Partei ergriffen für 1&1? Vodafone geht gegen Kartellamt vor
Im laufenden Missbrauchsverfahren des Bundeskartellamts gegen Vodafone und Vantage Towers erhebt Vodafone schwere Vorwürfe gegen die Behörde. Das Unternehmen wirft dem Kartellamt eine einseitige Verfahrensführung zugunsten des Netzneulings 1&1 vor. Ziel des Verfahrens ist es, die Marktbedingungen für den vierten Mobilfunknetzbetreiber zu klären.
Der Mobilfunker Vodafone legt sich mit dem Bundeskartellamt an. Die Firma wirft Deutschlands obersten Wettbewerbshütern vor, in einem Rechtsstreit voreingenommen zu sein und Partei für den Vodafone-Konkurrenten 1&1 ergriffen zu haben. Rechtliche Mindeststandards seien verletzt worden und das Kartellamt überschreite seine Kompetenzen.
Beim Düsseldorfer Oberlandesgericht reichte Vodafone nun einen Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz ein – ein ungewöhnlicher Schritt. Damit soll vorerst verhindert werden, dass das Kartellamt in einem sogenannten Missbrauchsverfahren eine Entscheidung fällt. Das Kartellamt weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Anlass für den Groll ist das 2023 eingeleitete Missbrauchsverfahren. Darin verdächtigt das Kartellamt Vodafone, auf den Infrastruktur-Betreiber Vantage Towers Einfluss genommen und 1&1 dadurch behindert zu haben. 1&1 hatte 2019 erstmals Frequenzen ersteigert, um ein eigenes Handynetz zu betreiben – 2023 wurde die Firma zum vierten deutschen Handynetzbetreiber nach der Deutschen Telekom, O2 und eben Vodafone.
Den Bau der Türme und Dachstandorte erledigt 1&1 nicht selbst, sondern das machen mehrere spezialisierte Infrastrukturunternehmen. Der Hauptlieferant von 1&1 wurde Vantage Towers, die Firma sollte zahlreiche Standorte für die Antennen bereitstellen. Doch Vantage Towers stellte viel zu wenige Standorte bereit. Anfang 2023 verfehlte 1&1 eine staatliche Ausbaupflicht deutlich: Statt 1.000 betrieb 1&1 nur fünf Standorte. Die meisten dieser 1000 Standorte hätten von Vantage Towers kommen sollen. Das Delikate daran: 50 Prozent an Vantage Towers hält Vodafone, also ein direkter Mobilfunk-Konkurrent von 1&1.
Vodafone bekommt Gegenwind aus Bonn
1&1 gab die Schuld an dem Schneckentempo-Ausbau Vantage Towers und beschwerte sich beim Kartellamt, dass Vodafone hierbei wohl seine Finger im Spiel gehabt habe. Hat die Mobilfunk-Firma bei ihrer ehemaligen Funkturm-Sparte etwa darauf eingewirkt, beim Standort-Bau aufs Bremspedal zu drücken? Vodafone und Vantage bestritten das, das Kartellamt nahm sich des Sachverhalts an. Im Frühjahr kam es zur vorläufigen Einschätzung, dass an dem Vorwurf etwas dran gewesen sei.
Die verzögerte Bereitstellung der Standorte sei „als kartellrechtswidrige Behinderung von 1&1 bei seinem Markteintritt als vierter Netzbetreiber zu werten“, erklärte Behördenchef Andreas Mundt damals. Diese Verzögerung und ihre negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb hätten vermieden werden können und aufgrund des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots vermieden werden müssen, so der Wettbewerbshüter.
Die finale Entscheidung steht noch aus – nun zieht Vodafone juristisch alle Register, um das drohende Unheil abzuwenden. Das Verfahren sei „in einem fortgeschrittenen Stadium“, sagt ein Sprecher des Kartellamts und fügt hinzu: „Ob eine Entscheidung ergeht, ist derzeit noch offen.“ Derzeit würden Stellungnahmen ausgewertet und es liefen weitere Ermittlungen. Mit der finalen Entscheidung könnte Vantage staatlich verpflichtet werden, endlich im großen Stil Standorte bereitzustellen – das würde den Druck auf die Infrastrukturfirma erhöhen. Vodafone wäre indirekt betroffen, das Kartellamt betrachtet die Firma als Konzernmutter.
1&1 und Kartellamt weisen Vorwürfe zurück
Die Vodafone-Seite mutmaßt, dass Kartellamtschef Andreas Mundt das Verfahren gegen Vodafone und Vantage dazu nutzen möchte, um die Situation des Netzbetreiber-Neueinsteigers 1&1 zu verbessern und damit sicherzustellen, dass es auch künftig vier Anbieter geben wird. Bis 2014 hatte es schon einmal vier gegeben, dann aber fusionierte E-Plus mit O2, was Jurist Mundt damals kritisch sah und negative Folgen für den Wettbewerb befürchtete. Im jetzigen Missbrauchsverfahren verfolge Mundt „eine politische Agenda“ und wollte damit einen Teil dazu beitragen, einen vierten Netzbetreiber zu etablieren, moniert Vodafone. Das sei rechtswidrig.
Die Düsseldorfer Firma wirft dem Kartellamt vor, es zugelassen zu haben, dass 1&1 das Verfahren gesteuert habe. Die Firma habe intensiv Kontakt gehabt mit der zuständigen Abteilung im Kartellamt, während Vodafone nicht beteiligt gewesen sei. Wegen der angeblichen Fehler des Kartellamts gibt sich Vodafone-Anwalt Walther Graf demonstrativ griesgrämig. „So etwas ist mir in meiner mehr als 25-jährigen Berufslaufbahn noch nicht untergekommen.“ Er hat Kartellamtschef Mundt einen 65-seitigen Brief geschrieben, der gepfefferte Vorwürfe enthält.
Als Reaktion auf die Vorwürfe teilt das Bundeskartellamt mit, dass man das Verfahren gegen Vantage Towers und Vodafone „selbstverständlich unbefangen und unvoreingenommen“ führe. Grundsätzlich treffe sich Kartellamtspräsident Mundt bei solchen Verfahren regelmäßig mit Unternehmensführern, dies sei hierbei auch erfolgt und es habe Treffen mit 1&1-Chef Ralph Dommermuth gegeben. Es habe auch Treffen mit der Leitung von Vodafone gegeben. „Der Vorwurf, dass die Verfahrensführung in diesem Verfahren einseitig oder ungewöhnlich und abweichend von anderen Verfahren gewesen sein soll, entbehrt jeglicher Grundlage“, so das Kartellamt.
Mit Kopfschütteln wird auch bei 1&1 in Montabaur auf den Vodafone-Vorstoß reagiert. 1&1 weist den Vorwurf der unlauteren Abstimmung und Einflussnahme entschieden zurück. Eine Firmensprecherin betont, dass Vantage Towers seinen vertraglichen Verpflichtungen bis heute nicht nachkomme. „Leider verzögert sich die Bereitstellung zugesagter Antennenstandorte weiterhin massiv.“