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MPLS and Ethernet World Congress, Paris

MPLS zielt auf Access

Noch vor Monaten gab es heiße Diskussionen darüber, ob sich die Core-Netztechnik MPLS (Multi-Protocol Label Switching) auch in den Metro-Netzen der Provider durchsetzen würde. Teils wurde die Konkurrenztechnik PBB-TE (Provider Backbone Bridging - Traffic Engineering) hoch gehandelt. Auf dem MPLS and Ethernet World Congress vom 10. bis 13.02.2009 in Paris hingegen stellte man eher die Frage, wie sich MPLS bis ins Zugangsnetz verlängern lässt.

Stefan Mutschler/wg • 16.4.2009 • ca. 5:00 Min

"Alles, was MPLS kann, kann auch Carrier Ethernet." Mit dieser etwas provokanten These brachte Dave Allen, Distiguished Member of Technical Stuff bei Nortel, in seiner Session das Thema auf den Wettstreit zwischen den zwei Protokollen. Während MPLS für das WAN entwickelt wurde, hat das Metro Ethernet Forum (MEF) Ethernet erst in den letzten Jahren für die Langstrecke und die Anforderungen von Carriern fit gemacht. Im Sinne der Ökonomie kam Allen zu dem Ergebnis, dass die Herausforderung heute darin bestehe, MPLS und Ethernet entsprechend den Anforderungen vor Ort bestmöglich zu kombinieren. Der geeignete Mix beider Techniken ermögliche es, auch sehr große Carrier-Netze wirtschaftlich zu realisieren.

Offensichtlich war dies auch das Credo des französischen Konferenzorganisators Upperside, der die beiden Themen erstmals in einem gemeinsamen Kongress vereinte: Der MPLS and Ethernet World Congress in Paris ähnelt inhaltlich und strukturell sehr stark dem in Deutschland organisierten Carrier Ethernet World Congress. Auf beiden Veranstaltungen ist auch das EANTC (European Advanced Networking Test Center) mit einer zentralen Interoperabilitätsbühne der Kitt, der die meisten Aussteller unter Bedingungen der "realen Welt" miteinander verbindet. Organisatorisch haben die beiden Veranstaltungen jedoch nichts miteinander zu tun.

Nortel gilt als stärkster Verfechter der Ethernet-Ergänzungstechnik PBT (Provider Backbone Transport, Nortels Variante von PBB-TE) im Backbone. Die Empfehlung, auf eine Mischung von MPLS und Ethernet zu setzen, ist daher von dieser Seite eher als mühsam abgerungener Kompromiss zu verstehen. Ansonsten findet PBT wenig Rückhalt.

Ein großes Thema in Paris war vielmehr die Diskussion, ob es technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist, MPLS sogar bis in den Access zu verlängern. Eine einheitliche, auf IP basierende Infrastruktur auf allen Netzebenen verspricht eine vereinfachte Administration und damit sinkende Betriebskosten für den Provider. Zudem sollen sich so die Service-Flexibilität und -Effizienz verbessern lassen. Wichtigste Voraussetzung für ein solches Vorhaben sei es, die Netzwerk- von der Service-Architektur zu trennen. Dementsprechend sei nicht mehr, wie im Moment üblich, die Skalierbarkeit von Protokollen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die von Netzwerken und Services.

Fein-Tuning von Carrier Ethernet

Neben MPLS hat sich auch Ethernet in seiner Carrier-gerechten Variante inzwischen auf breiter Basis durchgesetzt. Ob Carrier Ethernet oder nicht, das ist heute nicht mehr die Frage. Selbst die großen Incumbent-Carrier (Ex-Monopolisten) wie die Deutsche Telekom haben entsprechende Services im Angebot. "Worum es jetzt geht, sind Differenzierungsmöglichkeiten, über die Provider die Chance haben, sich ein großes Stück vom stark wachsenden Markt zu sichern", so Gary Holland, Director Solution Marketing bei der Carrier Business Group von Alcatel-Lucent.

Eine Analyse von IDC bezifferte den weltweiten Carrier-Ethernet-Markt 2008 auf rund 40 Milliarden Dollar - bis 2012 soll das Volumen um jährlich durchschnittlich 22 Prozent wachsen. "Eine solche Differenzierung läuft in erster Linie über den Mehrwert für die Anwender, und hier kommen jetzt Themen wie Applikationsbereitstellung und Service-Spezialisierung ins Spiel", so Holland.

In diese Lücke soll nun der 7210 Service Access Switch (SAS) stoßen, den Alcatel-Lucent auf dem MPLS and Ethernet World Congress vorgestellt hat. Dabei handelt es sich um eine Familie kleiner Geräte, die der Provider bei seinen Unternehmenskunden platziert. Der Access Switch soll hier erlauben, die Palette an über Carrier Ethernet angebotenen Services und Applikationen zu erweitern. Optimierte MPLS-Mechanismen sollen dabei für die erforderliche Service-Qualität sorgen, um auch unternehmenskritische Anwendungen bedienen zu können. Da die Kontrolle beim Provider bleibt, kann dieser so durchgängig gemanagte Ethernet- und IP-VPN-Services anbieten.

