Web 2.0 ante portas Second Life entwickelt sich zum Tummelplatz der Marken. Doch es gibt auch weit bodenständigere Wege, Web-2.0-Technologien für Unternehmen nutzbar zu machen.RSS, Wikis und Co sind kaum noch wegzudenken.
Was bedeuten Web-2.0-Technologien für Unternehmen? Wo werden sie eingesetzt, und wie viel Aufwand kostet das? IDC untersuchte den Web-2.0-Einsatz in amerikanischen Firmen unterschiedlicher Größen. Ergebnis: Die neuen Tools wie Blogs, RSS, Wikis (siehe Kasten) sind vor allem beliebt, weil sie es vereinfachen, die in der Unternehmensstruktur verankerten Kommunikationsgrenzen aufzuweichen. Deshalb vielleicht sind sie in größeren Firmen auch verbreiteter als in kleineren. Die Ausbreitung und die Administration der Web-2.0-Techniken erfolgt, eigentlich erstaunlich, derzeit vorwiegend ohne das offizielle IT-Management. Wie aber sieht es bei deutschen Unternehmen aus? BMW zum Beispiel startete im Herbst Versuche mit Podcasting von der IAA. Im Januar 2006 ging es weiter: »Unser Video-Podcast zur Detroit Motorshow 2006 hat es unter die Top 20 bei iTunes Deutschland geschafft«, sagt BMW-Pressesprecher Markus Sagemann. Distribuiert wurden die Drei-Minuten-Beiträge über Portale. Große Kosten entstanden nicht, da sowieso Filmteams vor Ort waren. Blogs, in denen Fans und Fahrer schreiben, verwendet man zum Beispiel rund um den Mini oder zum Thema Segeln, da BMW und Oracle am Americas Cup teilnehmen. Für die Fahrer und Fans der M-Serie baut BMW eine separate Community auf, die als Kundenbindungsinstrument dienen soll. Man registriert sich dort mit der Fahrgestellnummer, später soll die Online-Gemeinschaft allerdings für alle offen sein. Außerdem läuft bei BMW ein Wiki-Pilotversuch. Die Wiki soll den internen Wissensaustausch fördern und für alle Themen offen sein. Während BMWs Markenzeichen durch und durch unvirtuelle Fahrzeuge sind, bewegt sich buch.de Internetstores, ein Tochterunternehmen der Douglas-Gruppe, seit jeher in der virtuellen Welt. Der Online-Buchhändler, dem unter anderem die Läden Thalia.de, thalia.at und thalia.ch, buch.de, bol.de, buch.ch und bol.ch gehören, setzte 2006 50,1 Millionen Euro um, ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. »Dabei sind wir kein Kaufhaus, sondern verdienen unser Geld zu 80 Prozent mit Büchern«, betont Dr. Bettina Althaus, Leiterin Unternehmenskommunikation.
Wikis für das Marketing Tatsächlich plant die Firma den Einsatz diverser Web-2.0-Technologien oder nutzt sie schon. So werden intern Wikis verwendet und sehr gut angenommen. Es gibt sie zum Beispiel für das Marketing oder für alle Prozesse rund um Beschwerden und Mahnungen. »Wir verwenden es als Schulungswerkzeug, anhand dessen ich erfahre, wie die internen Prozesse ablaufen«, erklärt Althaus. Weiter will buch.de seine Shops mit mehr innovativen Elementen ausrüsten, die die Suche verkürzen. So sollen zum Beispiel Ausklappmenüs sichtbar werden, sobald die Maus über die entsprechenden Menüpunkte läuft. Es soll eine Plattform für Leser entstehen, in die sie ihre eigene Bibliographie oder Rezensionen einstellen können. »Unsere Besucher wollen keine Empfehlungen irgendwelcher Firmen«, sagt Althaus. »Die wollen sehen, was andere lesen.« Es gibt noch mehr Beispiele: Das Marktforschungsunternehmen Berlecon zitiert in seiner Untersuchung »Web 2.0 in Unternehmen« zum Beispiel die Internetplattform Immobilienscout, die intern ein Wiki nutzt, um Projekte zu dokumentieren. Berlecon selbst verwendet zum themenspezifischen Austausch von Informationen mittlerweile ein Social-Bookmarking-System. Und der Consulter Pentos lässt seine Mitarbeiter Weblogs führen.
Echtes Geschäft oder große Illusion? Viele, die sonst aktiv Web 2.0 nutzen oder das erwägen, sind in Second Life aktiv. BMW zum Beispiel mit der Insel »BMW New World«. Auf der Plattform ist ständig ein Mitarbeiter in virtueller Gestalt präsent, den vorbeischlendernde Avatare ansprechen können. Mit ihnen tritt der Mitarbeiter virtuell in Dialog. »Bei BMW beschäftigt sich ein Teil einer Abteilung für Marketinginnovationen mit dem Thema. Insgesamt arbeiten dort maximal 20 Leute, mit Web-2.0-Themen befassen sich fünf«, erklärt Sagemann. BMW will hier weiter investieren, aber in Maßen. Mit der Resonanz ist man sehr zufrieden. Buch.de plant, den BoL Mediadome im Second Life zu einem virtuellen Kaufhaus auszubauen. »Wir versprechen uns davon Imagewerbung und Umsatz«, betont Althaus. Klickt man auf ein Bild, wird man dann zu einem normalen buch.de-Shop umgeleitet. Zudem sind separate Angebote für Second-Life-Besucher, zum Beispiel Literaturaktionen, vorgesehen. Insgesamt, so Althaus, scheine es ihr aber noch unklar, wohin sich Web 2.0 entwickelt. »Wir wollen auf jeden Fall dabei sein, wenn der Zug abfährt«, betont die Managerin. 2007 sei das Jahr des Experimentierens, nächstes Jahr wolle man Ergebnisse sehen. »Im Moment nehmen wir deshalb nicht viel Geld in die Hand. Dann können wir schmerzlos zurück, wenn sich die Sache als Sackgasse entpuppt«, meint sie.
Virtuelle Schuhe virtuell testen Auch der Sportschuhspezialist Adidas hat im September 2006 eine Second-Life-Dependance mit Trainingsgelände errichtet, wo die Besucher ihre neuen virtuellen Schuhe virtuell testen können. Kaufen kann man dort den Adidas 3 Microride für 50 Linden-Dollar. Bis Januar 2007 wurden 23000 Paar virtuelle Schuhe verkauft und 36000 Avatare haben die Adidas-Insel besucht. Frank Naujoks, der als Analyst bei IDC die Themen Enterprise Applications und Software betreut, meint dazu: »Second Life funktioniert als Testmarkt. Firmen können sich dort darstellen und Begehrlichkeiten wecken.« Es geht um den Aufbau von verlockenden Wunschwelten, um Selbstdarstellung und Lifestyle. Second Life hin oder her, die Technologien des Web 2.0 haben vielfältige Nutzeffekte. Die Marktforscher von Berlecon Research nennen folgende: Web-2.0-Technologien vereinfachen die Zusammenarbeit auf Projekt- und Prozessebene, ermöglichen es, Inhalte situationsbezogen zu nutzen, Wissen flexibler zu nutzen und Innovationsprozesse anzustoßen. Allerdings brauche es dazu Standards, eine offene Unternehmenskultur, richtige Integration mit vorhandenen Anwendungen und die gezielte Auswahl der passenden Technik für den jeweiligen Zweck. Wer das berücksichtigt, kann von Wiki und Co. profitieren.