das Unternehmen ist gesund und der Unternehmer kennt alle relevanten Daten und Fakten, um einen Business-Plan erstellen zu können«, fügt die Volkswirtschaftlerin und geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen, hinzu. Denn in diesem Fall biete sich die Mitgliedschaft in einer Fachhandelskooperation als eine Option, »die man prüfen sollte«, an.

Die Wissenschaftlerin (lesen Sie dazu das Interview auf Seite 24), erarbeitet eine Studie zu »Verbundgruppenmitgliedschaft und Risiko«. Darin behauptet sie, dass Mitglieder einer Kooperation in der Regel weniger stark von Insolvenzen betroffen sind als nicht kooperierte Händler. Mehr noch: Rating-Agenturen und Banken achteten mittlerweile auch darauf, ob ein Handelsunternehmen, vor allem kleine und mittlere Betriebe, einem Verbund angehören oder nicht. Laut dieser Studie, zwischen Juli 2003 und März dieses Jahres erarbeitet, weisen Verbundgruppenmitglieder tendenziell ein geringeres Risiko auf. Dies wird mit ihrer niedrigeren Risikoklasse begründet. Basis dafür ist der Creditreform-Bonitätsindex.

Die Studie, die vom Zentralverband Gewerbliche Verbundgruppen herausgegeben wurde und dort auch angefordert werden kann, beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Verbundgruppenmitgliedschaft auf die Risikolage der Mitgliedsunternehmen. Gleichwohl warnt Theresia Theurl davor, eine Verbundgruppenmitgliedschaft als »Ruhekissen« zu betrachten. Denn letztendlich ist der einzelne Unternehmer für seinen Betrieb verantwortlich und müsse spätestens bei Bankgesprächen seine Kompetenz beweisen.

Nicht jede ist gleich qualifiziert

Andererseits sei nicht jede Verbundgruppe gleich qualifiziert. Die Qualität der Kooperationen, auch und besonders in den Branchen UE, CE, TK und IT, differiere spürbar. Hier, so die Institutsdirektorin, seien die Mitglieder gefordert, ihre Zentralen auf mangelnde Leistungen aufmerksam zu machen. Denn leistet die Kooperation nicht die erforderlichen Services und Unterstützungen, seien noch darüber hinaus viele wirtschaftlich kritische Betriebe Mitglieder der Gruppe, könne sich das negativ bei der Beurteilung der Rating-Agenturen und Banken niederschlagen. Also genau an dem Thema, mit dem der Handel, vor allem der ITK-Handel derzeit und wohl auch in Zukunft am meisten zu kämpfen hat.

Vor diesem Hintergrund will PC-Spezialist-Vorstand Frank Roebers auch seine These verstanden wissen, »dass in den kommenden vier bis fünf Jahren etwa 13.000 IT-Shops vom Markt verschwinden werden« (CRN 22 und 23/2004). Die meisten davon, so fügt er hinzu, aus wirtschaftlichen Gründen. Kooperierte Händler hingegen wären davon weniger betroffen, schiebt er nach. Dabei drohe nicht allein durch wirtschaftliche Defizite vielen IT-Shopbetreibern die Insolvenz. Vielmehr lauerten die Gefahren im aggressiven Preisgefüge der Flächenmärkte, also im Consumer-Markt. Roebers ist überzeugt, dass sich IT-Fachhändler durchaus dagegen behaupten könnten: »IT-Kooperationen haben zu allererst die Aufgabe, durch Bündelung von Warenströmen ein Preisniveau im Einkauf zu gewährleisten, welches ihren Mitgliedern ermöglicht, nicht nur wettbewerbsfähig anbieten zu können, sondern auch eine erfreuliche Marge der Hardware zu erzielen«, beschreibt er den Zweck dieser Verbünde. Zur Begründung ergänzt er: »Bei den heute üblichen Kostenstrukturen im Handel sind Margen unter 15 Prozent ruinös.« Gleichwohl würde Microtrend nicht allein auf den Faktor ?Preis? setzen, sondern sich seit zwei Jahren in Richtung einer Marketing- und Einkaufsorganisation bewegen.

Das ist auch nötig, soll die Gruppe mehr als nur eine Einkaufsorganisation sein. Eine Kooperation, die ernst genommen werden will und für ihre Mitglieder ein vollwertiger Partner sein soll, muss alle notwendigen Leistungen vorhalten. Dazu gehört, dass sie Services, Dienstleistungen und Beratung bündelt. Zudem eröffnen sich, vor allem bei dienstleistungsorientierten Fachhändlern, Netzwerke, die von den Zentralen gesteuert, zumindest initiiert werden.

Laut Frank Garrelts, Vorstand Akcent, erkenne der Handel langsam die Vorteile, die ihm eine Kooperation bieten könne, nämlich die Vorhaltung eines kompletten Backoffice bis hin zur Begleitung bei Bankgesprächen.« Dabei verweist er auf die Entwicklung in anderen Branchen. Auch da haben sich die Gruppen, gleichwohl schon vor vielen Jahren, schrittweise entwickelt. Wie sich dies entwickelte, kann Julian Riedlbauer, Geschäftsführer Comteam Systemhaus GmbH, an der eigenen Unternehmensgruppe leicht feststellen. Denn Comteam ? eine Marke von Electronic Partner ? profitiert von den Erfahrungen dieser UE-Verbundgruppe. EP, vor 31 Jahren gegründet, zählt mit seinen knapp 5.000 Mitgliedern und einem Zentralumsatz von mehr als 1,7 Milliarden Euro zu den größten Gruppen innerhalb der Unterhaltungselektronik. Anders als die IT-Kooperationen entstand EP aus dem Großhandelsgeschäft, das nach wie vor eine wichtige Rolle in der Logistikkette des Verbundes spielt. Wesentlich für die Mitglieder ist aber Rundum-Service bis hin zu umfangreichen Finanzdienstleistungen. Dies, so Riedlbauer, sei auch für Comteam unverzichtbar. »Wir bündeln für unsere 200 Comteam-Systemhäuser nicht nur Einkaufsvolumina, sondern versichern die Kunden durch Delcredere. Besonders wichtig für die Zukunft sei die Projektfinanzierung. »Wenn ein Systemhaus Projekte in Angriff nimmt, stehen wir mit entlastender Vorfinanzierung bereit.« Anders könnten gerade im Projektgeschäft kleine und mittlere Systemhäuser nicht mehr agieren. Damit würde auch das »Schmerzen verursachende Thema Basel II« deutlich gemildert. »Nicht kooperierte Händler spüren die Ratingproblematik viel stärker«, fügt Riedlbauer hinzu.

