Die "Jahreskonferenz Klimaschutz und Ressourceneffizienz", veranstaltet vom Bundesumweltministerium, dem Umweltbundesamt und dem ITK-Branchenverband Bitkom, stand ganz im Zeichen der Schnittmenge zwischen Ökologie und Ökonomie. Mal sachlich argumentierend, mal geradezu beschwörend widmeten sich diverse Vorträge den Marktchancen von "grüner" IT.
"Green IT" ist derzeit ein Renner, verquickt sie doch auf für die beteiligten Hersteller höchst angenehme Weise Political Correctness ("Wir sparen CO2 und retten das Klima!") mit Wirtschafts- und Vermarktungsargumenten ("Wir sichern den Wirtschaftsstandort Deutschland!" – "Wir senken den IT-Stromverbrauch!"). Und so rückte Mitte Februar auch die "Jahreskonferenz Klimaschutz und Ressourceneffizienz" im Bundespresseamt diesen Doppelnutzen umweltfreundlicher IT in den Mittelpunkt.
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Vor rund 200 Gästen aus Politik, IT-Branche, Wissenschaft und von der Presse setzte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel als Eröffnungsredner einen ersten Akzent dieser Art: Es gelte, "sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile" des umweltgerechten IT-Einsatzes herauszuarbeiten. Die TK- und IT-Branche sei "wie kaum eine andere geeignet", ökologische Lösungen ökonomisch zu nutzen und umgekehrt. Gefragt seien Antworten auf die zwei zentralen Fragen, wie effizienter mit Rohstoffen und Energie umgegangen werden kann, und wie der Wechsel zu nachwachsenden Rohstoffen zu bewerkstelligen ist.
Der Minister zitierte Analystenschätzungen, laut denen die IT-Branche für ebenso viel CO2-Ausstoß verantwortlich ist wie der Luftverkehr. 2004 entsprach der ITK-Stromverbrauch inklusive Unterhaltungselektronik in Deutschland über 28 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß. Der Sektor ITK verursache acht Prozent des deutschen Stromverbrauchs, allein zwei Prozent gingen zu Lasten des Internets und dessen Always-on-Nutzung. Mit Seitenblick auf die Schließung des Bochumer Nokia-Werks forderte er die ITK-Branche auf, "Megawattstunden arbeitslos zu machen und nicht nur Menschen". Das heutzutage eintausendfach beschleunigte Artensterben gleiche einem enormen Verlust naturinhärenten Wissens: "Wir löschen die Daten von der Festplatte der Natur", so Gabriel.
Die Bundesregierung arbeitet bereits mit der ITK-Branche an gemeinsamen Gegenmaßnahmen. Als Beispiel nannte er den Fachdialog "Grüner surfen" mit dem Ziel einer Sensibilisierung der Internetnutzer. Gabriel kritisierte aber gegenüber dem Bitkom-Präsidiumsmitglied und IBM-Chef Martin Jetter deutlich, dass diverse Computerhersteller bei der Erstellung eines Kriterienkatalogs für die Beschaffung von Desktops nach neunmonatigen Verhandlungen "abgesprungen" sind. Offenbar wolle die Branche die Einigung bis zu einem medienwirksameren Termin auf der CeBIT verzögern.
Jetter zeigte sich als Folgeredner in der Tat zuversichtlich, dass man auf der CeBIT eine Einigung finden werde. Er warnte: "Die schiere Umweltfreundlichkeit bewegt nicht die Budgets der großen Unternehmen." Angesichts zahlreicher Einsatzmöglichkeiten der IT für effizientere und damit umweltfreundlichere Prozesse postulierte er dennoch: "Green IT ist die Chance für den Klimaschutz."
Am offensivsten und engagiertesten plädierte Dennis Pamlin von der Naturschutzorganisation WWF (World Wildlife Fund) dafür, die ökologisch-ökonomische Zwitterrolle der IT als Hebel zu nutzen. Die anwesenden ITK-Branchenvertreter begrüßte er mit der These: "Sie haben die moralische Verpflichtung, viel Geld zu verdienen." Pamlins zentrale Message: Man solle das Thema CO2-Ausstoß nicht mehr als Risiko diskutieren, sondern als Feld üppiger Geschäftsmöglichkeiten. Es gelte, den Blick von der IT als Umweltsünder abzuwenden und sich auf das rund zehnmal größere Potenzial IT-gestützter Umweltverbesserungen zu konzentrieren. Den Markt für das Ermöglichen einer CO2-ausstoßarmen Wirtschaft ("low-carbon economy") veranschlagte er mit 40 Billionen Dollar und fragte: "Wieviel davon wollen Sie abhaben?" Anzumerken ist hier allerdings, dass der Blick auf die ressourcenschonende Nutzung der IT und der auf das Klimaschutzpotenzial neuer (Informations-)Techniken sich nicht gegenseitig ausschließen: Beides zu erreichen muss das Ziel sein.
Ins technische Detail gingen anschließend die vier parallelen Foren zu den Themen "Energieeffiziente Rechenzentren", "Thin Clients und Server-based Computing", "Unternehmensstrategien und produktpolitische Instrumente" sowie "Neue Chancen für grüne Produkte und Dienstleistungen in der ITK". Bei den Teilnehmern erregte der Unternehmensstrategie-Workshop das größte Interesse. Der Thin-Client-Workshop (mit Eröffnungsvortrag durch die LANline) arbeitete heraus, dass TCs zwar Desktop-PCs in puncto Energieverbrauch deutlich schlagen, aber in Notebooks eine fast ebenbürtige Konkurrenz haben. Somit rührt das Marktpotenzial der schlanken PC-Alternativen nur nachrangig aus ihrem Green-IT-Beitrag, sondern vielmehr aus den altbekannten Vorteilen Verwaltbarkeit, Sicherheit und TCO.
LANline/Dr. Wilhelm Greiner