Longhorn und die Folgen
SBC mit großem Potenzial – Anfang 2007 soll das neue Windows-Serverbetriebssystem Longhorn an den Start gehen. Es integriert SBC-Grundfunktionen serienmäßig. Um so wichtiger sind gezielte Add-On-Angebote, die den Wirkungsgrad erhöhen.

Die Situation vor Longhorn ist vergleichbar mit der Einführung von RDP 5.1/5.2 im Jahr 2003. Bis dahin hatte Microsoft das Nachsehen gegenüber Citrix und Tarantella, vor allem bei Remote- und Filialanbindungen. Das ICAProtokoll von Citrix etwa konnte über einen 64- kBit/s-Kanal vier bis fünf User versorgen, weitaus mehr als das damals gültige RDP 5.0. Das änderte sich mit der Version 5.1/5.2 gründlich. Auf einmal lieferte Microsoft mit ihrer RDPAdaption rund 90 Prozent der Bandbreiteneffizienz eines ICA-Protokolls. Auf dieser Basis ließ sich in vielen Anwendungsbereichen statt der Kombination Terminalserver plus Citrix nur der Terminalserver positionieren. Die SBC-Anwender antworteten entsprechend: Nach einer GfK-Erhebung von 2003 nutzten rund 65 Prozent MS-Terminal-Services und 30 Prozent Citrix,wobei dieser Anteil vor allem aus der Verwaltung von Terminalserverfarmen herrührte.
Mit Longhorn ist eine ähnliche Verteilung zu erwarten. Dieses Mal geht es aber nicht (nur) um effizientere Übertragungsprotokolle.Microsofts Betriebssystem bringt künftig essentielle SBCDienste bereits standardmäßig mit, die bislang in die Zuständigkeit von Add-On-Anbietern fielen oder im Citrix-/Tarantella-Umfeld schon zum Basisfunktionsumfang gehörten.
Zu den neuen Features in Longhorn zählen Application-Publishing und Seamless-Windows, also die Integration von Serveranwendungen auf dem Client, als wären sie lokal installierte Applikationen. In Longhorn läuft der Prozess via Remote-Application-Publishing- Wizard ab. Der Dienst generiert ein Remote- Desktop-Protocol-File (kurz RDP, ein Microsoft-Standard zur Implementierung von Terminal-Diensten zwischen zwei Computersystemen) oder ein MSI-Paket und schickt die Dateien auf die Client-Desktops. Ein Doppelklick genügt, und die neu publizierte Anwendung erscheint im Start-Menü. Die MSIDatei erstellt automatisch alle Icons, Shortcuts und Dateityp-Verknüpfungen.
Auch mit der Programmierschnittstelle Winfx bringt Longhorn jetzt eine wesentliche SBCFunktion von Haus aus mit. Sie sorgt dafür, dass die Applikationen optimal am Client-Bildschirm dargestellt werden können – traditionell ein heikles Thema bei SBC-Anwendungen. Winfx verwendet dafür die neue RDP-Engine 6.0. Sie gibt die Layoutbefehle direkt an eine lokale Winfx-Instanz weiter. Erst dort wird die Bildschirmdarstellung umgesetzt. Die bisherige RDP-Version 5.2 fungierte als Display-Driver, das heißt, die Applikation wurde schon am Server in die Darstellungsform gebracht und komplett fertig zum Client durchgereicht. Das nahm einiges an CPU-Ressourcen und Bandbreiten in Anspruch. Beim neuen Verfahren reduzieren sich diese Größenordnungen deutlich.
