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Kopfnuss

Verwaltungswütig

Verwaltungswütig

Autor:Redaktion connect-professional • 5.10.2006 • ca. 1:25 Min

Bürokratieabbau in Deutschland funktioniert so: Ein Ministerium verkündet Änderungen, gründet eine Programmkommission, bestehend aus Ministerialbeamten unter Führung eines Staatssekretärs inklusive Vertretern aus Spitzenverbänden der Industrie und gegebenenfalls Mitgliedern von Selbstverwaltungsorganen, die erste Eckpunkte in einem Strategiepapier zusammentragen, dessen detaillierte Ausgestaltung sie zur Erstellung eines Verwaltungsdurchführungsentwurfs einem Reformarbeitskreisausschuss »Bürokratieabbau « übergeben. Nach Jahren ist der erste Entwurf fertig, der unter großem Pomp der Presse vorgestellt wird. Danach zerfleischen sich alle Reformer und die Reform wird dort hingespült, wo alle Beteiligten sie zu Anfang schon wünschten: In den Orcus (um nicht Locus zu sagen). Wie eine Reform, und um nichts anderes handelt es sich bei diesem Versuch Bürokratie einzudämmen, vorbildlich aussieht, demonstriert derzeit die Bundesregierung mit der Gesundheitsreform.

Ministerin Ulla Schmidt, die als eine Art Krankenkassen- Amazone tapfer für die Sache kämpft, hält dabei am bewährten Anti-Bürokratiekonzept fest. Ein Gesundheitsfond, der die Kassenbeiträge einzieht, verwaltet, nach einem komplizierten Schlüssel wieder an die Krankenkassen auszahlt. Das ist so, als würde ein Passagier die Kosten für ein Flugticket von München nach London wie folgt überweisen: 23,90 Euro gehen an Shell für das Kerosin, 49 Euro bekommt der Flughafen für die Start- und Landegebühren einschließlich Sicherheitskontrollen, 55 Euro sind an die Leasinggesellschaft abzuführen, über welche die Lufthansa ihre Flugzeuge finanziert, und nicht zu vergessen: 3,90 Euro für Endreinigung der Maschine an einen externen Dienstleister.

Im Gegensatz zur Politik, so muss man leider feststellen, stellt sich die Industrie geradezu tölpelhaft an, wenn von Reformen die Rede ist. Effizienz steigern, Produktivität erhöhen, Kosten sparen – kein Mensch hierzulande, geschweige denn Politiker, lässt sich von Projekten beeindrucken, die solche Verbesserungen versprechen.

Übrigens auch nicht in Großbritannien: Wegen der Deutschen Post-Tochter DHL haben mehrere Hundert Beschäftigte auf der Insel vergangene Woche die Arbeit niedergelegt. Sie demonstrierten dagegen, dass der Logistiker künftig für die rund 600 staatlichen Krankenhäuser die Belieferung durchführt. Leichtsinnigerweise sickerte durch, dass das chronisch defizitäre Gesundheitswesen in Großbritannien mit dieser Auftragsvergabe knapp 1,5 Milliarden Euro einsparen werde.