Web 2.0: An Social Computing führt kein Weg vorbei
Web 2.0: An Social Computing führt kein Weg vorbei

Die Chancen und Risiken des Web 2.0 für den privaten Nutzer werden bereits heiß diskutiert. Dem schier grenzenlosen Austausch in Peer Groups zu jedem nur vorstellbaren Interessensgebiet stehen die dunklen Seiten des Internets gegenüber. Der gläserne Mensch, der in Foren wie MySpace detaillierte private Informationen über sich preisgibt, macht sich angreifbar. Keiner kann wirklich absehen, wer sich diese Informationen zu Nutze macht: In den USA werden bereits Millionen mit Identitätsklau verdient. Für den globalen Wettbewerb birgt das Web 2.0 viele Chancen. Unternehmen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sie die Vorteile dieser Technologien für sich nutzbar machen wollen. Denn Web 2.0 oder Social Computing verändert die Art und Weise, wie Unternehmen künftig Werte schaffen, dramatisch. Um die Zusammenarbeit von Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Communities weltweit zu verbessern, spielen Technologien wie Instant Messaging, Blogs, Portale, RSS, Atom Feeds oder Wikis eine immer größere Rolle. Sie ermöglichen es Unternehmen, das kollektive Wissen und die geballte Kreativität aller Teilnehmer des Unternehmensnetzes voll auszuschöpfen. Collaboration Tools bieten einen kostengünstigen Zugang zu Expertenwissen und tragen dazu bei, Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse wirkungsvoll zu beschleunigen. Die Basis für die integrierten Werkzeuge ist dabei ein intelligenter Arbeitsplatz in Form eines Unternehmensportals. Ein solches Portal bietet dem Wissensarbeiter einen an die jeweilige Situation angepassten sinnvollen Mix der modernen Kommunikationsmittel und hilft ihm, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ein Beispiel, wie Web 2.0 in Unternehmen heute schon funktioniert, ist IBM selbst: über 300000 Mitarbeiter nutzen weltweit Instant Messaging (IM), und in Spitzenzeiten sind bis zu 60 Prozent aller Mitarbeiter parallel in Lotus Sametime eingeloggt. Konkret bedeutet das: 3,5 Millionen weniger Telefonate, E-Mails und SMS jeden Tag. IM hilft, wenn es darum geht, Abstimmungsprozesse zu beschleunigen. Das ist dann am besten organisiert, wenn diese Technologie unmittelbar in alle Geschäftsanwendungen über Portale, Webseiten und Workflows integriert ist. Mit der neuen Software beschleunigen Unternehmen nicht nur ihre Innovationszyklen und ihre Produktivität. Vielmehr akzeptieren auch die Mitarbeiter Veränderungen in ihrem Arbeitsalltag bereitwilliger, wenn sie selbst einen Teil zu den neuen Ideen beigetragen haben. Denn die Zeiten sind vorbei, in denen Innovationen nur auf Druck der Geschäftsführung durchgesetzt werden konnten oder die Zusammenarbeit von Mitarbeitern im Unternehmen auf kleine Gruppen beschränkt war. Neben all diesen Vorteilen sind mit Web-2.0-Technologien indes auch Risiken verbunden. Diese werden vor allem dann eklatant, wenn das Management nicht weiß, wie mit den neuen Herausforderungen umzugehen ist. Ein Unternehmen, das sich über Blogging der Kommunikation mit seinen Kunden und Partnern öffnet oder Mitarbeiter-Blogs befürwortet, muss auf kritische Kommentare gefasst sein und professionell darauf reagieren. Viele Unternehmen beschäftigt zudem die Frage, wie die bereits ausgelasteten Mitarbeiter die zusätzlichen Informationen, die sie über das soziale Computing erhalten, verarbeiten und sinnvoll in ihren Arbeitsalltag integrieren können. Der Mitarbeiter ist heute stärker gefordert, sich im Informationsdschungel zu orientieren. Der Ökonom und Management-Theoretiker Peter Drucker brachte das bereits 1999 mit der Forderung nach Eigenverantwortung des Wissensarbeiters für den Beitrag, den er leistet, auf den Punkt. Doch auch hierfür kann man die neuen Technologien für sich arbeiten lassen – vorausgesetzt, man weiß sie gezielt anzuwenden: zum Beispiel, indem man mit Feeds relevante Neuigkeiten aus der Informationsflut herausfiltert. Am Anfang müssen Unternehmen tatsächlich ein größeres Ausmaß an kontrolliertem Chaos akzeptieren. Dieser Tatsache müssen wir uns stellen – je schneller, desto besser. Denn gerade in Deutschland neigen die Unternehmen dazu, wichtige Entwicklungen durch Unschlüssigkeit zu verzögern. Beispielsweise diskutieren manche noch, ob IM tatsächlich die Profitabilität steigert. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Web-2.0-Nutzung ein wesentlicher, kritischer Erfolgsfaktor in der Globalisierung und damit auch für den Standort Deutschland darstellt.
Sebastian Krause ist Vice President der Software Group von IBM in Deutschland.