Ein zweites Einsatzgebiet sind Privathaushalte. Über eine Box im Keller soll ein Provider die Bewohner eines Hauses so besser mit Triple-Play-Services versorgen können. Hier gehe es in erster Linie um die Optimierung von Video-Streams und die Möglichkeit, Werbung in diese Streams einfügen zu können. Entsprechende IPTV-Angebote sind in Deutschland derzeit noch rar, andere Europäer wie Franzosen, Spanier oder Italiener nutzen solche Services bereits weit umfangreicher.

Ein drittes und zunehmend wichtigeres Einsatzgebiet von Lösungen wie den neuen Alcatel-Lucent-Geräte ist die Anbindung von Mobilfunk-Sendemasten an das Provider-Netzwerk. Günstige Pauschaltarife, eine immer größere Auswahl Internet-geeigneter mobiler Endgeräte sowie mit DSL vergleichbare Datenraten bescheren dem mobilen Internet derzeit einen wahren Boom.

Mit HSPA+ (High Speed Packet Access Plus) und LTE (Long-Term Evolution) stehen neue Techniken ins Haus, über die sich die Datenraten auf bis zu 21 oder 42 MBit/s (HSPA+) beziehungsweise über 100 MBit/s (LTE) steigern lassen. Die Provider erwarten eine exponentielle Zunahme der Verkehrslasten auf ihren Sendemasten. Sie suchen dementsprechend nach geeigneten Lösungen für das "Mobile Backhaul", um diese Lasten auch in ihr Netzwerk transportieren zu können.

Juniper und NSN: gemeinsame Carrier-Ethernet-Lösung

Schon seit mehreren Jahren unterhalten Nokia Siemens Networks (NSN) und Juniper Networks eine enge Partnerschaft. Allerdings war diese bisher allein vertrieblicher Natur - NSN steht bei Juniper als "größter Wiederverkäufer" im Bericht. Jetzt wollen die beiden Unternehmen Teile ihres Portfolios in einer speziellen Lösung bündeln, die den weltweiten Carrier-Ethernet-Markt adressiert.

Netzwerkbetreiber weltweit stecken mitten in der Ablösung ihrer alten TDM/SDH-Infrastrukturen zugunsten paketbasierter IP-/Ethernet-Netze. "Dieser Prozess läuft sukzessive und wird sich sicher noch einige Jahre hinziehen", erklärte Pekka Viirola, Head of Technology, IPT bei NSN auf dem Kongress im Gespräch mit LANline. "Viele Netzbetreiber suchen in diesem Zuge händeringend nach einer Carrier-Ethernet-Lösung, die alle Dienste auf einem einzigen Netzwerk konsolidiert." Über die Kooperation mit Juniper will NSN nun diese Vision eines "Unified Carrier Ethernet" Wirklichkeit werden lassen.

Die neue Lösung, mit der NSN und Juniper in der zweiten Hälfte des laufenden Jahres über ihre qualifizierten Partner auf die Provider zugehen wollen, umfasst die Ethernet-Services-Router der MX-Serie von Juniper (Metro-Aggregation) sowie die Carrier-Ethernet-Switches der A-Serie (Metro-Access) und das Netzwerk-Management-System Aspen von NSN. Als integrierte Lösung soll auch dieses NSN-Juniper-Paket Mobilfunk-Providern helfen, ihre stark wachsenden Lasten auf der Strecke zwischen Funkmast und Aggregations-Switch zu bewältigen.

"Wenn die Marktprognosen für das mobile Internet in diesem Jahr auch nur annähernd Wirklichkeit werden, müssen die Mobilfunkbetreiber dringend etwas tun, um ihre Kundschaft nicht mit langen Wartezeiten zu verprellen", so Viirola. Darüber hinaus soll sich die neue Gemeinschaftslösung wie das neue Alcatel-Lucent-Gerät auch für Carrier-Ethernet-basierte Services sowohl für Unternehmenskunden als auch für Privathaushalte eignen.

In Sachen Wirtschaftlichkeit soll insbesondere die Stärke der mit der Atrica-Akquisition zu NSN gekommenen Management-Software Aspen zum Tragen kommen. Sie erspart die Konfiguration einzelner Nodes - stattdessen werden Verbindungen durch einfachen Klick mit der Maus generiert. Auch Aufgaben des Traffic-Engineerings - normalerweise ein zeitraubender Job, der tiefe Fachkenntnis erfordert - erledigt Aspen automatisch.

"Bis heute ist das Management von Netzen und einzelnen Elementen in Systemen, die von verschiedenen Herstellern stammen, eine große Herausforderung für Netzwerkbetreiber", so John Mazur, Ovum Principal Analyst für die Bereiche Switching und Routing. Ein integriertes Ende-zu-Ende-Management von Carrier Ethernet und IP sei für Netze der nächsten Generation (Next-Generation Networks, NGNs) nicht nur höchst wünschenswert, sondern eine wesentliche Anforderung.