Als Kind war ich von unserem Sonnensystem begeistert. Mit einem Fernrohr spähte ich abends in den Himmel, um einen Blick auf den Mond oder die Venus zu erhaschen.
Die neun Planeten kannte ich natürlich auswendig, mir half dabei die Eselsbrücke »Mein Vater erklärte mir jeden Sonntag unsere neun Planeten «. Daraus konnte man leicht die Himmelskörper Merkur,Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto ableiten.
Doch jetzt wird das Kosmosbild vieler kleiner Nachwuchsastronomen nachhaltig erschüttert. Der Pluto gilt künftig nicht mehr als vollwertiger Planet, sondern nur noch als Zwergplanet, als Himmelskörper zweiter Klasse also. Eine neue Definition ist schuld am Zwangsabstieg: Planeten müssen ab sofort um die Sonne kreisen, sich unter Einfluss der eigenen Schwerkraft zur Kugel geformt haben und ausreichend Gravitation besitzen, um die kosmische Umgebung von kleinen Objekten zu reinigen. Das letzte Kriterium war der K.O. für Pluto.
Ich denke, dass nicht das traurige Schicksal des eisigen Pluto das Interessante an dieser Debatte ist. Vielmehr belegt diese die Macht des Wortes, genauer das der Definition.Was geschieht, wenn dieses Beispiel Schule macht? Wenn plötzlich etablierte Tatsachen, Objekte oder Artefakte durch Definitionen obsolet werden?
Beispiel Distribution. Die Definition laut Online-Enzyklopädie Wikipedia: »Großhandel (engl. wholesale) im funktionellen Sinne liegt vor, wenn Marktteilnehmer Güter, die sie in der Regel nicht selbst be- oder verarbeiten (Handelswaren), vom Hersteller oder anderen Lieferanten beschaffen und an Wiederverkäufer,Weiterverarbeiter, gewerbliche Verwender (z.B. Behörden, Bildungsstätten) oder an sonstige Institutionen (z.B. Kantinen,Vereine), soweit es sich nicht um private Haushalte handelt, absetzen.«
Wenn diese Definition konsequent umgesetzt würde, müssten sich wohl einige Grossisten Sorgen um ihren Distributions-Status machen. Schließlich beliefern nicht wenige Firmen private Endkunden – häufig über Online-Shops unter anderen Namen. Das schrieb uns erst in der vergangenen Woche wieder ein aufgebrachter Leser. Details über diese Auseinandersetzung finden Sie übrigens auf Seite 4.
Ich werde mich jedenfalls heute Abend mit einem Weißbier auf den Balkon setzen, in den Sternenhimmel schauen und mir eine neue Eselsbrücke für Zwergplaneten überlegen.
Mit den besten Grüßen,
Markus Reuter