.Net: Innovative Technologie mit geringer Marktdurchdringung. Noch ist die Marktdurchdringung von .Net gering. Ein zu großer Installationsaufwand bei den Kunden, die .Net-Anwendungen einsetzen könnten, ist der Hauptgrund dafür. Befindet sich die .Net- Plattform erst einmal auf jedem Client, wird sich das schlagartig ändern.
Autor: Jenny Brannolte
Nahezu vier Jahre ist es her, seit Microsoft auf der Professional Developers Conference 2000 die Plattform .Net der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Die Entwickler, die gekommen waren, um sich den Nachfolger von Visual Studio 6 anzusehen, waren erstaunt und begeistert zugleich. Auch wenn es Alpha-Bits waren, die Microsoft zeigte, deuteten sie auf eine Revolution in der Softwareentwicklung hin.
Seit dem Sprung von der 16-Bit- in die 32-Bit-Welt, der mit dem Betriebssystem Windows 95 vollzogen wurde, hatte Microsoft die Programmierwerkzeuge, vor allem Visual Basic und Visual C++, stufenweise weiterentwickelt. Ein Umstieg fiel nicht schwer, er brachte in der Regel nur Vorteile: Die Programmierung wurde leichter, das fertige Produkt unterschied sich aber in den Systemvoraussetzungen nicht von der Vorgängerversion. Es konnte beim Kunden installiert werden, ohne dass dieser aufwändige Vorbereitungen treffen musste.
Die Entwickler hatten sich mit den Macken »ihres« Entwicklungssystems arrangiert. Manche dieser Unzulänglichkeiten wurden mit der jeweils höheren Version ausgemerzt, manche blieben. Es gab Tools und Workarounds, um sie auszugleichen. Und es blieben ein paar echte Ärgernisse, wie die so genannte »DLL Hell«, ein Problem, das bei der Verwendung verschiedener Versionen der gleichen Bibliothek auftritt und dazu führt, dass sich Anwendungen gegenseitig stören. .Net sollte diese nicht nur aus der Welt schaffen, sondern viele weitere Verbesserungen für Entwickler bringen. Wäre es nach ihnen gegangen, so hätte sich .Net schon bald nach seiner Markteinführung Anfang 2002 durchgesetzt. Doch die Kunden sahen es anders.
Zunächst einmal verpatzte Microsoft die Markteinführung und produzierte ein umfassendes Verständigungsproblem. War der Entwicklergemeinde ziemlich schnell klar, welche Vorteile .Net für sie brachte ? freie Wahl der Programmiersprache sogar über die Microsoft-eigenen Sprachen hinaus, bessere Speicherverwaltung, mehr Flexibilität beim Datenzugriff etc. ? wusste die überwiegende Mehrheit der IT-Welt gar nicht, was sich hinter dem Begriff .Net verbirgt.
Durch die ungenaue Kommunikation von Microsoft setzten es die einen mit Web Services gleich, andere hielten es für ein neues Betriebssystem und viele für eine leere Worthülse, die dazu dient, den Namen einer neuen Produktversion aufzupeppen. Das geschah nicht nur mit dem Windows Server 2003 und weiteren Server-Produkten, sondern zum Beispiel auch mit Office 2003, das zunächst Office .Net heißen sollte. Bis Microsoft diesen Fehler realisierte, war die Begriffsverwirrung bereits so groß, dass die eigentliche Bedeutung nur noch schwer vermittelt werden konnte. Abstrakte Begriffe wie »eine neue Plattform« halfen dabei nicht weiter.
Erst die Definition von .Net als »Software zur Verbindung von Informationen, Menschen, Systemen und Geräten« schaffte eine adäquate Beschreibung dessen, was erreicht werden soll. Ergänzt wurde diese Definition durch eine detaillierte Beschreibung der Architektur: .Net ist eine Schicht, die auf dem Betriebssystem aufsetzt und es um die Common Runtime Language (CRL) und die Base Class Library (BCL) ergänzt (siehe auch Grafik Seite 24). Die CRL dient dazu, die mit einer .Net-Programmiersprache geschriebenen Programme auszuführen. Die BCL enthält die dafür notwendigen Klassen.
Doch immer noch bleibt Microsoft es seinen potenziellen Kunden schuldig, genauere Argumente für einen Umstieg auf .Net zu liefern. Und immer noch sind es die Entwicklungspartner, die beim Kunden Überzeugungsarbeit liefern und .Net vermarkten.
Die tatsächliche Verbreitung von .Net ist zwar schwer zu quantifizieren. Fest steht, dass sich das Framework im US- Markt bereits gut etabliert hat. Es ist zu erwarten, dass auch der europäische Markt nachzieht und sich hier die Technologie bald stärker durchsetzen wird.
Während 2002 lediglich die so genannten »Early Adopters« auf den .NET-Zug aufgesprungen waren und ihnen nach der Markteinführung wenige folgten, zog die Verbreitung bereits 2003 deutlich an. GULP, das Portal für IT-Projekte, wies 2002 anhand seiner Auftragszahlen für .Net und J2EE noch darauf hin, »dass in gerade mal 0,3 Prozent der Projekte .NEt zum Einsatz kam, während J2EE in 1,9 Prozent der Projekte eingesetzt wurde«. Heute sieht es schon anders aus: Im Dezember 2003 lag die Anzahl der angebotenen .Net-Projekte mit 3,9 Prozent erstmalig über der Anzahl der J2EE-Projekte (3,6 Prozent).
Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Redmonder nicht nur mit Java als Konkurrenten kämpfen, sondern auch mit ihrem Erzrivalen ? nämlich Microsoft. So liegt der Anteil der C++-Projekte im vergangenen Jahr noch bei 8,0 Prozent im Vergleich zu 2,8 Prozent für .Net.
Die technologischen Vorteile von .Net werden kaum bezweifelt. Sofern eine .Net-Anwendung nicht die .Net-Plattform für die Ausführung benötigt, gibt es keinen Grund, die Technologie nicht schon jetzt einzusetzen. Das passiert auch in erster Linie bei der Entwicklung von Web Services, die firmenintern bestimmte Funktionalität zur Verfügung stellen, die dann unabhängig von der eingesetzten Plattform genutzt werden kann. Diese Unabhängigkeit ist der wesentliche Vorteil der Web Services ? ein .Net-Erfolg durch die Hintertür.
.Net-Anwendungen, die auf die .Net-Plattform angewiesen sind, wird es erst mit der Verbreitung der nächsten Windows-Version (Codename Longhorn) geben. Für Windows XP und Windows 2000 stehen zwar Updates zur Verfügung, um die .Net Plattform nachträglich zu installieren, doch ist eine solche Nachinstallation mit zu hohem administrativem Aufwand verbunden. In größeren Unternehmen werden bei Änderungen auf Betriebssystemebene umfangreiche Tests zur Lauffähigkeit der eingesetzten Software nötig. Nicht nur geschäftskritische Anwendungen kommen auf den Prüfstand, sondern auch die gesamte Büro- und Verwaltungssoftware muss auf die Verträglichkeit mit der neuen Betriebssystemkomponente getestet werden. Das schreckt aufgrund der hohen Kosten ab. So wird die Einführung von .Net wohl auf die nächste Aktualisierung des Betriebssystems verschoben.