Konkurrenz schläft nicht
Longhorn hat natürlich den SBC-Wettbewerb auf den Plan gerufen.Citrix etwa zeigte auf ihrer User-Konferenz »iForum« im Oktober ein neues Technologie-Set für Presentation-Server unter dem Arbeitstitel »Constellation«. Ein Feature adressiert die Lastverteilung nach den Zugriffsprofilen des jeweiligen Anwenders.Wer mehrheitlich Applikationen mit hohem CPU-Bedarf aufruft, wird an entsprechend leistungsstarke Server verwiesen. Eine weitere Funktion liefert System-Health-Monitoring. Kann ein Server zum Beispiel das User-Login nicht korrekt abarbeiten, wird er automatisch aus dem aktiven Betrieb entfernt. Ein anderes Feature beschleunigt die Integration von Grafiken in Applikationen, etwa über die Microsoft-Schnitt-stelle »Direct3D«, mit der sich ein dreidimensionaler Raum auf dem Bildschirm simulieren lässt.
Großer Markt für Kleine
Interessant ist ein Blick auf den Markt für kleine SBC-Umgebungen, da Longhorn für dieses Segment schlicht zu teuer sein dürfte.Citrix hat hier mit ihrer Lösung Access-Essentials für Windows-Server-2003 schon Witterung aufgenommen. Fünf bis 75 User können damit auf zentral gehaltene Anwendungen zugreifen,ob sie sich im Büro,Home-Office oder im Außendienst befinden.
An dieser Stelle kommt häufig der Einwand, dass sich SBC-Strukturen in kleinen Umgebungen wegen zu hoher Anfangsinvestitionen generell nicht rechnen würden. Das ist zu kurz gedacht.Eine Handvoll PCs plus Basis-Netzwerk mag in der Anschaffung günstiger sein, auf lange Sicht ist sie es nicht.
Da haben »schlanke«, aufAnzeigefunktionen reduzierte Rechner eine höhere Lebenserwartung als solche, die tagtäglich aktiv Prozesse ausführen müssen. Analysten veranschlagen für Client-Server-Strukturen im Schnitt das Dreifache der Anfangsinvestition an Folgekosten für jeden einzelnen Arbeitsplatz. Sie ergeben sich aus der Installation und Konfiguration von lokalen Updates, neuen Anwendungen und Rechnern.Hinzu kommen die nötigen Schutzmaßnahmen für voll ausgestattete PCs, damit sie Viren und anderen Gefahren nicht als Einfallstore zur Verfügung stehen. Auch der mechanische Verschleiß von Festplatten und Datenträger-Laufwerken trägt nicht unwesentlich zur Kostenentwicklung bei. Die genannten Folgekosten lassen sich auch in kleinsten SBC-Umgebungen stark reduzieren oder sie fallen komplett weg. Die SBC-Lösung »WinConnect« von Thinsoft für fünf bis zehn Arbeitsplätze etwa »verwandelt« einen Windows- XP-PC in den zentralen Server, während die anderen Rechner ohne Betriebssystem und Anwendungen die Rolle der Thin-Clients übernehmen. In diesem Szenario beschränkt sich die Anfangsinvestition im Wesentlichen auf die Management-Software, die Hardware kann nach und nach ersetzt werden.
Sicherheitsgarant Authentifizierung
Ein großes Potenzial für SBC-Add-Ons gibt es in den Bereichen Authentifizierung bis hin zur umfassenden PKI, die User-Log-On, Verschlüsselung für Dateien und Festplatten sowie digitale Signaturen für E-Mails und Dokumente auf einer Plattform verbindet. In einer Arztpraxis etwa wechseln Mitarbeiter häufig zwischen den Behandlungszimmern. Statt jedes Mal den PC hochzufahren und alle Anwendungen neu zu starten, lassen sich laufende Sessions an verschiedenen Thin-Clients im aktuellen Status fortführen. Das Prinzip ist natürlich nur sinnvoll,wenn die Vertraulichkeit der Session gewährleistet ist, das heißt Dritte den Bildschirminhalt nicht zu Gesicht bekommen. Die Identifizierung des Session-Inhabers erfolgt üblicherweise via Smart-Card oder Token. Eine SBC-spezielle Authentifizierungslösung etwa besteht aus der Kombination der Thin-Clients Thintune by Neoware mit Kobils Smart-Card- Reader oder einem einfachen USB-basierten Token.
