Elektrohandwerk

"Neue Freiräume schaffen, um wettbewerbsfähig zu bleiben"

13. April 2021, 12:46 Uhr | Interview: Sabine Narloch

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Mehr Kompetenz- als Konkurrenzdruck

Smarthouse Pro: Könnte ein Teil der Branche durch die digitale Entwicklung abgehängt werden?

Dörflinger: Jede neue Technologie erfordert Spezialwissen. Wenn wir davon ausgehen, dass wir für jedes Spezialgebiet auch bei Krankheit oder Urlaub einen Stellvertreter haben sollten, müssen wir in größeren Betrieben für jedes Fachgebiet zwei bis drei Spezialisten pro Technologie ausbilden. Gerade bei Smart Home wird das Anforderungsprofil immer komplexer. Denn dabei spielen Elektromobilität, Solaranlage, Bus- und Sicherheitstechnik und eventuell sogar die Multiroom-Beschallung eine Rolle. Für Kleinbetriebe wird es schwer, alle Kernkompetenzen im eigenen Betrieb abzudecken. Hinzu kommen Herausforderungen wie Fachkräftemangel und Mitarbeiterbindung, denn auch hier braucht es Kompetenz und Konzepte.

Smarthouse Pro: Welche Auswege sehen Sie hier?

Dörflinger: Wollen die E-Handwerke auch künftig wettbewerbsfähig bleiben, müssen wir Kernkompetenzen und Netzwerke beziehungsweise Plattformen dafür generieren und Möglichkeiten finden, Arbeiten und Prozesse effizienter zu gestalten, um uns neue Freiräume zu verschaffen. Denkbar wäre etwa, dass sich mehrere Betriebe ein Projekt teilen, dass also die Experten für E-Mobilität, Wärmeversorgung. Komfortkomponenten, Bus- und Kommunikationstechnik gemeinsam ein Projekt planen und danach integriert ein Elektroniker für Gebäudesystemintegration – für diesen neuen Beruf wird ab 2021 ausgebildet – alle Bestandteile zu einem funktionierenden System.

Smarthouse Pro: Wie stark ist der Konkurrenzdruck für den klassischen Installateur durch die großen Internet-Technologieunternehmen?

Dörflinger: Die Digitalisierung wird den Markt radikal verändern. Derzeit ist der Konkurrenzdruck aufgrund des Fachkräftemangels allerdings noch wenig zu spüren. Eher herrscht ein Kompetenzdruck. Denn wir müssen das anbieten, was der Kunde erwartet. Und die Anforderungen steigen hier von Jahr zu Jahr. Das viel beschworene Risiko, dass große IT-Giganten wie Google oder Amazon künftig vermehrt Dienstleistungen an Kunden verkaufen, sehe ich. Ich bin aber nicht pessimistisch. Im Gegenteil: Auch im Bereich smarter und intelligenter Anwendungen hat das Handwerk den immensen Vorteil, lokal agieren und auf persönliche Kontakte zurückgreifen zu können. Der Handwerker vor Ort kennt seine Kunden nicht nur viel besser. Er kann ihnen auch einen Alles-aus-einer-Hand-Service bieten. Das verschafft uns einen großen Vorteil, den wir unbedingt nutzen sollten.

Smarthouse Pro: Im Smart-Home- und Smart-Building-Bereich gibt es sogenannte Planungs-Konfiguratoren, die von Herstellern für die Endkunden angeboten werden: Sind solche Tools Unterstützung oder eher Konkurrenz für Installateure?

Dörflinger: Generell gilt: Der Kunde ist heute besser informiert als je zuvor.  Aus meiner Sicht ist das gut, denn es spart Zeit im Kundengespräch. Was die Konfiguratoren angeht, so gehört ihnen die Zukunft. Beim Autokauf hat sich der Einsatz solcher Instrumente schon lange bewährt. Ein Problem sehe ich allerdings in der Qualität der meisten Konfiguratoren. Denn das Ergebnis sind oft reine Artikelstücklisten, ohne Kabel, Leitungen und Zubehör. Eine Ausnahme stellt zum Beispiel der E-Konfigurator dar. Er ist hersteller-unabhängig, kann dafür genutzt werden, sämtliche Komponenten eines Gebäudes zu konfigurieren und ist in der Lage, Stücklisten mit den entsprechenden Leistungsdaten zu kombinieren, so dass daraus ein Angebot entsteht.

Smarthouse Pro: Erfordert dieses stärkere Vorwissen der Kunden heutzutage eine neue Art der Zusammenarbeit mit den Kunden und neue Kompetenzen bei den Installateuren?

Dörflinger: Auf jeden Fall. Es gibt viele Kunden, die mit einer sehr hohen Erwartung zu ihrem Fachmann kommen. Ist dieser dann nicht in der Lage, fachlich kompetent zu beraten, wird es mit einem Auftrag schwer. In der Konsequenz bedeutet das dann: Wir müssen uns auch mit Systemen beschäftigen, die wir eigentlich gar nicht verkaufen wollen.


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