Datenfernverkehr muss schneller fließen
Appliances für die Beschleunigung des Zugriffs auf Ressourcen via WAN, oft auch WAN Optimization Controllers (WOCs) genannt, haben sich in Zweigstellen als nützliche, weil die Effizienz steigernde Netzwerkgeräte etabliert. Aktuelle Trends in diesem Marktsegment sind Software-Clients für mobile Mitarbeiter (Soft-WOCs), Multifunktionsgeräte für Filialen (Branch Office Boxes, BOBs), die Virtualisierung von Filialservern und die WOC-Nutzung für Managed-Services.
WOCs sind Multifunktionsgeräte, die darauf abzielen, die Anbindung von Niederlassungen an die
Zentrale zu beschleunigen. Ein Unternehmen oder dessen Provider positioniert sie an beiden Enden
eines WAN-Links. Die Appliances kommunizieren dann über Tunnels direkt miteinander. Sie bündeln –
je nach Hersteller mit variablem Umfang und Fokus – zahlreiche Funktionen, um den Fernzugriff auf
Dateien, Applikationen und Dienste zu beschleunigen: Zu den Maßnahmen zählen Traffic-Shaping
(QoS-Kontrolle), TCP-Optimierung, Kompression, Caching auf Datei- sowie auf Bitmusterebene (Data
Reduction), Beschleunigung anwendungsnaher Protokolle wie CIFS für Windows- und NFS für
Unix-File-Transfers sowie MAPI für Microsoft Exchange, HTTP- und teils auch SSL-Beschleunigung, die
zentrale Verteilung von Inhalten (Pre-Population) und mehr. Zu den Anbietern zählen Riverbed, Blue
Coat, Juniper, Expand, Cisco, Citrix, F5 sowie diverse kleinere oder spezialisierte Hersteller.
Beschleunigungs-Clients
Noch dringender als manche Niederlassung brauchen reisende Geschäftsleute eine Beschleunigung
ihrer Netzwerkanbindung. Deshalb gehen die WOC-Anbieter inzwischen dazu über, die Funktionen ihrer
Appliances auch als Software-Client (Soft-WOCs) zugänglich zu machen. Derartige Clients gibt es von
Riverbed, Blue Coat, Citrix und Cisco, während die von Expand und Juniper noch auf sich warten
lassen.
Zu Soft-WOCs bringt LANline derzeit eine Serie von Einzeltests (siehe den Riverbed-Test unter
www.lanline.de/kn31628116 sowie den Blue-Coat-Test auf Seite
36 in dieser Ausgabe oder unter
www.lanline.de/kn31661193). Da Soft-WOCs noch eine sehr
junge Produktgattung sind, bilden noch nicht alle Clients die Funktionalität der Appliances
vollständig ab, und auch das Zusammenspiel mit einem SSL-VPN-Client ist häufig noch nicht
ausreichend einfach gelöst.
BOB unterstützt Zentralisierung
Aus Gründen der Sicherheit, Compliance und Verwaltbarkeit gehen immer mehr Unternehmen mit
verteilten Standorten den Weg einer (Re-)Zentralisierung verteilter Ressourcen: Sie hosten
Applikationen und Dienste im RZ der Zentrale und ziehen aus den Filialen Server sowie letztlich
auch Administrationspersonal ab. Dennoch kann es dabei sinnvoll sein, einige Serverfunktionen
weiter in den Niederlassungen vorzuhalten. So erspart ein lokaler Printserver den Umweg der
Druckdatenströme über das WAN, und lokale Fileserver ermöglichen die genannte Pre-Population, zum
Beispiel die Verteilung neuer Preislisten vor Beginn der Gültigkeit, um in den Filialen die
initiale Download-Zeit zu verkürzen.