Wenig Bandbreite voll ausreizen
Die bessere Bandbreitennutzung der aktuellen RDP-Version kommt natürlich nur zum Tragen, wenn die Netzressourcen überhaupt für die entsprechenden Anwendungen zur Verfügung stehen und nicht durch Spiele,Downloads oder andere Aktionen belegt sind.Ein wichtiges SBCAdd- On ist daher die Priorisierung von Anfragen. Zunächst geht es darum, den »Bandbreitenhunger « von Anwendungen im Netzwerk zu evaluieren. Dann werden für Applikationen und Übertragungsprotokolle Regeln erstellt. Sie bilden verschiedene Kriterien ab, beispielsweise den garantierten Bandbreitenumfang für geschäftskritische Applikationen oder das maximale Quantum für andere, damit wichtige Anfragen immer vorrangig behandelt und weitere Anwendungen entsprechend zurückgefahren werden können. Allots Netenforcer- Lösung arbeitet beispielsweise nach diesem Muster. Gerade bei der Datenübertragung im WAN ist das Verfahren sinnvoll.Dort steht in der Regel nur ein Prozent der Bandbreite des LAN zur Verfügung.
Druckmanagement braucht Platz
Auch das Druckmanagement behindert die effiziente Bandbreitennutzung in SBC-Umgebungen. Druckaufträge werden immer über die Netzwerkverbindung abgewickelt – egal, ob Netzwerkdrucker oder lokal angeschlossene Desktop-Printer zum Einsatz kommen – und belegen dabei einen Großteil der verfügbaren Netzressourcen. Die Folge: Anwendungen werden langsam, Server-Speicher und CPU durch das Rendering der Print-Jobs stark beansprucht. Hinzu kommt, dass sämtliche Druckertreiber zentral auf dem Server installiert sein müssen. Die Übertragung voluminöser Druckaufträge führt zu hohen Online-Kosten.
Um die Beeinträchtigungen der SBCPerformance zu reduzieren, sollten die Druckaufträge ohne serverseitig installierte Treiber übertragen und die Druckaufbereitung auf die Client-Seite verlagert werden. Dafür ist eine möglichst hohe Komprimierung der Druckdaten nötig. Man erreicht sie am besten durch so genannte adaptive Verfahren. Dabei wird zunächst die Bit-Tiefe der verschiedenen Ebenen des Druckoriginals analysiert.Daraus ergibt sich eine Wertigkeit: Bereiche mit sehr wichtigen Informationen (große Bit-Tiefe) müssen möglichst verlustfrei bleiben, Bereiche mit weniger wichtigen Informationen (geringe Bit- Tiefe) können auch mit Verlust komprimiert werden. Entsprechend werden verlustfreie und verlustbehaftete Kompressionsalgorithmen für die jeweiligen Bereiche angewandt. Auf diese Weise reduziert sich die Originaldatengröße deutlich und benötigt nur noch einen Bruchteil der Bandbreite zur Übertragung an den Drucker, während der Qualitätsverlust minimiert wird.
Thinprint etwa hat das Prinzip in ihrem Verfahren Advanced-Adaptive-Compression umgesetzt. Alternativ lässt sich in der Kombination Server-based-Computing mit Thinprint auch ein Print-Server einsetzen, um zumindest die CPU-Last der Serverfarmen deutlich zu reduzieren.
Fazit
Laut Gartner Group sind SBC-Strukturen gegenüber Client-Server-Umgebungen um 22 Prozent günstiger, was Anwenderproduktivität, Wartung, Support,Unterhaltungskosten und Investitionen im laufenden Betrieb betrifft. Es gibt also mit oder ohne Longhorn für Anbieter und Anwender nach wie vor genügend Gründe, sich mit SBC-Strukturen und passenden Add-On- Lösungen näher zu beschäftigen.
Andreas Jung, Leiter Business
Unit Server Based Computing,
Esesix Computer