5G-Campusnetze: Strategischer Erfolgsfaktor oder kostspieliges Risiko?
Private 5G-Campusnetze gelten als Schlüsseltechnologie für die industrielle Digitalisierung. In der Praxis scheitern jedoch viele Projekte an mangelnder Planung, unklaren Zielen und fehlender Integration. Wie ein strukturierter Projektansatz und eine fundierte Betriebsstrategie dabei helfen können, Risiken zu minimieren und die Technologie wirtschaftlich nutzbar zu machen.
5G-Campusnetze gelten seit einigen Jahren als der nächste große Schritt in der industriellen Digitalisierung und als leistungsfähige Alternative zu klassischen WLAN-Netzen. Unternehmen versprechen sich von ihnen eine höhere Zuverlässigkeit, geringere Latenzen, bessere Abdeckung in Produktionsumgebungen sowie mehr Sicherheit und Souveränität durch eigene Funklizenzen. Ein eigenes, abgeschottetes 5G-Netz soll die Vorteile moderner Mobilfunktechnologie mit der Kontrolle eines lokalen IT-Systems verbinden und damit die Grundlage schaffen, mobile Roboter, autonome Transportfahrzeuge, Sensorik oder AR/VR-Anwendungen effizienter und sicherer zu betreiben.
In der Praxis zeigt sich jedoch häufig ein anderes Bild: Viele Projekte starten mit großem Enthusiasmus, überschreiten Zeit- und Budgetrahmen oder werden letztlich nur sehr eingeschränkt genutzt. Typische Ursachen sind eine unklare Zieldefinition, unterschätzte technische Komplexität, mangelnde interne und externe Kompetenzen sowie eine unzureichende Abstimmung zwischen den beteiligten Fachbereichen. Die Folge sind enttäuschte Erwartungen, ungenutzte Investitionen und die späte Erkenntnis, dass ein 5G-Campusnetz kein „Plug-and-Play-Produkt“ ist, sondern ein komplexes, unternehmenskritisches Infrastrukturprojekt mit strategischer Bedeutung.
Damit solche Pleiten, Pech und Pannen nicht zur Regel werden, lohnt sich ein strukturierter Blick auf die häufigsten Fehler – und auf die Wege, sie zu vermeiden.
Die Planungsphase
Ein 5G-Campusnetz wird mitunter eingeführt, weil es als „State of the Art“ gilt oder weil Fördermittel verfügbar sind. Handelt es sich dabei um ein reines Innovations- oder Forschungsprojekt, um Erfahrungen zu sammeln, kann dieser Ansatz durchaus sinnvoll sein.
Soll das System jedoch produktiv eingesetzt werden und konkrete Aufgaben im Unternehmen erfüllen oder bestehende Technologien ablösen, ist eine solche Herangehensweise nicht ausreichend. Erforderlich ist eine fundierte Analyse mit klar definierten Anwendungsfällen, Nutzenargumenten und Erfolgskriterien, die in einem belastbaren Businessplan dokumentiert werden. Nur so lässt sich das Projekt zielgerichtet steuern und wirtschaftlich bewerten. Als Infrastrukturprojekt muss das 5G-Campusnetz die übergeordneten Unternehmensziele unterstützen und in die strategische Planung eingebettet sein.
Auch die technische Seite der Planungsphase leidet häufig unter ähnlichen Defiziten. Nicht selten fehlt eine fundierte Bestandsaufnahme der Ausgangssituation. In der Regel handelt es sich um Migrationsprojekte im laufenden Betrieb, bei denen neben den verschiedenen zu versorgenden Umgebungen wie Produktionshallen, Außenflächen oder Logistikbereiche auch sämtliche einzubindenden Geräte, Systeme und Prozesse von zentraler Bedeutung sind.
Ein weiterer häufiger Fehler ist die zu frühe Festlegung auf konkrete Technologien oder Anbieter, bevor die Anforderungen sauber analysiert wurden. Die Folge sind Lösungen, die nicht optimal zu den tatsächlichen Bedürfnissen passen. Gute Planung bedeutet daher:
- systematische Bestandsaufnahme
- Definition der Anforderungen im Lastenheft
- Einbindung aller relevanten Stakeholder
- realistische Kostenkalkulation unter Berücksichtigung des gesamten Lifecycles (zum Beispiel Betrieb, Wartung, Erweiterung)
Zentrale Themen in Feinplanung und Betrieb
Systemintegration in IT und LAN/WAN
Ein 5G-Campusnetz ist nahezu nie ein isoliertes System. Es ist eng verzahnt mit bestehenden IT-Netzen, Rechenzentren, Sicherheitsarchitekturen und OT-Systemen. Auch die Anbindung an private oder öffentliche WAN-Strukturen darf nicht unterschätzt werden. SD-WAN-Lösungen stellen hierbei häufig eine zusätzliche Komplexität dar, da sie oftmals tief in bestehende Netzwerke integriert sind und eine enge Abstimmung zwischen IT- und OT-Bereichen erfordern.
