Migration verbessert Simulation TRW Automotive, ein Automobilzulieferer aus Koblenz, verabschiedet sich von Unix und migriert auf Standardsysteme mit zentraler Datenspeicherung. Das Ziel des Projekts: Mehr Rechenpower.
Prototypen sind einzigartig und teuer. Ein Prototyp des Ferrari Enzo kam 2005 bei einer Auktion für stolze 195000 Euro unter den Hammer. Klar, dass solche Modelle möglichst nicht beschädigt werden dürfen, beispielsweise bei den Tests zur Serienreife: Die Konstruktionen müssen so ausgelegt werden, dass während aller Prototypenphasen nach Stand der Technik kein Fehler im Produkt auftreten wird. Dazu muss im Entwicklungsprozess möglichst viel simuliert werden, um bis zum finalen Design wirklich alle Fehler zu beseitigen. Mit Simulationen am PC können die Experten des Automobilzulieferers TRW beispielsweise Funktionsfähigkeit, Bremsvermögen, Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Komponenten theoretisch errechnen und etwas darüber aussagen, wann zum Beispiel eine Bremse bricht. Für solche Simulationen ist an den TRW-Standorten in Koblenz, wo Bremssysteme produziert werden, und Düsseldorf, wo das Unternehmen Lenkungen entwickelt, jeweils eine identisch aufgebaute Serverfarm zuständig. Sie bestehen aus jeweils fünf PowerEdge 6850-Servern von Dell unter Red Hat Linux, die mit vier 3,6-GHz-Prozessoren und 32 GB Hauptspeicher ausgestattet sind. Sie sind mit Gigabit-Ethernet an das Netzwerk angebunden. Ein Warteschlangen-(Queuing-)System steuert die Auslastung.
Weniger Prototypen-Tests dank Simulationen
Dank der Simulationsumgebung muss TRW weniger Tests unter realen Bedingungen durchführen. Mit systematischer Simulation ist es heute möglich, die Entwicklungszeiten von Produkten zu verkürzen, und so immer kurzfristiger liefern zu können. Durch rechnergestütztes Design sinkt die Fehlerrate von Prototypen, man spart Prototypenzyklen ein und das das Produkt wird schon auf virtueller Ebene so robust wie möglich gestaltet. Manchmal kommen dabei sogar völlig neue Produkte heraus. Rüdiger Ehrhardt, IS Engineering Systems bei TRW: »Bei uns werden alle wesentlichen technischen Merkmale erst per Finite Elemente gerechnet und bewertet, bevor sie als Prototyp gefertigt werden. Daher kann es schon sein, dass der erste Konstruktionsvorschlag und das finale Design grundverschieden aussehen. CAE belastet unsere Hardware-Ressourcen bis an die Grenzen.« TRW-Kunden Branchengrößen wie General Motors, DaimlerChrysler oder Volkswagen erwarten nicht nur veränderungsfreundliches CAE-Design. Sie wollen auch am Rechner simu-lieren, ob ein neues Teil zu ihren Fahrzeugen passt. »Es stellt sich nie die Frage, ob, sondern nur wann wir simulieren«, unterstreicht Ehrhardt. »Sobald Daten vorhanden sind, sollte man loslegen.« Dafür aber hatte TRW nicht immer die nötige Rechenpower. Bis vor kurzem nutzte das Unternehmen in Koblenz einen fünf Jahre alten SGI-Server. Allerdings liefen die Simulationen mangels Leistung nicht mehr auf dem SGI-System, sondern auf sieben Unix-Workstations, von denen jede einzelne leistungsfähiger war als der Server. Das SGI-System stellte lediglich die CAE-Daten bereit und arbeitete als Backup-, Lizenz- sowie Applikationsserver. Auch die Clients, Unix-basierende Workstations, waren veraltet. Hinzu kam, dass aktuelle CAE-Software nicht mehr für Unix verfügbar war.
Unix oder Windows – AMD oder Intel?
Deshalb erstellte TRW Mitte 2005 ein neues Konzept. »Im Mittelpunkt stand dabei zunächst die Frage, auf welches Betriebssystem wir wegen unserer Anwendungen migrieren müssen«, erklärt Jens-Christian Jessen, Manager IS Engineering Systems Chassis Europe bei TRW. Schließlich entschied sich TRW gemeinsam mit dem Braunschweiger IT-Dienstleister GNS für ein Konzept, das Windows-basierende Workstations und Linux-basierende Berechnungsserver kombiniert. »Erst danach kam die Entscheidung für eine Hardwareplattform«, erklärt Ehrhardt. Intel-Systeme hatten dabei anfangs schlechte Karten: »Sämtliche Lieferanten haben uns gesagt, auf AMD-Systemen würde alles schneller laufen«, so Jessen. »Also mussten wir prüfen, ob Intel genau so viel leistet wie AMD.« Dell stellte dafür sein Test-Center in Irland und entsprechende Rechner zur Verfügung. Die Benchmarks, die auf Kundenwunsch von GNS gefahren wurden, zeigten, dass Intel-basierende Dell-Server keine gravierenden Nachteile gegenüber AMD-Systemen hatten. Die Entscheidung fiel zugunsten des Direktanbieters. Für ihn sprach, so Detlev Foerster, IS Engineering Systems bei TRW, dass »wir eine einheitliche, standardisierte IT-Landschaft aufbauen konnten und für alle Belange rund um die Lösung einen Ansprechpartner haben«. Neben den fünf Berechnungsservern nutzt TRW in Koblenz acht Precision 670 von Dell als Workstations, die mit den CAE-Lösungen Ansys, Abaqus und Fluent arbeiten. In Düsseldorf kommen neben den fünf Poweredge-Servern und sieben Precision 670 zudem 120 Dell Precision 380 als CAD-Workstations zum Einsatz. Ausgestattet sind die CAD Workstations mit 2 GByte Arbeitsspeicher, einer Quadro-FX-1400-Grafikkarte von NVIDIA, einer 40-GB-Festplatte und einem 2,8-GHz-Prozessor. »CAD-Anwendungen laufen derzeit nur auf einem Prozessor, die zweite CPU bringt daher keine Vorteile«, erklärt Foerster. Als CAD-Software setzt TRW in Düsseldorf derzeit Pro Engineer ein, das allerdings durch Catia V5 abgelöst werden soll.