Deshalb erweitern derzeit einige WOC-Anbieter die Funktionalität ihrer Geräte erneut – diesmal
um die Aufgaben, die in der Filiale anfallen, wie DHCP-, DNS-, Print- und File-Services. In der
Terminologie des Analystenhauses Gartner nennt sich diese Gerätegruppe – die teils auch Router,
Firewall, Kommunikationsserver und individuelle Anwendungen integriert – "Branch Office Box" oder
kurz BOB. Einige Anbieter führen Geräte, die Gartners BOB-Definition mehr oder weniger entsprechen:
Cisco (als Blade im ISR Access Router), Juniper (als Blade für ihre J-Series-Router), Expand,
Citrix (in Kooperation mit Microsoft auf Windows-Basis) sowie auch Anbieter aus WOC-fremden
Gefilden wie Phion oder Thinprint (siehe dazu den BOB-Beitrag auf Seite 34 oder unter
www.lanline.de/kn31654608).
Netzbetreiber und Service-Provider können WOCs und BOBs sehr gut dazu nutzen, beschleunigte
WAN-Verbindungen und Managed-Services anzubieten. Schon mehrere Carrier und Provider, zum Beispiel
Orange Business Services oder BT, bieten beschleunigte Connectivity auf WOC-Basis an.
Ein interessantes Feature hat der WOC-Marktführer Riverbed zu bieten: Zusätzlich zur
Appliance-Funktionalität lassen sich via "Riverbed Services Platform" (RSP) auf Vmware-Basis bis zu
fünf "Virtual Edge Services" – auch hauseigene Applikationen – betreiben. Dies erhöht die
Flexibilität der Geräte erheblich. Riverbeds neue Atlas-Appliances sollen die
Deduplizierungsmechanismen aus dem WOC-Bereich auch für Fileserver- und Storage-Landschaften
nutzbar machen.
Konkurrent Blue Coat hat seine Marktposition im Juni durch die Übernahme des
Traffic-Managementspezialisten und Mitbewerbers Packeteer deutlich gestärkt – ein weiteres Zeichen
für die Konsolidierung dieses Markts. Doch den "Blaumänteln" ging es nicht nur um Marktanteile:
Packeteers Managementlösung Intelligence Center soll künftig Blue Coats Tool Reporter ersetzen. Die
beiden Appliance-Produktlinien SG und Packetshaper sollen bestehen bleiben; zur Option eines
integrierten Geräts wollte sich Blue Coat gegenüber LANline nicht äußern.
Junipers neue modulare Appliances WXC 1800, 2600 und 3400 unterstützen Policy-Based Multipath
und sollen sich vollständig automatisch provisionieren lassen. Das WXC Integrated Services Module
200 stellt nun in J-Series-Routern Kompression, Caching, TCP- und Anwendungsbeschleunigung,
Traffic-Shaping sowie Content-Verteilung bereit. Damit schließt Juniper hier zu Cisco auf, deren
ISR dies schon seit Ende 2006 beherrscht.
Mit der WOC-Software WAAS 4.1 haben Ciscos WAE-Appliances einen großen Schritt nach vorn gemacht
und bieten nun umfassende BOB-Funktionalität inklusive "Virtual Blades" (ähnlich Riverbeds RSP):
Sie können Linux- oder Windows-Server-2008-Services als virtualisierte Dienste hosten. Die Geräte
optimieren laut Cisco nun auch MAPI, Windows-Druck, HTTP, SSL, Live- und On-Demand-Video-Streaming
sowie NFS. Den Rollout unterstützt ein Quickstart-Wizard, Daten lagern AES-verschlüsselt auf den
WAE-Appliances.
Citrix hat im Frühsommer den Branch Repeater vorgestellt. Die Appliance basiert auf einem nach
Windows Server 2003 portierten Wanscaler 4.3, erweitert um einen Microsoft-ISA-Server. Das Gerät
unterstüzt somit alle gängigen Windows-Services, einschließlich Objekt-Caching mit Pre-Population
und Druckbeschlenigung, wie dies in ähnlicher Form auch Thinprint bietet. MAPI-Optimierung soll
allerdings erst mit dem Wanscaler 5.0 folgen. Die Verwaltung des Branch Repeaters erfolgt über ein
MMC-Snap-in (Microsoft Management Console). Auch Soft-WOC-seitig hat Citrix einiges vor: Der
Appreceiver soll küntig den ICA- sowie einen SSL- und einen Wanscaler-Client bündeln.