Ein privates 5G-Netz bringt eigene Komponenten für Kernnetz, Authentifizierung, Routing, Qualitätssicherung und Sicherheitsmechanismen mit, die sauber und abgestimmt in die bestehende Unternehmensarchitektur integriert werden müssen, um Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten.
Dimensionierung, Skalierung und Konfiguration
5G-Campusnetze lassen sich flexibel an unterschiedliche Nutzergruppen und Anforderungen anpassen und variieren stark in ihrer räumlichen Ausdehnung sowie der Anzahl der Endgeräte. Gerade deshalb sollte bereits vor Beginn der Umsetzung eine realistische Vorstellung über Nutzerprofile und das Netzdesign im Endausbau bestehen. Dies verhindert spätere, kostenintensive Anpassungen oder die Notwendigkeit zusätzlicher Frequenzbeantragungen, die im ungünstigsten Fall nicht verfügbar sind.
Geplante bauliche Veränderungen sind ebenfalls zwingend zu berücksichtigen, um eine belastbare Funkfeldplanung mit korrekten Sendeleistungen und optimalen Senderstandorten sicherzustellen.
Fokus auf Sicherheit und Angriffsszenarien
5G-Campusnetze werden häufig pauschal als „sicher“ vermarktet, da sie in einem abgeschlossenen Bereich mit eigenen Frequenzen betrieben werden. Dieser Ansatz ist grundsätzlich korrekt, kann jedoch zu einem trügerischen Sicherheitsgefühl führen. Durch die enge Systemintegration entstehen zahlreiche Schnittstellen zu anderen Systemen, während gleichzeitig viele neue, mobile Endgeräte eingebunden werden, die potenzielle Sicherheitsrisiken darstellen.
Ein 5G-Netz ist nur dann wirklich sicher, wenn alle vorhandenen Sicherheitsmechanismen korrekt aktiviert und konfiguriert sind, eine konsequente Netzwerksegmentierung zwischen 5G und Unternehmens-IT umgesetzt wird und dem Schutz der mobilen Netzkomponenten ausreichend Aufmerksamkeit zukommt. Ein durchgängiges Sicherheitskonzept über alle Systeme, Prozesse und Gewerke hinweg, das auch Betrieb und Wartung einschließt, ist die Grundlage für einen stabilen und sicheren Betrieb über die gesamte Laufzeit.
Betrieb, Wartung und Notfallpläne
Moderne Network-Management-Systeme sind zugleich Segen und Herausforderung. Sie ermöglichen bei korrekter Konfiguration ein hohes Maß an Transparenz und Sicherheit, erfordern jedoch eine kontinuierliche Pflege in Form von regelmäßigen Updates, Monitoring, Endgeräte- und SIM-Lifecycle-Management sowie ein strukturiertes Prozess- und Eskalationsmanagement. Wird an dieser Stelle gespart, können Schwachstellen übersehen und im schlimmsten Fall kritische Steuerungskomponenten kompromittiert werden – mit potenziell gravierenden Folgen. Der Einsatz von KI in diesen Systemen verstärkt diese Effekte sowohl im Positiven als auch im Negativen.
Klare Zuständigkeiten und Rollenverteilungen für einen geregelten Betrieb – intern wie extern – sowie eindeutige Sicherheitsrichtlinien und definierte Abläufe für den Ernstfall müssen in belastbaren Notfallplänen dokumentiert und regelmäßig geübt werden.
Ohne professionellen Betrieb werden Fehler häufig zu spät erkannt, Konfigurationen verwildern, Sicherheitslücken entstehen und die Netzqualität nimmt schleichend ab. Der Überblick über den Systemzustand geht verloren – mit entsprechend steigenden Risiken für Betriebssicherheit und Verfügbarkeit.
Die Erfolgsfaktoren
Zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren zählen eine klare Zieldefinition und eine Bestandsaufnahme bereits im frühen Planungsstadium sowie das durchdachte Zusammenspiel interner Fachbereiche und externer Partner. Ein 5G-Campusnetz ist kein klassisches IT-Projekt, sondern ein strategisches Infrastrukturvorhaben, das langfristig die Wettbewerbsfähigkeit beeinflusst.
- Richtig umgesetzt, ermöglicht es:
- höhere Flexibilität in der Produktion
- verbesserte Prozesssicherheit
- geringere Latenzen
- optimale Vernetzung von Maschinen und mobilen Einheiten
Die technische Umsetzung weist zwar einige 5G-spezifische Besonderheiten auf, folgt im Projektmanagement jedoch ähnlichen Prinzipien wie andere komplexe Netzwerkprojekte im IT/IP-Umfeld.
Sorgfältig planen, realistische Ziele definieren, Integration frühzeitig berücksichtigen, Sicherheit konsequent umsetzen und einen professionellen Betrieb sicherstellen. Dann wird aus „Pleiten, Pech und Pannen“ kein kostspieliges Risiko, sondern ein messbarer Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen.