Trader ade?

16. Juni 2005, 0:00 Uhr |

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Trader ade? (Fortsetzung)

Trader sind ­Schlüsselfiguren
Dafür, dass der CDA-Prozess funktioniert, sind in der heutigen Welt die Market Maker und Trader zuständig. Sie koordinieren Angebot und Nachfrage, bis ein Deal zustande kommt und werden dafür reichlich bezahlt. Für die Tätigkeit braucht man Konzentration und Aufmerksamkeit, Reaktionsschnelligkeit und ein Blick fürs feinste Detail. Der Trader scheint unersetzliches Element des Finanzsystems zu sein.
Das könnte sich bald als Illusion entpuppen. Denn im Jahr 2001 gelang der Nachweis, dass Algorithmen, die eine CDA simulieren, nicht nur die gleichen, sondern sogar bessere Verteilungsergebnisse erzielen als menschliche Trader. Vielerorts wird nun bereits daran gearbeitet, die Trading-Algorithmen so weit zu vervollkommnen, dass sie eines Tages vielleicht den menschlichen Trader und damit auch alle mit ihm assoziierten Kosten überflüssig machen könnten.
Dave Cliff arbeitet bei den HP Labs in Bristol. Er ist der Erfinder des derzeit leistungsfähigsten Trading-Algorithmus. Er konstruierte sogenannte ZIP-Agenten (Zero-Intelligence Plus), Software-Agenten, die die Rolle menschlicher Trader übernehmen. Das Plus für die sehr rudimentären Lernmechanismen des Algorithmus. Vorläufer-Agenten ohne jede Intelligenz und mit der einzigen Anweisung, niemals einen Verlust zu machen, waren von menschlichen Tradern übertroffen worden. Die ZIP-Agenten aber verhalten sich menschenähnlich, das heißt, sie realisieren auch mal einen Verlust und lernen, wenn auch nach einfachsten Regeln, dazu. Der ZIP-Algorithmus wurde 1997 als Open Source publiziert. IBM stellte im Jahr 2001 einen ähnlichen Algorithmus vor. Es zeigte sich, dass auch dieser bessere Ergebnisse erzielte als menschliche Händler. Cliff formuliert die ernüchternde und gleichzeitig revolutionäre Erkenntnis: »Die Intelligenz steckt in erster Linie im Marktmechanismus und nicht im Trader.«
Was das für die gutverdienende Berufsgruppen bedeutet, ist derzeit noch unklar. »Man denkt derzeit vor allem daran, die Trader durch derartige Algorithmen zu unterstützen«, sagt Cliff. Es gebe bereits Banken, die seinen ZIP-Algorithmus nutzen. Welche, will er nicht sagen. Wen wundert`s?

Chancen auf effizientere Märkte
Die Möglichkeiten von Trading-Algorithmen gehen allerdings noch wesentlich weiter als bisher angedeutet. So kann man die digitalen Trader auch auf künstliche, in der »Echtzeitwelt« bisher nicht genutzte Handelsmechanismen programmieren. Zum Beispiel könnte man versuchsweise zwei Angebote von Käufer- jeweils einem von Verkäuferseite gegenüberstellen oder das erste Käuferangebot erst nach neun Verkäuferofferten entgegennehmen. Dann könnte man prüfen, ob man so dem theoretischen Gleichgewichtspreis näher kommt als mit den bisher üblichen Marktmechanismen.
Möglich ist auch, den Algorithmus entsprechend dem aktuellen Wert bestimmter Parameter anzupassen. Solche Parameter könnten zum Beispiel Wechselkurse, Zahl der Bieter, Entwicklung des Vortageskurses oder Ähnliches sein. Anhand der aktuellen Werte der Parameter würde ein solcher Algorithmus seine Handelsregeln gemäß den herrschenden Konditionen selbst auswählen.
Mit Hilfe parametrisierter Algorithmen könnte man zum Beispiel erforschen, für welche Art Markt welche Art von Algorithmus die besten Ergebnisse brächte. Theoretisch wäre es denkbar, dass Ungleichgewichte, die heute aufgrund unterschiedlicher Marktmacht von Käufer und Verkäufer zustande kommen, durch entsprechend konstruierte Handelsmechanismen ausgeglichen werden können. Heute beschäftigt diese Aufgabe große Regulierungs-Bürokratien - mit durchaus zweifelhaftem Erfolg.
Versuche mit diesem Ziel wurden schon unternommen. Sie ergaben, dass künstliche Trading-Algorithmen, die von den drei am Anfang genannten Grundmechanismen abrücken, tatsächlich bessere Ergebnisse erbringen. Möglich sind heute bereits Algorithmen, die den verwendeten Trading-Mechanismus mit Hilfe der Werte von 60 Paramtern automatisch bestimmen. Da die Werte dieser Parameter sich ständig ändern können, würden sich in einem solchen System die Handelsregeln ständig ändern - aber immer mit dem Ziel, den realen Preis möglichst nah am optimalen Gleichgewichtspreis zu halten.
Außerdem waren die Han­dels­algorithmen in den bis­he­rigen Experimenten schock­resistenter als die mensch-
liche Konkurrenz. Sie wären also besser geeignet, rasante Marktabstürze zu bremsen und überhitzte Reaktionen auszupegeln - gerade im ­Kielwasser der letzten Baisse sicher ein Thema mit hoher Priorität.

Handelsalgorithmen und Utility Computing
HP denkt für seine Handelsalgorithmen aber zunächst an andere Anwendungsgebiete, nämlich das Utility Computing. Auch hierbei geht es darum, viele Res­sourcen gerecht an viele Bieter zu verteilen, und zwar mit möglichst geringem Aufwand, wobei für den Anbieter der Ressource auch noch ein Gewinn herausspringen soll.
Doch es könnte gut sein, dass Anwendungen für den Finanzmarkt den höheren Gewinn versprechen. In einer Welt automatisierter Handelsalgorithmen wäre der Trader nicht mehr Herr über Geldströme, sondern womöglich nur noch der Mann am Knöpfchen, der bei Notfällen eingreift.
Cliff vergleicht die Rolle des durch automatisierte Trading-Systeme unterstützten Händlers mit der eines Piloten einer großen Verkehrsmaschine. »Der wird ja auch nicht überflüssig, obwohl diese Maschinen automatisch starten und landen können«, meint er. Das stimmt.
Aber unter dem Sitz eines Piloten befinden sich, wenn etwas schief geht, zehntausend Meter Luft, und im Notfall entscheidet er womöglich über das Leben aller Menschen in der Maschine. Ein Trader dagegen sitzt ungefährdet auf seinem Stuhl. Seine Kunden oder sein Institut verlieren höchstens Geld, aber nicht ihr Leben. Insofern ist die Überlebenschance der Trader als Berufsstand im heraufdämmernden Zeitalter der automatischen Handelsalgorithmen sicher erheblich geringer als die der Piloten.


  1. Trader ade?
  2. Trader ade? (Fortsetzung)

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+