Die Zeit des reinen Hypes ist vorbei: Software as a Service (SaaS) etabliert sich als Alternative zu klassischen Anwendungen. Nach Einschätzungen von Gartner wird sich der gesamte SaaS-Umsatz bis 2012 mehr als verdoppeln. Nun gibt auch Microsoft seine zögerliche Haltung auf und schwenkt mit »Azure« und »Office-Web« voll auf den Internet-Kurs ein.
Für Microsoft ist es eine Revolution, für viele Beobachter und Analysten ein lange überfälliger Schritt: Microsofts oberster Software-Architekt Ray Ozzie hat auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz PDC in Los Angeles die neue Technologie-Plattform »Azure« und das dazugehörige Betriebssystem »Windows Azure« vorgestellt. Damit tritt der weltgrößte Software-Hersteller nach langem Zögern mit aller Konsequenz ins wachsende Geschäft mit Services ein, die über das Internet genutzt werden können. Einen »Wendepunkt für Microsoft und die Entwicklergemeinschaft « nennt Ozzie die neue Plattform, mit der sich der Hersteller vor allem im Kampf gegen Google rüstet. Der Internet- Primus bietet bereits seit 2006 mit Google Apps erfolgreich Software über das Web an, die Microsofts Office-Programmen Word und Excel ähneln. Mit Azure stellt Microsoft nun Werkzeuge zur Verfügung, mit denen Entwickler neue Anwendungen für das so genannte Cloud Computing schreiben können, die dann über Partner vertrieben und von Microsoft in weltweiten Rechenzentren gehostet werden können. »Microsoft hat ein interessantes Modell vorgestellt, das in dieser Form natürlich nicht ganz neu ist«, sagt Andreas Zilch, Vorstand des Marktforschungsunternehmens Experton Group. »Jetzt kommt es vor allem darauf an, wie konsequent sie es umsetzen.« Zilch prognostiziert dem Modell grundsätzlich gute Erfolgschancen, da es mittlerweile auch in Deutschland eine steigende Nachfrage gebe.
Microsoft könnte mit seinem Paradigmenwechsel einem Markt zusätzliche Schubkraft verleihen, der in den vergangenen Monaten auch ohne den Beitritt des Software-Riesen schon im Abheben begriffen war. Laut einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstitutes Gartner wird der weltweite Umsatz mit Software as a Service in den Märkten für Unternehmensanwendungen in diesem Jahr 6,4 Milliarden US-Dollar überschreiten, was einem Zuwachs von 27 Prozent gegenüber den 5,1 Milliarden Dollar aus dem Vorjahr entspricht. Gartner schätzt, dass sich der SaaS-Markt bis zum Jahr 2012 mit einem Umsatz von 14,8 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln wird.
Die Nutzung von SaaS wird den Analysten zufolge weiter zunehmen, da einerseits Neulinge die etablierten Anbieter im Markt herausfordern, andererseits der Zuspruch und das Interesse an Plattformen as a Service wachsen. »Die Beliebtheit des On-Demand-Modells hat sich in den letzten vier Jahren maßgeblich gesteigert«, sagt Sharon Mertz, Research Director bei Gartner. Die anfängliche Besorgnis in Bezug auf Sicherheit, Reaktionszeiten und Service-Verfügbarkeit habe bei vielen Unternehmen nachgelassen, da SaaS-Geschäftsmodelle mittlerweile ausgereift seien und vielerorts eingesetzt werden. Der Eintritt von »großen Namen« tut sein Übriges, wie Chris Pang, Principal Research Analyst bei Gartner, erklärt: »Bekannte Hersteller wie SAP oder Microsoft erzeugen gerade bei Unternehmen, die sich wenig mit IT-Fragen beschäftigen, eine Art Feel-good-Faktor.« Dieser führe dazu, dass SaaS als Alternative überhaupt wahrgenommen werde.
Vergleichsweise etabliert und am umsatzstärksten sind Gartner zufolge SaaSAngebote rund um Content, Communication & Collaboration (CCC). Der weltweite Gesamtumsatz wird sich in diesem Segment 2008 auf 2,1 Milliarden Dollar belaufen. Vor allem Web- und Video-Conferencing, aber auch Enterprise Content Management (ECM) spielen hier eine wichtige Rolle. Gartner geht davon aus, dass sich bis 2012 das Volumen auf 4,7 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt. Das größte Wachstumspotenzial sieht Gartner allerdings im Bereich der Office-Lösungen, die sich aktuell noch auf einem eher niedrigen Niveau bewegen. Den Analysten zufolge werden sich die jährlichen Umsätze in diesem Bereich allerdings bis zum Jahr 2012 verdoppeln und ein Gesamtvolumen von 1,9 Milliarden US-Dollar erreichen. Gartner schätzt, dass SaaS-Lösungen und webbasierte Gratisangebote dann rund neun Prozent des gesamten Software- Marktes ausmachen.