Obwohl sich der IT-Fachhandel möglichst von den Preisattacken der Flächenmärkte fernhalten sollte, sieht Ralph Gravenstein, PR-Verantwortlicher bei der UE-Verbundgruppe R.I.C., die Notwendigkeit, »gelegentlich unseren 2.400 Mitgliedern Gegenmaßnahmen im Wettbewerb zu den Märkten wie Media-Saturn anzubieten«. Letzten Endes aber sollte sich der UE-Fachhandel durch Kundenservice, Beratungstiefe und »Professionalität, zum Beispiel bei der Gebäudevernetzung«, durchsetzen.

Karl Hoffmeyer, Director Business Development bei Actebis Peacock GmbH und zuständig für die Kooperation Actebis Network, versteht seine Gruppe als »ein Bollwerk gegen Direktvertriebsformen«. Allerdings ist der Systemhaus-Verbund aus Soest nicht unbedingt vergleichbar mit anderen Kooperationen. Denn die Mitglieder nutzen zu einem wesentlichen Teil die Synergien der Actebis-Gruppe und des Otto-Konzerns. »Alle potenziellen Dienstleistungen müssen nicht zugekauft werden, sondern sind bereits vorhanden, also Logistik, Service, Marketing, Finanzabteilung, Einkauf, Produktmarketing und anderes mehr«, erklärt er. Für die Zukunft schließt Hoffmeyer sogar die Kooperation verschiedener Verbundgruppen nicht aus. So arbeitet Actebis Network mit der Verbundgruppe Büroring eng zusammen. »Hier entsteht eine ideale Win-Win-Situation, da die jeweiligen Händler vom erweiterten Portfolio, den jeweils vereinbarten Konditionen und den Leistungsspektren der ?Einzel?-Kooperation profitieren.«

Tatsächlich sind die noch relativ jungen IT-Kooperationen längst auf die Suche nach geeigneten Partnern gegangen. Die immerhin schon 19 Jahre alte Gruppe Akcent Computerpartner kooperiert mit Emendo und Teleround. Über Emendo erhalten Akcent-Händler Zutritt in den Consumer-Markt, über Teleround zu Fachhändlern mit Kompetenz in Sachen Mobilkommunikation und Kfz-IT. Gleichzeitig nutzen die Mitglieder von Emendo und Teleround die Kompetenz der Akcent-Partner.

Der Dreh- und Angelpunkt einer Verbundgruppe ist die persönliche Unterstützung der Mitglieder. Dagegen, so die Kooperations-Chefs, könnten die vermehrten Servicedienstleistungen der IT-Distribution keinesfalls als Konkurrenz angesehen werden. Selbst Hauslimits der Großhändler sehen die Verbundgruppenmanager zwar als »eine sehr gute Reaktion auf die missliche Finanzmarktlage«, aber keinesfalls als Grund, nicht einer Kooperation beizutreten. »Bei uns sind die Mitglieder unabhängig, sind nicht auf einen Lieferanten angewiesen«, klärt Garrelts stellvertretend für seine Kollegen aus anderen Gruppen auf. Und wenn sich auch die Kooperationen gelegentlich in die Haare kriegen, in der Definition des eigentlichen »Feindes« sind sich alle einig: Neben den Flächenmärkten vor allem Lieferanten, die direkt an private und gewerbliche Endkunden vertreiben, sowie die Internet Shops.

Erstaunlich ob dieser Vielfalt an Unterstützung ist die nach wie vor geringe Kooperationsquote im ITK-Handel. Anders als beim klassischen Unterhaltungselektronik- oder Elektro-Fachhandel, sind in der noch relativ jungen ITK-Branche noch nicht einmal 15 Prozent aller Betriebe kooperiert.

Einige Fachhändler sehen die Kooperationen kritisch und begründen dies mit zu geringen Leistungen, die man für seine Beitragszahlungen erhalte: »Wer sich auf eine Kooperation verlässt, die er mitfinanzieren muss, der wird erst aufwachen, wenn die Bank den Dispo kündigt«, erklärt beispielsweise Anton Hollaus, von der Firma com-com in Stephanskirchen bei Rosenheim. Auch Lothar Heydrich von Top Connect Computer in Neuss zweifelt am Sinn jener Fachhandelskooperationen, »wo man als Mitglied für eine Zahlungsfristverlängerung eine Menge Geld drauf zahlt«. Hingegen liege in der Gemeinsamkeit vieler Händler die Stärke und der Schlüssel zum Erfolg. »Insbesondere im gemeinsamen größeren Einkaufsvolumen.« Er praktiziere bereits diese Bündelung von Einkaufsvolumen mit anderen Händlern und sei an Kontakten zu weiteren Händlern interessiert.


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