Genug Power für Performance-Killer
»Unsere CPU-Leistung hat sich nun um mehrere hundert Prozent gesteigert«, freut sich Rüdiger Ehrhardt. Da die CAE-Anwender nun schneller rechnen, können sie mehrere Tasks gleichzeitig erledigen – das bedeutet, ein Resultat heute statt morgen oder fünf statt zwei Ergebnisse pro Tag. Stark vereinfacht hat sich auch die gemeinsame Nutzung von CAE- und CAD-Daten zwischen Koblenz und Düsseldorf. »Die CAE-Daten waren früher lokal auf mehrere Rechner verteilt«, erläutert Thomas Lieber, IT Site Manager bei TRW in Koblenz. Zwar hätten Anwender die Daten hin und her schicken können, aber das hätte zu lange gedauert und das Netzwerk extrem belastet. Außerdem waren die Files nicht optimal organisiert: Die CAE-Daten wurden auf den Festplatten des SGI-Servers und auf lokalen Platten abgespeichert, die CAD-Daten lagen an ein SAN (Storage Area Network) angeschlossen auf Hitachi-Storage. Die Vorgabe für die CAD-Arbeitsplätze in Düsseldorf lautete: Jeder Anwender muss jede Workstation nutzen können. Der Zugriff auf andere Daten sollte jederzeit von überall möglich sein. Als Lösung bot sich ein zentrales NAS-System (Network Attached Storage) an. Hierauf können Windows-Workstations und Linux-Berechnungsserver zugreifen. »Mit einem SAN wäre das so nicht möglich«, sagt Detlev Foerster. Die CAE-Jobs werden auf den Windows-Clients generiert, die Linux-Farmen berechnen die Daten und geben die Ergebnisse weiter an das NAS-System. Die Clients können dann auf die Ergebnisse zugreifen. Inzwischen wird in Koblenz das NAS/SAN-System NS502g von EMC mit sechs TByte Kapazität statt des Hitachi-Array am SAN eingesetzt. Ein schnelles Gigabit-Ethernet-Netzwerk sorgt für schnelle Zugriffe. Die Daten liegen zentral und jeder Mitarbeiter kann an jeder beliebigen Maschine arbeiten. »Gerade für die Anwender hat sich das projektorientierte Ordnungssystem bewährt, in das Jobs direkt geschrieben werden können«, lobt Foerster. »Jetzt haben wir eine zentrale Ordnung, Daten sind sofort verfügbar und man weiß, wo sie liegen.«
Return-on-Investment in weniger als zwei Jahren
Der Aufbau der neuen Infrastruktur hat sich für TRW gelohnt: »Wir erwarten den Return-on-Investment in weniger als zwei Jahren«, unterstreicht Jens-Christian Jessen. Das liege auch daran, dass die Kosten für die jetzige Windows-Umgebung im Vergleich zur ausgemusterten Unix-Landschaft deutlich geringer seien, betont Jessen. Die Umstellung der Workstations und die Datenmigration machten dank des Projektmanagements von Dell und GNS keine Probleme. Die Systeme laufen störungsfrei im Dauerbetrieb. Zudem hat sich der Support-Aufwand drastisch reduziert. Aufgrund der einheitlichen Konfiguration lassen sich etwa Software-Updates schnell durchführen. »Früher haben wir die Administration eher vernachlässigt«, erzählt Thomas Lieber. Die Anwender mussten ihre Programme teilweise selbst installieren. »Jetzt kann sich jeder auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren, da die IT-Administration von Experten durchgeführt wird.« Nun soll dieses Modell auch in anderen TRW-Niederlassungen eingesetzt werden: »Wir haben eine Master-Umgebung in Koblenz, alle Standorte werden entsprechend aufgebaut«, sagt Rüdiger Ehrhardt. Falls dann einmal wirklich und alle Rechner eines Standorts ausgelastet sind, kann TRW Berechnungen an einem Nachbarstandort laufen lassen. Das sind allerdings eher theoretische Überlegungen: »Mit der neuen Infrastruktur ist jetzt ja genügend Rechenpower vorhanden«, sagt der IT-Manager zufrieden.
Christian Dörr ist Redakteur bei PR-COM in München.