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Virtuelle Realität im Gesundheitswesen

Dank VR-Brille vom Krankenbett aufs Oktoberfest

Ein Münchner Projekt nutzt Virtual-Reality-Brillen, um hospitalisierten oder mobil eingeschränkten Menschen einen virtuellen Besuch auf dem Oktoberfest zu ermöglichen. Die Technologie kommt insbesondere in der Kinderklinik Schwabing zum Einsatz – mit positiven Effekten auf Angst, Ablenkung und Therapieakzeptanz.

Quelle: dpa / Redaktion: Diana Künstler • 22.9.2025 • ca. 2:50 Min

Virtual Reality Oktoberfest
Kenan Bas (re.) schaut im München Klinikum Schwabing 360 Grad Videos vom Oktoberfest mit eine Virtual Reality-Brille von „VR4Kids“ und kann sich so von der Untersuchung ablenken. Christoph Ostler von der Entwicklerfirma Connected Reality erklärt Kenan die Brille.
© Daniel Löbdpa

Münchner Kinder, die um diese Jahreszeit im Krankenhaus liegen, vermissen eines oft ganz besonders: die Wiesn. Eine VR-Brille schafft nun Abhilfe und entführt auch Kranke, Alte oder anderweitig Beeinträchtigte mitten hinein in das wuselige Oktoberfest, ohne dass diese ihr Zuhause verlassen müssen.

„Wir haben Kinder, die unglaublich viel Zeit in dieser Klinik verbringen, die gar nicht am normalen Leben teilhaben können“, schildert Oberarzt Carsten Krohn von der München Klinik Schwabing. Dank Virtueller Realität (VR) könnten die Mädchen und Jungen dennoch „in der Realität virtuell dabei sein“. Auch ambulante Patienten lenke es vor unangenehmen Untersuchungen ab. „Schmerzen können Sie mit einer VR-Brille nicht nehmen, aber die Kinder haben vorwiegend Angst, und die Angst können sie durch Ablenkung durch Schwimmen mit Delfinen oder ähnlichem nehmen.“

360-Grad-Aufnahmen vom Oktoberfest

In der Brille können die Kinder durch verschiedene Welten bummeln, ganz neu auch über die Wiesn. „Wir haben mitten auf dem Oktoberfest produziert“, erzählt Christoph Ostler, der als VR-Experte die Initiative „VR4Kids“ gegründet hat. Dank der 360-Grad-Aufnahmen kann man mit der Brille durch die Geisterbahn oder mit dem Riesenrad fahren, die Münchner Rutschen hinuntersausen oder in einem Mandelstand direkt neben der Zuckerwattemaschine stehen. 

Nachdem der fast zehnjährige Kenan die Brille zum ersten Mal aufgesetzt hat, dauert es nur wenige Sekunden, bis er tief in die Welt des Oktoberfests eingetaucht ist. Als er virtuell durch die Geisterbahn fährt, schreckt er mit dem ganzen Körper zurück und gruselt sich sichtlich vor den scharfen Zähnen eines Wolfes, den in dem beschaulichen Untersuchungszimmer der Klinik außer ihm niemand sieht. Auf dem Teufelsrad wird ihm dagegen schwindelig, im Riesenrad ganz oben macht ihm die Höhe zu schaffen.

„Ich finde es toll, dass die Kinder das hier auf dem Gerät anschauen können“, sagt Kenan hinterher. Richtig echt habe es sich zwar nicht immer angefühlt, aber „im Teufelsrad hat es mich so schwindelig gemacht, weil es immer schneller wurde“. Da sei die Kameraversion schon fast zu 100 Prozent an die echte Realität herangekommen. 

Brille lenkt von der Angst ab

Oberarzt Krohn lobt die positiven Folgen der Technik. „Natürlich kann ich damit keine Krankheiten heilen.“ Aber Langeweile, Unzufriedenheit und Angst seien keine guten Begleiter im Heilungsprozess der Kinder. „Wenn sie durch eine VR-Brille zum Beispiel einfach glücklich sein können, abgelenkt sein können, keine Angst haben, dann ist es ein Baustein einer guten Therapie“, findet Krohn.

Der Kinderchirurg ist Fachmann für Kinder mit schweren Brandverletzungen und setzt die VR-Brille gerne bei Verbandswechseln ein. Richtig große, bis zu einer Stunde andauernde Verbandswechsel fänden zur Schonung der kleinen Patienten zwar ohnehin gleich in einem OP statt, schildert Krohn. „Aber wenn Kinder einfach nur Angst vor der Tatsache haben, dass man sie berührt, kann man sie mit der VR-Brille durchaus erfolgreich in eine Welt versetzen, die schmerzarme oder schmerzlose Prozeduren dann einfach möglich machen kann.“

Von der ersten Klasse bis ins hohe Alter geeignet

Auf dem virtuellen Oktoberfest werden die jungen Nutzer von zwei Kindern begleitet, von denen eines auch Gebärdensprache verwendet. „Also die Reaktionen sind immer die gleichen: Die Kinder sind begeistert, die strahlen, die lachen, die gehen mit mit den anderen, die sprechen die Kinder an, die sie da drin sehen, die sind tief im Erlebnis drin und freuen sich und verweilen da auch ziemlich lange“, bilanziert Initiator Ostler. 

Der Unternehmer beschäftigt sich schon seit vielen Jahren intensiv mit Virtueller Realität und hat erkannt, dass die Technik auch einen inklusiven Aspekt hat. Gedacht war „VR4Kids“ für Kinder mit Behinderung sowie anderweitigen Benachteiligungen – doch dann stellte sich heraus, dass die Zielgruppe viel breiter ist. „Gerade vorgestern hatten wir einen Herrn, der wahnsinnig gern normalerweise auf die Wiesn ging“, schildert Ostler. Jetzt, mit 92, müsse der Senior leider auf einen Besuch auf der Theresienwiese verzichten. Doch die VR-Brille brachte ihm zumindest das Gefühl zurück.

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