Expand hat kürzlich angekündigt, den Beschleunigungsspezialisten Netpriva zu übernehmen.
Netpriva ist Hersteller eine Softwarelösung für die WAN-Optimierung und das Traffic-Shaping auf
Socket-Ebene. Die Technik aus dieser Akquisition soll auch in Expands Soft-WOC Eingang finden.
Allerdings werde der neue Client, der im ersten Quartal 2009 auf den Markt kommen soll, zunächst
ohne Netpriva-Technik ausgeliefert. Schon im Sommer hat Expand zwei neue Zweigstellen-WOCs
vorgestellt: Der Accelerator 4830 und der 4930 skalieren bis 6 MBit/s komprimierten Durchsatzes und
sollen die Konkurrenz preislich unter Druck setzen. Expand verfügt per RDP- und ICA-Multiplexing
auch über spezielle Algorithmen zur Optimierung von Server-Based-Computing- und
Virtual-Desktop-Infrastrukturen, die ebenfalls wichtige Zentralisierungsmaßnahmen darstellen.
Auch kleinere Anbieter haben Neues zu berichten: Ipanema, spezialisiert auf die
applikationsbezogene Service-Level-Kontrolle für Service-Provider, bietet mit dem Modul "
Intelligent Acceleration" nun auch das Caching von Bitmustern. Ein Accelerometer berechnet auf
Basis gemessener Antwortzeiten die erzielte Zugriffsoptimierung pro Applikation und Standort.
Ipoque, Leipziger Spezialist für Bandbreitenmanagement, hat mit dem PRX-20 ein Kleinstgerät für
Traffic-Shaping vorgestellt, das sich für 20 MBit/s Durchsatz eignen soll.
Auf schnellen ROI achten
"Die WAN-Optimierung ist heute ein sehr heißer Markt, und das mit gutem Grund", so Eric Siegel,
Senior Analyst Network and Telecom Strategies beim Beratungshaus Burton Group. "Denn sie macht
Unternehmen effizienter und hat sich nach ein bis zwei Jahren amortisiert." Siegel betont: "
Unternehmensnetze werden in den nächsten fünf Jahren einem drastischen Wandel unterworfen sein, vor
allem aus Sicherheitsgründen. Deshalb sollten Unternehmen in Netzwerkgeräte investieren, die einen
ROI (Return on Invest) von maximal zwei bis drei Jahren haben."
Zwar könne Windows Vista mit TCP-Problemen deutlich besser umgehen, sodass dieser
Optimierungsbedarf künftig entfalle. Doch das WAN müsse zusätzlich Probleme auf Applikationsebene
ausbaden: So erfahren zum Beispiel Anwendungen, die CIFS nutzen, nicht, ob die Anwender via LAN
oder WAN auf sie zugreifen. Da Änderungen an Applikationslandschaften aber langwierig sind, rechnet
Siegel damit, dass anwendungsbedingte Performance-Probleme und damit Bedarf an Mechanismen wie
CIFS-Optimierung, Kompression und Datenreduktion "noch viele, viele Jahre bestehen bleiben"
werden.
Unternehmen sollten laut Siegel darauf achten, dass die WOCs sich gut in die Infrastruktur
integrieren lassen. Zudem versprächen zwar einige Anbieter eine transparente Arbeitsweise der WOCs,
doch "Transparenz" bedeute in jedem Fall etwas anderes, sodass Unternehmen die WAN-Beschleuniger
intensiv mit ihren hauseigenen Anwendungen und Management-Tools testen sollten.